RM Rudolf Müller
Mineralische Primärrohstoffe werden direkt der Natur entnommen.  Foto: Pixabay

Mineralische Primärrohstoffe werden direkt der Natur entnommen.  Foto: Pixabay

Grundstoffe des Bauens
15. Juni 2022 | Artikel teilen Artikel teilen

Steine und Erden: Nachfrage bis 2040

Der Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden hat eine Studie zur Nachfrage nach mineralischen Rohstoffen in Deutschland bis zum Jahr 2040 veröffentlicht. Trotz steigender Ressourceneffizienz und zunehmender Verwendung von recycelten Materialien könnte der Bedarf an mineralischen Primärrohstoffen weiter zunehmen. Das hohe Nachfrageniveau der 1990er-Jahre werde aber trotz anziehender Baunachfrage in keinem Fall mehr erreicht.

Die Studie trägt den Titel „Die Nachfrage nach Primär- und Sekundärrohstoffen der Steine-Erden-Industrie bis 2040 in Deutschland“ und schreibt die Untersuchungsreihe fort, die der Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden (bbs) bereits für die Jahre 2013, 2016 und 2019 veranlasst hatte. Laut Studie werden hierzulande rund 80 % der Steine-Erden-Güter – bezogen auf den Produktionswert – in der Bauwirtschaft eingesetzt. Die dabei verwendeten Primärrohstoffe stammen nahezu vollständig aus heimischen Lagerstätten.

Die 56-seitige Veröffentlichung wurde gemeinsam vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und der SST Ingenieurgesellschaft Aachen erstellt. Sie ist online unter www.baustoffindustrie.de abrufbar (Direktlink hier). Der bbs vertritt als Dachverband die wirtschaftspolitischen Interessen der mineralischen Roh- und Baustoffindustrie in Deutschland.

Zwei Szenarien

Rohstoffnachfrage beim optimistischen Szenario mit jährlichem BIP-Zuwachs von 1,6 %.

Rohstoffnachfrage beim optimistischen Szenario mit jährlichem BIP-Zuwachs von 1,6 %.

„Die Studie zeigt, dass trotz weiterer Steigerung der Ressourceneffizienz auch in Zukunft erhebliche Mengen an primären Steine-Erden-Rohstoffen benötigt werden“, resümiert bbs-Hauptgeschäftsführer Michael Basten. Unter Primärrohstoffen versteht man Ressourcen, die direkt der Natur entnommen werden, die also nicht aus Recyclingprozessen stammen. Im Fall der Steine-Erden-Industrie geht es dabei um natürliche Rohstoffe wie etwa Sand und Kies, Natursteine, tonige Erden oder Gips.

Dass die deutsche Bauwirtschaft solche Primärrohstoffe in den nächsten Jahrzehnten weiterhin in großen Mengen der Natur entziehen muss, obwohl auch ein zunehmendes Aufkommen an Sekundärrohstoffen aus dem Baustoffrecycling erwartet wird, liegt nach Ansicht des bbs nicht zuletzt an den baupolitischen Herausforderungen am Wohnungsmarkt, an der Modernisierung der Infrastruktur sowie an den notwendigen Aufgaben bei der energetischen Gebäudesanierung.

Die Studie spielt zwei volkswirtschaftliche Szenarien durch. Im ersten Fall wird für den Zeitraum von 2019 bis 2040 eine jährliche Zunahme des realen Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 0,7 % angenommen. Das wäre eine relativ geringe wirtschaftliche Dynamik. Das zweite Szenario geht von einem jährlichen BIP-Wachstum von 1,6 % aus. Beim ersten Szenario ermittelt die Studie für das Jahr 2040 eine Nachfrage nach primären Steine-Erden-Rohstoffen in Höhe von gut 480 Mio. Tonnen. Im Vergleich zum Basisjahr 2019 (rund 580 Mio. Tonen) entspräche das einem Rückgang um immerhin 100 Mio. Tonnen.

Wichtig: Die geschätzte Nachfrage bezieht sich auf den voraussichtlichen Bedarf der Baustoffindustrie, nicht auf die tatsächliche künftige Rohstoffgewinnung. Beim optimistischeren Szenario geht man von einem leichten Anstieg der Nachfrage auf knapp 600 Mio. Tonnen aus. Das hohe Niveau der 1990er-Jahre – mit einer jährlichen Nachfrage von teilweise deutlich über 700 Mio. Tonnen – werde aber „in keinem Fall mehr erreicht“.

Substitutionsquote bei 15 %

Geschätzte Rohstoffnachfrage bei einem jährlichem BIP-Zuwachs von nur 0,7 %.

Geschätzte Rohstoffnachfrage bei einem jährlichem BIP-Zuwachs von nur 0,7 %.

Wie oben bereits angedeutet, hängt der tatsächliche Bedarf der Bauwirtschaft an primären Rohstoffen nicht nur vom Bauvolumen beziehungsweise von den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab, sondern auch vom Umfang, in dem es künftig gelingt, natürliche mineralische Primärrohstoffe durch Sekundärrohstoffe aus dem Baustoffrecycling zu substituieren. Dies geschieht bislang noch in eher bescheidenem Ausmaß. 2019 lag die Substitutionsquote in Deutschland bei lediglich 14,8 %. Über 85 % der benötigten Steine-Erden-Rohstoffe wurde also durch den Abbau aus der Natur gedeckt.

Nach Schätzung der Studie wird der ressourcenschonende Einsatz von Sekundärrohstoffen im Jahr 2040 – je nach wirtschaftlicher Entwicklung – bei 90 bis 100 Mio. Tonnen liegen. „In Zukunft müssen wir uns allerdings auf erhebliche Veränderungen und Angebotsverknappungen am Sekundärrohstoffmarkt einstellen“, sagt Michael Basten. Damit spielt der bbs-Hauptgeschäftsführer auf indirekte Folgen der geplanten Dekarbonisierung der deutschen Volkswirtschaft an, durch die sich das Angebot bei einigen von der Baubranche bisher stark genutzten Sekundärrohstoffen einschränken wird.

So werde künftig etwa das Angebot an Hochofenschlacken („Hüttensand“) aus der Stahlindustrie zurückgehen – ein wichtiger Sekundärrohstoff vor allem für die Zementindustrie. REA-Gips aus der Kohleverstromung – von der Baustoffindustrie bisher in großen Mengen als Ersatzstoff für Naturgips verwendet – werde sogar vollständig entfallen (siehe dazu den BaustoffWissen-Beitrag „Gips: Künftige Rohstoffsicherung“).

Stagnierender Recyclinganteil

Die 56-seitige Studie ist online unter www.baustoffindustrie.de abrufbar.

Die 56-seitige Studie ist online unter www.baustoffindustrie.de abrufbar.

Durch solche Entwicklungen sei künftig sogar ein Absinken der heutigen Substitutionsquote möglich. Beim Szenario mit jährlich 1,6 % BIP-Wachstum erwartet die Studie für das Jahr 2040 eine auf 14,4 % abgesunkene Substitutionsquote. Bei einem schwächeren Wachstum (+0,7 %) könne die Substitutionsquote dagegen bis 2040 auf 15,7 % steigen, da insgesamt weniger Rohstoffe nachgefragt werden.

Festzuhalten bleibt, dass in beiden Szenarien nicht von einem deutlichen Anstieg der Substitutionsquote ausgegangen wird. Die Studie erwartet immerhin, dass die Verluste bei Stoffen wie Hochofenschlacken, Steinkohlenflugasche und REA-Gips durch eine weitere Optimierung der Bauabfall-Verwertung zumindest partiell ausgeglichen werden könnten.

Dem rückläufigen Aufkommen an industriellen Nebenprodukten steht ein steigendes Aufkommen an RC-Baustoffen gegenüber“ heißt es in der Studie. Die Menge an recycelten mineralischen Sekundärrohstoffen könne – je nach Szenario – bis 2040 um rund 5 bis 17 % steigen. Das wäre zwar ein nennenswertes Wachstum, trotzdem wird sich der Anteil der Sekundärrohstoffe an der Gesamtnachfrage nach mineralischen Rohstoffen (Substitutionsquote) dadurch voraussichtlich nicht nennenswert verändern.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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