RM Rudolf Müller
Auch die Waldzustandserhebung 2022 fällt ziemlich düster aus.  Foto: Pixabay

Auch die Waldzustandserhebung 2022 fällt ziemlich düster aus.  Foto: Pixabay

Grundstoffe des Bauens
02. Mai 2023 | Artikel teilen Artikel teilen

Waldzustandserhebung: 80 % kranke Bäume

Der Zustand des deutschen Waldes ist weiterhin schlecht. Egal ob Fichte, Kiefer, Buche oder Eiche: Praktisch alle hiesigen Bäume leiden stark unter den Folgen der Klimakrise. Immerhin: Im vergangenen Jahr hat sich der Kronenzustand der Waldbäume im Durchschnitt nicht weiter verschlechtert – freilich auch nicht verbessert. Das zeigt die Waldzustandserhebung 2022, die das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im März veröffentlicht hat.

Etwa ein Drittel Deutschlands ist mit Wald bedeckt. Die häufigsten Baumarten hierzulande sind die Nadelbäume Fichte (25 %) und Kiefer (23 %), gefolgt von den Laubbäumen Buche (16 %) und Eiche (10 %). Die Zahlen stammen aus der Kohlenstoffinventur 2017. Durch die zunehmend trockenen und heißen Jahre seit 2018 hat sich der Zustand dieses Waldbestands deutlich verschlechtert. Eine Erholung ist bislang nicht in Sicht. Auch 2022 war zu trocken und zu warm. Die nassen Monate Februar und September konnten das Wasserdefizit der Waldböden nicht kompensieren.

Kronenverlichtung als Indikator

Schadstufen-Anteile bei den Erhebungen von 1984 bis 2022 (alle Baumarten).

Schadstufen-Anteile bei den Erhebungen von 1984 bis 2022 (alle Baumarten).

Wie schlecht es den hiesigen Bäumen geht, kann mittlerweile jeder aufmerksame Waldbesucher mit eigenen Augen sehen. Bei allen Baumarten nämlich ist ein Großteil der Baumkronen geschädigt. In der Stichprobe für die Waldzustandserhebung 2022 hatten nur 20,8 % der untersuchten Bäume gar keine Kronenschäden. Im Umkehrschluss heißt das: Fast 80 % der Bäume sind mehr oder weniger krank. Immerhin hat sich der Kronenzustand der Waldbäume im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr nicht weiter verschlechtert.

Die Waldzustandserhebung wird seit 1984 jährlich durchgeführt. Die Erhebung von 2022 basiert auf 9.727 Probebäumen an 409 unterschiedlichen Orten in allen deutschen Bundesländern. Das Gesamtergebnis wurde wie immer vom Institut für Waldökosysteme des Thünen-Instituts hochgerechnet. Gemessen wird der Waldzustand anhand des Zustands der Baumkronen. Bäume, deren Kronen nur zu maximal 10 % verlichtet sind, werden der Schadstufe 0 zugeordnet („ohne Kronenverlichtung“). Die Schadstufe 1 (11–25 % Verlichtung) steht für eine „schwache Kronenverlichtung“. 25 % Verlichtung bedeutet, dass die Baumkrone nur noch zu 75 % belaubt beziehungsweise benadelt ist.

Auf die Schadstufe 0 entfielen bei der jüngsten Waldzustandserhebung 21 % der untersuchten Bäume. 44 % dagegen wurden der Schadstufe 1 zugeordnet – auch „Warnstufe“ genannt. Und 35 % der Stichprobenbäume wiesen sogar „deutliche Kronenverlichtungen“ auf. Zur Erläuterung: Für die Darstellung der Ergebnisse der Waldzustandserhebung wurden die Schadstufen 2 (mittelstarke Verlichtung von 26–60 %), 3 (starke Verlichtung von 61–99 %) und 4 (abgestorbener Baum mit 100 % Verlichtung) zur Kategorie „deutliche Kronenverlichtungen“ zusammengefasst.

Fichte und Kiefer

Besonders die Absterberate der Fichte ist seit 2018 in die Höhe geschossen.

Besonders die Absterberate der Fichte ist seit 2018 in die Höhe geschossen.

Über „Das große Fichtensterben“ haben wir auf BaustoffWissen bereits vor knapp vier Jahren in einem eigenen Beitrag informiert. Diese Entwicklung trifft auch die Baubranche an einer empfindlichen Stelle, denn Fichtenholz ist bisher das bevorzugte Material für viele Holzwerkstoffe und für Konstruktionsholz.

Die Ergebnisse der Waldzustandserhebung 2022 zur Fichte sind zwiespältig. Der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen sank von 46 % (2021) auf 40 %, und immerhin 24 % der Probebäume (2021: 22 %) ließen sich der Schadstufe 0 zuordnen. Im Gegensatz zum Vorjahr zeigte die Fichte zudem eine stärkere Fruchtbildung. Auf der anderen Seite entfielen 36 % der Bäume auf die Warnstufe (2021: 32 %). Im Übrigen weist die Fichte mittlerweile von allen Baumarten die mit Abstand höchste Absterberate auf (4,4 %). Eben dieses Absterben der Bäume erklärt zumindest teilweise die gesunkene Anzahl an Bäumen mit deutlichen Kronenverlichtungen. Was schon tot ist, hat eben nichts mehr zu verlieren.

Doch längst leiden nicht nur die Fichten, sondern auch andere Nadelbäume unter mangelnden Niederschlägen und hohen Temperaturen. Selbst von den heimischen Kiefern, die bisher als ein Hoffnungsträger im Klimawandel galten, waren 2022 nur noch 13 % ohne Kronenverlichtung (Schadstufe 0). Der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen dagegen wuchs von 25 % (2021) auf 28 %. Auf die Warnstufe entfielen unverändert 59 %. Die Fruchtbildung der Kiefer ist im Vergleich zu 2021 leicht gestiegen.

Buche und Eiche

Angesichts der vielen Berichte über das Fichtensterben geht manchmal etwas unter, dass auch der Zustand der hiesigen Laubbäume alles andere als zufriedenstellend ist. Bei der Buche lag 2022 der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen mit 45 % auf dem Niveau des Vorjahres. Auf die Warnstufe entfielen 34 % (2021: 39 %). Der Anteil ohne Verlichtungen hat sich mit 21 % (2021: 16 %) verbessert.

Bei der Eiche ist der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen von 41 % auf 40 % leicht gesunken. Der Anteil der Warnstufe stieg dagegen auf 41 % (2021: 40 %). Ohne Verlichtungen waren unverändert 19 %.

Es fällt auf, dass der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen bei den Laubbäumen Eiche und Buche genauso hoch oder sogar höher ausfällt als bei der Fichte. Trotzdem ist der Zustand der deutschen Fichten deutlich schlechter und die Absterberate dieser Baumart deutlich höher als bei Eiche und Buche. Um das zu verstehen, muss man berücksichtigen, dass Laubbäume bei Trockenheit ihre Blätter viel stärker abwerfen als Nadelbäume ihre Nadeln. Bei den Laubbäumen handelt es sich dabei um eine Anpassungsreaktion, mit denen sie zu großen Wasserverlusten vorbeugen. Solange die Kronenverlichtung nicht zum Dauerzustand wird, können die Bäume damit leben. Bei Nadelbäumen dagegen sprechen deutliche Kronenverlichtungen viel eindeutiger für schwere Schäden.

Waldumbau notwendig

Der Wald reagiert nicht nur sensibel auf den Klimawandel, sondern spielt zugleich eine wichtige Rolle im Klimaschutz. Nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) entlasten die deutschen Wälder die Atmosphäre jährlich um rund 62 Mio. Tonnen Kohlendioxid (Quelle: Kohlenstoffinventur 2017), weil Bäume und Waldboden das Klimagas speichern.

„Nur gesunde Wälder speichern Kohlenstoff und wirken als unsere natürlichen Klimaanlagen“, betont Cem Özdemir. Deutschlands müsse daher weiter entschlossen handeln und die bisher vielerorts dominierenden Monokultur-Wälder in klimaresilientere Mischwälder umwandeln. „Mit unserem Wald-Klima-Paket stellen wir dafür insgesamt 900 Mio. Euro bereit, um die Waldbesitzenden beim klimagerechten Umbau der Wälder zu unterstützen“, verspricht der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft.

Auch wenn unstrittig ist, dass Hitze und Dürre der letzten Jahre die Ergebnisse der Waldzustandserhebungen deutlich negativ beeinflusst haben, räumt das BMEL aber auch ein, dass der Waldzustand von verschiedenen Faktoren abhängt, die sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken oder abschwächen können. Zu diesen Faktoren zählt das Ministerium – neben den Einflüssen durch Klima und Witterung – unter anderem auch das Baumalter und die Veranlagung der einzelnen Bäume, die gegenwärtige und frühere Bewirtschaftung, Standortfaktoren, das Auftreten von Schadorganismen sowie den Eintrag von Luftschadstoffen.


 

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