
Bauen wird digitaler: Die wirkliche Revolution hat mit BIM aber gerade erst begonnen. Foto: Pixabay
W&P-Studie: Herausforderungen durch BIM
Das ganzheitliche Planen, Bauen und Betreiben von Gebäuden mithilfe von BIM-Software gewinnt zunehmend an Bedeutung. Es gilt im Grunde als unstrittig, dass das „Building Information Modeling“ in Zukunft allgemeiner Baustandard sein wird – zumindest bei Großobjekten. Die Frage ist nur, wie grundlegend sich die Baubranche tatsächlich durch BIM verändern wird und wie gut die verschiedenen Player der Wertschöpfungskette Bau auf die neuen Arbeitsweisen vorbereitet sind. Antworten darauf liefert eine W&P-Studie.
Für ihre im August 2018 veröffentlichte Studie „BIM – are you ready?“ hat die Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner (W&P) Protagonisten aus fast allen Bereichen der Wertschöpfungskette Bau interviewt. Über 200 Architekten, Bauunternehmer, Fachplaner, Hersteller und Investoren/Bauherren wurden unter anderem dazu befragt, welche Anpassungen in Strategie, Organisation und Arbeitsweise sie in Bezug auf BIM (Building Information Modeling) vornehmen.
Nicht befragt wurden dagegen Vertreter des Baustoff-Großhandels. Die Autoren der Studie schreiben ganz offen, dass sie diese Gruppe bewusst nicht angesprochen hätten, weil die „vielfach limitierte Erfahrung des Großhandels im Hinblick auf BIM“ die Studienergebnisse verzerren könnte. Im Klartext heißt das wohl: Wir haben den Handel nicht befragt, weil der sich ohnehin kaum mit BIM beschäftigt.
Die Studie wurde unterstützt von Autodesk, BIMobject und BIMworld Munich sowie vom Baustoffhersteller Knauf, auf dessen Website man den Abschlussbericht kostenlos als PDF herunterladen kann.
Großer Nachholbedarf
In Sachen Umsetzung von BIM sieht die Studie bei allen Baubeteiligten einen großen Nachholbedarf. Ein „zurückhaltender, eher abwartender und halbherziger Umgang“ mit dem Thema sei in der Baubranche noch weit verbreitet. Das könnte schon bald zum Problem werden, denn zugleich prognostiziert W&P, dass der Digitalisierungsgrad künftig über die Zukunftsfähigkeit der Baubeteiligten entscheiden werde. Denn es gelte: Wer auf der Basis von BIM plant und baut, erzielt auf Grund der digitalen Zusammenarbeit deutliche Wettbewerbsvorteile durch Effizienzgewinn sowie Prozess- und Kostensicherheit.
Hinzu kommt, dass es in manchen Bereichen schon bald ohne BIM gar nicht mehr gehen wird. Die Bundesregierung plant, BIM ab 2020 für neue öffentliche Projekte gesetzlich verpflichtend einzuführen. Wobei Deutschland keineswegs Vorreiter bei diesem Thema ist. Viele andere Länder sind bereits weiter. Bei umfangreicheren Bauvorhaben ist BIM aber auch hierzulande schon oft Realität. Das bestätigen die W&P-Interviews. 38 % der befragten Architekten gaben an, BIM derzeit in Projekten einzusetzen, bei den Fachplanern sind es erst 30 % und bei den Bauunternehmen 26 %.
Kosten- und Zeitvorteile
In der Studie wird BIM als „die kollaborative Zusammenarbeit der an der Wertschöpfungskette Bau beteiligten Unternehmen auf Grundlage eines zentralen Datenmodells mit weitgehend schnittstellenfreien Prozessen im gesamten Lebenszyklus des Bauobjektes“ definiert. Bei BIM arbeiten alle am Bauprojekt Beteiligten mit demselben digitalen Gebäudemodell. Ob Bauherr, Architekt, Tragwerksplaner, Baubehörden, Brandschutzgutachter, Baufirmen oder technische Gebäudeausstatter: Im Idealfall haben sie alle Zugriff auf das zentrale 3D-Modell und seine Informations-Datenbanken und können im vorab definierten Umfang damit arbeiten. Diese „digitale Durchgängigkeit“ wird laut Studie in der bisher noch stark fragmentierten Bauindustrie zu Zeit- und Kostenreduktionen im Umfang von etwa 15 bis 25 % führen.
Vorreiter und Nachzügler
Die Autoren der W&P-Untersuchung haben aus den Befragungsergebnissen drei charakteristische Unternehmenstypen herausgefiltert, die sich in ihrem Umgang mit BIM unterscheiden: starke Strategen, opportunistische Pragmatiker und reaktive Nachzügler. Die Erstgenannten findet man überwiegend unter den Architekten und Fachplanern, seltener unter den Herstellern. Mehr als 60 % der starken Strategen setzen BIM bei mehr als 70 % ihrer Projekte ein. Mehr als 40 % von ihnen Strategen sind sehr große Unternehmen.
Baustoffhersteller gehören laut Studie beim Thema BIM überwiegend zu den opportunistischen Pragmatikern. Daneben sind aber auch viele Architekten und Fachplaner zu dieser Gruppe zu zählen. Mehr als 70 % dieser Firmen zählen zu den großen und sehr großen Unternehmen. Nur 17 % der opportunistischen Pragmatiker setzen BIM bei mehr als 70 % der Projekte ein. Zur Gruppe der reaktiven Nachzügler schließlich zählen überwiegend Hersteller und Bauunternehmer. Meist handelt es sich um mittelgroße oder große Unternehmen. Über 60 % von ihnen setzen BIM überhaupt nicht oder nur bei wenigen Projekten ein.
Veränderungen für die Baubeteiligten

Die W&P-Studie „BIM – are you ready?“ ist im August 2018 erschienen.
Architekten und Planer beschäftigen sich naturgemäß bereits am stärksten mit BIM. Ihr Einfluss auf die Baustellenprozesse wird durch die Existenz der zentralen Datenmodelle vermutlich wachsen, weil die tatsächliche Bauausführung vor Ort künftig stärker durch das vorgegebene Planmodell festgelegt ist.
Aber auch die Macht der Hersteller kann durch BIM wachsen. Laut Studie werden sie in Zukunft öfter Teil des Planungsteams sein und rücken näher an das Objekt und seine Erstellung heran. Dafür müssen sie sich aber umfassend mit BIM-Prozessen beschäftigen und natürlich ihre Produkte als digitale BIM-Objekte anbieten. „Ihre zukünftige Positionierung, ihr Zugang zu Entscheidern, zum Markt und damit zum Erfolg wird maßgeblich durch ihre BIM-Reife geprägt“, heißt es in der Studie.
Die ausführenden Unternehmen zählen laut Studie bisher zu den reaktiven Nachzüglern bei der BIM-Umsetzung. Kein Wunder: Für sie könnten zentralisierte digitale Prozesse zum Teil ungemütlich werden. Die Verbindlichkeit in Sachen Ausführung, Kosten und Zeiten wird voraussichtlich zunehmen, und die Arbeit der Bauunternehmer wird durch BIM transparenter.
Den Handel sieht die W&P-Studie als einen Verlierer der BIM-Revolution. Die Autoren schreiben wörtlich: „Der klassische Handel als Zwischenstufe verliert an Bedeutung. Ihm muss es gelingen, seine Kompetenz stark in Richtung Logistik analog der Just-in-Time- und Just-in-Sequence-Konzepte in anderen Branchen zu entwickeln“. Gemeint ist damit eine stärke Spezialisierung des Handels auf die logistische Betreuung von Großbaustellen. Das wird aber voraussichtlich nur einzelnen Händlern gelingen. Insgesamt erwarten die W&P-Autoren, dass der deutsche Baugroßhandel künftig Umsätze verlieren wird – zum einen an Internet-Händler und zum anderen an Direktlieferanten unter den Herstellern.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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