
Diese Infrarotheizung über dem Sofa passt farblich zur Einrichtung. Foto: Lucht LHZ
Wärmepumpen-ready mit Infrarotheizung?
Die Wärmepumpe soll zur neuen Standardheizung der Deutschen werden. Doch es hakt an allen Ecken und Enden: Die Investitionskosten überfordern viele Hausbesitzer, die Industrie offenbart Lieferschwierigkeiten und Installateure sind Mangelware. Infrarotheizungen wären geeignet, den Verbrauch fossiler Energie in bestehenden Wohnhäusern kurzfristig zu reduzieren und diese gleichzeitig „Wärmepumpen-ready“ zu machen – argumentiert die IG Infrarot und legt dazu eine aktuelle Studie vor.
Die Studie „Potenzialbewertung von Infrarotheizungen als Spitzenlastabdeckung“ wurde an der Technischen Universität Dresden erstellt und von Prof. Dr.-Ing. habil. Joachim Seifert, Bereichsleiter Gebäudeenergietechnik am Institut für Energietechnik der TU Dresden, am 11. Mai auf der Konferenz „Die Infrarotheizung im Wohnungsbau“ erstmals der Fachöffentlichkeit vorgestellt. Auftraggeber war die IG Infrarot. Das ist die Interessen-Gemeinschaft der führenden Hersteller von Infrarotheizungen in Deutschland. Dieser Heizungstyp gehört zu den Stromdirektheizungen, bei denen elektrische Energie in Wärmeenergie umgewandelt wird.
Kombination von Infrarotheizung und Wärmepumpe

Auf einer Konferenz in Würzburg präsentierte Joachim Seifert die Studienergebnisse. Foto: IG Infrarot Deutschland
Laut Studie eignen sich Infrarotheizungen, um den Verbrauch fossiler Energie in bestehenden Wohnhäusern kurzfristig zu reduzieren und die Altbauten gleichzeitig „Wärmepumpen-ready“ zu machen. Wie das funktionieren soll, erläutert die IG Infrarot in einer Pressemitteilung folgendermaßen: Wer im Altbau nicht schnell auf eine Wärmepumpe umsteigen kann oder will, könne im ersten Schritt auch eine Infrarotheizung nutzen, um kurzfristig fossile Brennstoffe einzusparen.
Die bestehende Gasheizung würde bei diesem Szenario nicht sofort abgeschafft, ihre Vorlauftemperatur ließe sich aber reduzieren, wenn die fossile Heizung nur noch die Grundlast im Wohnhaus decken muss, weil für den höheren Wärmebedarf (Spitzenlasten) schnell reagierende, strombetriebene Niedertemperatur-Infrarotheizungen im Einsatz sind. Bei einer solchen Mix-Variante würde der Verbrauch von fossilen Brennstoffen sinken.
Zu einem späteren Zeitpunkt – so die weitere Argumentation der IG Infrarot – könne der Hausbesitzer dann den alten Gasheizkessel durch eine Wärmepumpe mit kleinerer Leistung ersetzen lassen und diese zusammen mit dem Infrarotheizsystem betreiben.
Das beschriebene Szenario wurde in der Studie am Beispiel eines repräsentativen Einfamilienhauses genauer unter die Lupe genommen. „Wärmepumpensysteme in Kombination mit elektrischen Infrarotheizungen stellen eine technologische Option für den Altbaubereich dar“, betont Prof. Seifert. „Die Erfüllung der Heizaufgabe und der thermischen Behaglichkeit kann mit dieser Systemkombination gewährleistet werden“, lautet das Fazit des Wissenschaftlers.
Simulation bei Einfamilienhaus

Badanwendung: Infrarotheizungen (weißes Wandelement) lassen sich gut ins Raumdesign einbinden. Foto: Björn Blisse
Seiferts Aussage gilt allerdings nur für Einfamilienhäuser, deren Dämmstandard mindestens den Anforderungen der Wärmeschutzverordnung von 1995 entsprechen. Denn als repräsentatives Gebäude wählte die TU Dresden ein Einfamilienhaus mit 160 m2 beheizter Nutzfläche aus, das von einem Gas-Niedertemperaturkessel über Heizkörper beheizt wird und über einen Dämmstandard nach Wärmeschutzverordnung 95 verfügt.
Das heißt im Umkehrschluss, dass die Ergebnisse und Empfehlungen der Studie nicht für Altbauten mit einem schlechteren Wärmedämmstandard gelten. Die Studie enthält zudem keine Analysen zur Wirtschaftlichkeit der untersuchten Systemkombination von Infrarotheizung und Wärmepumpe. Die lässt sich auch schwer prognostizieren, weil die künftigen Betriebskosten der unterschiedlichen Heizungsvarianten stark davon abhängen, wie sich die Preise für Gas und Strom entwickeln.
Bei dem repräsentativen Gebäude gingen die Wissenschaftler von einer Norm-Heizlast in Höhe von 9,2 Kilowatt aus, die spezifische Heizlast beträgt 57,20 Watt je Quadratmeter. Die Simulation erfolgte mit der Gebäude- und Anlagesimulationssoftware TRNSYS-TUD. Im Rahmen der Simulation reduzierten die Wissenschaftler die Vorlauftemperatur der Gasheizung, um Potenziale der Infrarotheizung bei einer Grundtemperierung mit der bestehenden Gasheizung beziehungsweise den Heizkörpern aufzuzeigen.
Zunächst simulierte die TU Dresden die Situation einer Absenkung der Vorlauftemperatur der Gasheizung von 70 °C auf 40 °C bei gleichzeitiger Unterstützung der wassergeführten Heizkörper durch Infrarotheizungen in sieben von zehn Räumen. Mit den gewählten Parametern deckt die Infrarotheizung den Nutzenergieaufwand anteilig in einem Bereich von 26 bis 38 %. Im nächsten Schritt wurde der Niedertemperaturkessel durch eine klein dimensionierte Luft-Wasser-Wärmepumpe ersetzt. Die Hausbesitzer heizen dann mit einer Kombination aus Infrarotheizung und Wärmepumpe. Ausgetauscht wird aber nur der Gasheizkessel, die alten Rohre und Heizkörper werden weiter genutzt.
„Die Ergebnisse zeigen, dass das entstehende Leistungsdefizit durch die Infrarotheizung kompensiert werden kann“, schreiben die Wissenschaftler der TU Dresden im Fazit der Studie und fügen hinzu: „Insgesamt zeigt die Studie, dass durch die Ergänzung eines wasserbasierten Heizsystems mit einer Infrarotheizung ein vorhandenes, für höhere Temperaturen ausgelegtes Heizsystem ohne Austausch der Heizflächen mit niedrigen Systemtemperaturen verwendet werden kann und sich somit gut für eine Kombination mit einer Wärmepumpe eignet. Die Analysen haben gezeigt, dass im Vergleich zur Basisvariante die Endenergie um bis zu 62 % durch diesen kombinierten Einsatz reduziert werden kann.“
„Technisch ist es eine Option, ganz klar“, lautete auch das Fazit von Professor Seifert auf der Konferenz in Würzburg. „Die Umstellung von einer Gasheizung zu einem Multienergiesystem mit Infrarotheizung sei eine Möglichkeit, die Wärmeversorgung im Bestandsgebäude zu dekarbonisieren.“ Die thermische Behaglichkeit müsse dabei nicht leiden.
Alternative ohne zusätzliche Dämmmaßnahmen
Die Studie zeigt also einen möglichen Alternativweg auf, um Altbauten, die über den genannten Mindest-Wärmedämmstandard verfügen, Wärmepumpen-ready zu machen, ohne dass dafür eine Sanierung der Gebäudehülle und/oder Veränderungen am wasserführenden Wärmeübergabesystem notwendig werden. Nach Angaben der IG Infrarot würde dies zu wesentlich niedrigeren Investitionskosten und somit zu einer geringeren finanziellen Belastung der Hausbesitzer führen.
„Da Infrarotheizungen kostengünstig, verfügbar und in wenigen Stunden installiert sind, kann diese Vorgehensweise kurzfristig und mit niedrigen Investitionskosten von Hausbesitzern umgesetzt werden“, sagt Lars-Henric Voß, 1. Vorsitzender der IG Infrarot Deutschland. „Das Geld, das so eingespart wird, kann sinnvoll für eine größere Photovoltaikanlage genutzt werden, um noch mehr klimaschonenden Solarstrom zu erzeugen – und das nicht nur für die Raumwärme, sondern auch für den Nutzerstrom, das warme Wasser und E-Mobilität“, ergänzt Dirk Bornhorst, Vorstand der IG Infrarot.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
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