RM Rudolf Müller
Lehmplatten speichern viel Wärme und verbessern dadurch das Raumklima.  Foto: Hart Keramik AG

Lehmplatten speichern viel Wärme und verbessern dadurch das Raumklima.  Foto: Hart Keramik AG

Trockenbau
27. Juli 2022 | Artikel teilen Artikel teilen

Sommerlicher Wärmeschutz mit Lehmplatten

Im trockenen Innenausbau kann man moderne Lehmplatten heute ähnlich leicht verarbeiten wie klassische Gipsplatten. Sie lassen sich zudem besonders energiesparend herstellen, enthalten keinerlei Wohngifte, regulieren die Raumluftfeuchtigkeit und bieten einen guten Schallschutz. Mehr noch: Lehmplatten haben auch eine überdurchschnittlich gute Wärmespeicherfähigkeit und tragen deshalb positiv zum sommerlichen Wärmeschutz bei.

Lehmplatten enthalten neben dem Naturstoff Lehm in der Regel noch Sand, Strohhäcksel oder Holzfasern sowie ein stabilisierendes Armierungsgewebe, das – je nach Produkt und Hersteller – zum Beispiel aus Glasfaser, Schilfrohrmatten oder Jutegewebe gefertigt wird. Die Plattenwerkstoffe eignen sich für alle typischen Anwendungen im trockenen Innenausbau – von Innenwänden in Holz- oder Metallständerbauweise über Vorsatzschalen und abgehängte Decken bis hin zur Verkleidung von Dachschrägen.

Speicherfähige Schwergewichte

Die Naturprodukte bestehen aus Lehm, Pflanzenfasern, Sand und einem Armierungsgewebe. Foto: Lehmorange

Die Naturprodukte bestehen aus Lehm, Pflanzenfasern, Sand und einem Armierungsgewebe. Foto: Lehmorange

Moderne Lehmplatten lassen sich fast so leicht wie Gipsplatten verarbeiten, sie wiegen allerdings deutlich mehr. Die Basis-Lehmplatten des Herstellers Lehmorange haben zum Beispiel eine Rohdichte von 1.450 kg/m³, das ist etwa doppelt so viel wie normale Gipsplatten. Der Hersteller bietet sie wahlweise in den Dicken 16 oder 22 mm an. Damit liegen sie etwa im Bereich von Gipskarton-Ausbauplatten (typische Stärken: 12,5/15/18 mm) beziehungsweise Gipskarton-Massivplatten (20/25 mm).

Der vermeintliche Nachteil des höheren Gewichts – der Verarbeiter muss „kräftiger zupacken“ – ist zugleich der entscheidende Grund dafür, dass die Platten positiv zum sommerlichen Wärmeschutz beitragen. Gerade weil der Baustoff so schwer ist, verfügt er über eine überdurchschnittlich gute Wärmespeicherfähigkeit.

Die Platten sind in der Lage, viel überschüssige Wärme aus der Raumluft aufzunehmen. In Zeiten des Klimawandels werden solche natürlichen „Temperaursenken“ auch in unseren Breitengraden immer wichtiger, weil sie in Gebäuden für Abkühlung sorgen, ohne dass dafür eine energieintensive Klimaanlage laufen muss.

Thermische Trägheit

Lehmplatten lassen sich verarbeiten wie herkömmliche Trockenbauprodukte. Foto: Magdalena Türtscher

Lehmplatten lassen sich verarbeiten wie herkömmliche Trockenbauprodukte. Foto: Magdalena Türtscher

Die hohe Wärmespeicherfähigkeit ist den Platten nur indirekt anzumerken. Ihre Oberfläche erwärmt sich vergleichsweise langsam, eben weil der Plattenkern so viel Wärme speichern kann. Erst wenn er gewissermaßen „überquillt“, fließt die Energie wieder nach außen. Bei sich abkühlender Raumluft reagiert der Lehmbaustoff, indem er langsam Wärme abstrahlt.

Aufgrund dieser „thermischen Trägheit“ eignen sich Lehmplatten als Innenbaustoffe zur natürlich-sanften Regulierung nicht nur der Raumluftfeuchtigkeit, sondern auch der Raumtemperatur. Sie nehmen im Übrigen nicht nur Wärme aus der Raumluft auf, sondern leiten auch die von außen auf die Gebäudehülle auftreffende Wärme verzögert in den Innenraum weiter, sodass sich dieser tagsüber langsamer erwärmt. Innenliegende Gipsbauteile sind dagegen vergleichsweise speicherschwach.

Das Problem der Gebäudeaufheizung durch die Sonneneinstrahlung ist bei Häusern in leichter Holzrahmenbauweise besonders groß, weil diese im Gegensatz zu massiven Steinbauten über viel weniger thermische Speichermasse verfügen. Gerade bei solchen Gebäuden lässt sich durch den Einsatz schwerer Innenbaustoffe aus Lehm der sommerliche Wärmeschutz spürbar aufbessern.

Die Platten speichern tagsüber viel Wärme und geben diese erst in den kühleren Abend- und Nachtstunden nach und nach an den Innenraum ab. Man spricht in diesem Zusammenhang von Phasenverschiebung.

Nachweisbarer Effekt

Die raumklimatisierende Wirkung von Lehmplatten eignet sich natürlich auch für den Steildachbereich. Räume unter einer leichten Dachstuhl-Konstruktion heizen sich bekanntlich relativ schnell auf. Eine Beplankung der Dachschrägen mit Lehmplatten sorgt auch hier für einen angenehmen Abkühlungseffekt. Da Lehmplatten auch viel Feuchtigkeit schadlos zwischenspeichern können, tragen sie zugleich dazu bei, dass die Innenraumluft weniger schwül und stickig ist.

Der Plattenhersteller Lemix hat den Effekt mal für ein Dachgeschosszimmer mit knapp 14 m2 Grundfläche und einem Fensterflächenanteil von 30 % ermitteln lassen. Bei der dynamischen Simulationsrechnung wurden eine Innenwand-Konstruktion mit Gipskarton (doppelt beplankt) sowie eine Alternative mit Lemix-Lehmplatten gegenübergestellt. Ergebnis: Bei der Verwendung der Lehmplatten heizte sich der Raume deutlich langsamer auf, und die Temperatur blieb auch langfristig um zwei Grad kühler als bei der Gipskarton-Vergleichswand.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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