
Neue Erkenntnis: Sichtbares Licht trägt zur Alterung von Bitumen in Asphaltstraßen bei. Foto: Pixabay
Tageslicht schadet Asphalt
Anders als bisher angenommen trägt sichtbares Licht deutlich zur Alterung von Bitumen bei. Das hat das Institut für Verkehrswissenschaften an der TU Wien zufällig entdeckt. Bitumen kommt als Bindemittel für Asphalt zum Einsatz. Wenn es altert, wird es spröde und bekommt Risse. Nach Ansicht der Wiener Forschenden ist bei Lebensdauer-Abschätzungen für Asphaltstraßen künftig also auch die Sonneneinstrahlung vor Ort zu berücksichtigen.
Aktuell wird die lichtbedingte Veränderung im Bitumen in einem Forschungsprojekt an der TU Wien genauer untersucht, mit dem langfristigen Ziel, durch ein besseres Verständnis der Alterungsprozesse Straßenasphalt irgendwann langlebiger zu machen.
Den Anstoß zu diesen Aktivitäten gab der Zufall. „Das Forschungsprojekt begann mit einigen merkwürdigen Beobachtungen, die sich zunächst niemand erklären konnte“, erzählt Prof. Bernhard Hofko vom Institut für Verkehrswissenschaften. „Bei uns im Labor lagen Bitumen-Proben in Glasbehältern herum – und bei näheren Untersuchungen stellten wir fest, dass sich ihre Oberfläche nach sehr kurzer Zeit verändert hatte.“
Beleuchtungsversuche im Labor

Das Forschungsteam besteht (v.l.n.r.) aus Bernhard Hofko, Johannes Mirwald und Kristina Hofer. Foto: TU Wien
Solche Veränderungen hätte man vielleicht bei hohen Temperaturen erwartet – nicht aber bei Zimmertemperatur im Labor. Auch intensive UV-Strahlung käme als Erklärung für solche Veränderungen in Betracht, doch das Glas sollte eigentlich einen Großteil der UV-Strahlung absorbieren und nur den sichtbaren Anteil des Sonnenlichts durchlassen. „Wir beschlossen also, uns diese merkwürdige Sache mit Spezialmikroskopen näher anzusehen“, erläutert Hofko. An der TU Wien begann man also damit, Bitumen-Proben systematisch zu beleuchten, mit unterschiedlichen, jeweils genau definierten Lichtfarben – vom langwelligen Rot bis in den kurzwelligeren UV-Bereich.
„Bisher nahm man an, dass das hochenergetische UV-Licht den stärksten Einfluss auf die Alterung von Bitumen hat“, sagt Johannes Mirwald, der sich am Institut für Verkehrswissenschaften ebenfalls mit dem Projekt beschäftigt. „Von sichtbarem Licht erwartete man keinen nennenswerten Effekt“, fügt der Wissenschaftler hinzu. Doch die Messungen zeigten deutlich: Bei allen untersuchten Lichtwellenlängen waren bereits nach 15 bis 20 Minuten Veränderungen der Bitumen-Oberfläche nachzuweisen.
Der stärkste Alterungseffekt tritt im Laborversuch zwar tatsächlich im UV-Bereich auf, doch in der Praxis seien die Auswirkungen von sichtbarem Licht ähnlich drastisch – heißt es in einer Pressemitteilung der Technischen Universität. Beim sichtbaren Licht wurden die stärksten Alterungseffekte im Wellenlängenbereich von blauem Licht beobachtet – gefolgt von grünem Licht. Berücksichtig man nun, dass die Erdatmosphäre UV-Licht deutlich stärker abschwächt als sichtbares Licht, dann verursacht blaues Licht nach Angaben der Wiener Forschenden die stärkste Alterung auf den Oberflächen von Asphaltstraßen.
Oxidation führt zu Rissen
Das Licht beschleunigt die Oxidation des Materials – und wenn Bitumen oxidiert, verändern sich seine mechanischen Eigenschaften. Es wird steifer und damit auch rissanfälliger. „Die Oxidation unter Einwirkung von Licht findet zunächst nur in den obersten Schichten des Materials statt – in den äußersten Mikrometern der Bitumen-Probe“, sagt Johannes Mirwald. „Doch das ist bloß die Initialzündung für einen weitreichenden Effekt: Kleine Risse sorgen dafür, dass Sauerstoff tiefer in das Material eindringen kann, im Inneren des Materials entstehen Spannungen, die Risse werden tiefer und schließlich kann das zu einer nachhaltigen Schädigung des Asphalts führen.“
Auf Nachfrage von BaustoffWissen konkretisierte die TU Wien, dass die beobachtete Alterung offenbar nicht mit der Temperatur des Tageslichts zusammenhängt. „Wir haben Temperaturmessungen gemacht an den Probenoberflächen – und hier zeigte sich, dass wir nicht wirklich thermische Oxidation induzieren können“, antwortete Johannes Mirwald. Stattdessen hänge der Prozess wohl hauptsächlich mit der Energie der Lichtphotonen zusammen – so jedenfalls die momentane Vermutung der Forschenden.
Wichtige Erkenntnis für den Straßenbau

Die Asphaltdecke wird durch das Tageslicht allmählich steifer und damit rissanfälliger. Foto: Pixabay
Für die Wissenschaft vom Straßenbau werden die neuen Erkenntnisse wichtige Änderungen mit sich bringen – da ist man sich am Institut für Verkehrswissenschaften sicher. Bisher wurden Alterungsexperimente mit dem aus Erdöl gewonnenen Bindemittel Bitumen hauptsächlich im Dunkeln durchgeführt – das werde sich nun ändern. „Unsere Messungen zeigen: Wenn man die Haltbarkeit von Asphalt vorhersagen möchte, dann muss man jedenfalls auch die Sonneneinstrahlung berücksichtigen“, sagt Bernhard Hofko.
Die Haltbarkeit von Fahrbahndecken aus Asphalt hängt entscheidend vom Bitumen ab – dem schwarzen Bindemittel, das die Steinchen im Asphalt zusammenhält. Wenn das Bindemittel bereits durch Tageslicht altert und Risse bildet, ist das kein kleines Problem. Schließlich bestehen in Deutschland über 90 % aller Fahrbahndecken aus Asphalt. Wenn Asphaltforscher weniger lichtempfindliche Rezepturen fänden, könnte man die Sanierungskosten vermutlich deutlich senken.
Was ist mit Polymerbitumen?
Beim Bau von Asphaltstraßen kommt heutzutage nicht nur reines Bitumen, sondern auch polymermodifiziertes Bitumen (PMB) zum Einsatz. Dieses Material ist durch Kunststoff-Zugaben weniger temperaturempfindlich. Die Straßenbeläge werden an heißen Sommertagen also nicht so schnell rutschig. Nach Angaben von Eurobitume, dem Verband der europäischen Bitumenindustrie, lag der PMB-Anteil im deutschen Straßenbau 2020 bei rund 25 %.
Könnte es sein, dass Polymerbitumen weniger stark durch Tageslichteinflüsse altert? Auch diese Frage will die TU Wien noch näher untersuchen. Bisher ist nur klar, dass sowohl Bitumen als auch die Polymere in PMB durch UV-Licht Schaden nehmen. Außerdem weiß man nun durch die Zufallsentdeckung aus Wien, dass Bitumen auch infolge von Bestrahlung mit sichtbarem Licht altert. „Bei PMB müssen wir noch testen, wie sich das Verhältnis und der jeweilige Einfluss auswirkt“, sagt Johannes Mirwald auf BaustoffWissen-Nachfrage. „Auf jeden Fall ist klar, dass auch PMB von Licht angegriffen werden, da sie ja zu einem Großteil Bitumen enthalten.“
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