
Auch zunehmende Staus erhöhen die Transportkosten auf Deutschlands Straßen. Foto: Erich Westendarp / www.pixelio.de
Logistik bei Baustoffen: Immer aufwändiger und teurer
Bahn, Schiff, Flugzeug oder Lkw: Wenn Wirtschaftsgüter bewegt werden, kommt in der Regel eines dieser vier Transportmittel zum Einsatz. Wobei die drei Erstgenannten nur eine Option für die Langstrecke sind. Für die Vor-Ort-Zustellung beim Kunden – die „letzte Meile“ – bleiben Lkw meist unverzichtbar, gerade auch in der Baustoffindustrie. Doch der Transportbereich bereitet den Unternehmen seit Jahren Kopfzerbrechen. Aus vielerlei Gründen steigen Aufwand und Kosten, um die Transporte durchzuführen.
Gipsplatten, Mauersteine oder Zementsäcke sind Massengüter, die zu relativ geringen Stückpreisen verkauft werden. Zugleich sind sie aber schwer oder sperrig und verursachen daher höhere Transport-Stückkosten als etwa eine Lkw-Ladung mit Smartphones. Angesichts dieser Situation verwundert es nicht, dass der Warentransport gerade für die Baustoffindustrie ein Kostenfaktor ist, den man möglichst gering halten muss. Ansonsten würden die Transportkosten die Verkaufserlöse geradezu auffressen.
Kosten sparen durch kurze Wege
Zumindest die deutschen Hersteller, die den Fachhandel beliefern, verfügen daher oft über mehrere Werke, die jeweils nur regionale Märkte beliefern. Oder es handelt sich von vorneherein um ausschließlich regional aktive Baustoffproduzenten wie man sie beispielsweise unter den Ziegel- und Kalksandsteinherstellern findet.
Aufgrund der geringen Distanzen werden die weitaus meisten Baustofftransporte durchweg per Lkw absolviert. Dabei handelt es sich um Lieferungen von der Industrie an den Fachhandel, vom Fachhandel an dessen Handwerker- und Privatkunden oder auch von der Industrie direkt auf die Baustelle. Aus der Baustoffindustrie ist aber in den letzten Jahren verstärkt die Klage zu hören, dass der Handel immer weniger Waren selbst einlagere und stattdessen lieber auf eine größere Anzahl von Just-in-time-Lieferungen setze. Wenn die Industrie dadurch gezwungen wird, zunehmend kleine Mengen zu transportieren, steigen die Transportkosten pro Wareneinheit noch stärker.
Was treibt die Kosten?
Doch nicht ausgelastete Ladeflächen sind längst nicht der einzige Kostentreiber. Da wären zum Beispiel die Dieselpreise, die sich in den letzten zehn Jahren um rund 43% erhöht haben. Angesichts der ohnehin hohen Belastung war 2012 die Sorge bei den Transportunternehmen groß, als die EU-Kommission plante, den Dieselsteuersatz um rund 60% zu erhöhen. Der Vorschlag wurde vom Europäischen Parlament allerdings mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ein zunehmender Kostenfaktor für Transporte auf der Straße ist auch die Lkw-Maut, die in Deutschland seit Anfang 2005 auf Autobahnen gilt und zwischenzeitlich schon mehrfach erhöht wurde. Mittlerweile gilt sie auch für immer mehr Teilstrecken auf Bundesstraßen – wenn diese zwei oder mehr Fahrstreifen je Fahrtrichtung haben, nicht durch Ortschaften führen oder unmittelbar an eine Autobahn angebunden sind.
Ein weiterer Grund, warum die Transportkosten auf Deutschlands Straßen tendenziell zunehmen, ist die schiere Zunahme des Verkehrs. Vor allem seit der Ost-Erweiterung der EU im Jahr 2004 fahren einfach viel mehr Autos auf unseren Straßen. Deutschland ist zunehmend zum Transitland zwischen Ost- und Westeuropa geworden – die Folge sind mehr Staus und daher verlangsamte Transporte.
Neue Lenkzeitregeln und Fahrermangel

Allein die Dieselpreise sind in den letzten zehn Jahren um rund 43% gestiegen. Foto: Andreas Carjell / www.pixelio.de
Die vielen Staus sorgen dafür, dass die Lkw-Fahrer in einer gegebenen Zeit weniger Aufträge absolvieren können. Auch das erhöht die Transportkosten. Hinzu kommen die 2007 in der EU deutlich verschärften gesetzlichen Lenkzeitregeln. Diese wurden zum Schutz der Fahrer eingeführt und erzwingen unter anderem geringere Wochenarbeitszeiten (von durchschnittlich 56,5 Stunden auf 48) sowie häufigere Pausen (spätestens nach 4,5 Stunden Fahrt). Der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) hat errechnet, dass die Transportbranche dadurch für die Abwicklung der gleichen Auftragsmenge 50.000 zusätzliche Fahrer benötigt.
Durch die Pflicht-Einführung eines digitalen Tachos für alle neu zugelassenen Lkw ab 3,5 Tonnen Gewicht können die Lenkzeiten heute sehr effektiv kontrolliert werden. Bei Nichteinhaltung droht den Fahrern Führerscheinentzug und Entlassung. Grundsätzlich sind die Regeln aus Arbeitsschutzgründen sicher zu begrüßen, allerdings sind sie nicht immer praxisgerecht. So kann es vorkommen, dass Fahrer, die mit ihrem Lkw bereits am Zielort angekommen sind, dort aber noch in einer Schlange auf die Entladung warten, kurz vorm Ziel eine Pause einlegen müssen, weil sie ihr Fahrzeug ja nach wie vor bewegen.
Kostensteigernd könnte sich künftig auch ein Fahrermangel in Deutschland auswirken. Nach Branchenschätzungen geht in den nächsten fünf Jahren etwa ein Drittel der Berufskraftfahrer in Rente, und es folgen nicht genügend gut ausgebildete Fahrer nach. Zwar ist die Zahl der Menschen, die hierzulande eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer beginnen, zuletzt wieder gestiegen. 2011 waren es immerhin rund 3.400, während zum Beispiel 2006 die Anzahl der neuen Azubis in ganz Deutschland nur bei 970 lag. Aber dieser Anstieg wird kaum reichen, um die entstehenden Lücken zu schließen.
Einfluss der Ost-Erweiterung
Nicht unerwähnt bleiben darf an dieser Stelle, dass die oben bereits erwähnte Ost-Erweiterung der EU in den letzten Jahren durchaus zu einer Kehrtwende bei den Lkw-Frachtpreisen beigetragen hat. Die deutschen Speditionen sehen sich einer zunehmenden Konkurrenz durch ausländische Speditionen und Kraftfahrer ausgesetzt, die Transporte zu Dumpingpreisen anbieten. Obwohl die Kosten für den Transport auf der Straße objektiv steigen, geraten die Marktpreise dadurch in manchen Bereichen in einen Abwärtstrend. Viele deutsche Speditionen befinden sich dadurch in einer Zwickmühle: Einerseits müssen sie die gestiegen Transportkosten in ihre Preise einkalkulieren, andererseits geraten sie unter Druck durch neue Konkurrenten, die unter anderem viel geringere Lohnkosten haben.
Natürlich könnte auch die Baustoffindustrie das Angebot nutzen und verstärkt mit osteuropäischen Transportunternehmen zusammenarbeiten. Doch das ist bisher keineswegs die Regel. Schließlich passen Baustofftransporte in den meisten Fällen gar nicht zum Geschäftsmodell der ausländischen Fuhrunternehmen. Es handelt sich ja, wie oben erwähnt, meist nicht um Massentransporte über weite Strecken. Frachten in der Baustoffbranche bestehen oft aus Kleinstmengen, die nicht selten kurzfristig angefordert und innerhalb einer Region pünktlich ausgeliefert werden müssen. Allein schon deshalb wird die Industrie wohl auch in Zukunft auf ihre langjährigen Speditionspartner vor Ort angewiesen bleiben.