RM Rudolf Müller
Identische Pflasterklinker schaffen Fassaden- und Dachflächen aus einem Guss. Foto: Ingo Jensen/tubag

Identische Pflasterklinker schaffen Fassaden- und Dachflächen aus einem Guss. Foto: Ingo Jensen/tubag

Objektberichte
25. Oktober 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Klinkersteine auf dem Dach!

Im niederrheinischen Neuss gibt es seit letztem Jahr ein wahrlich besonderes Neubau-Ensemble. Das Pfarrzentrum St. Konrad mit angeschlossener Kindertagesstätte besteht aus sieben Gebäuden, die eins gemeinsam haben: Fassaden und Dächer bestehen durchweg aus Klinkersteinen. Für die Dacheindeckung kamen also keine Dachziegel zum Einsatz, sondern Pflasterklinker! Diese wurden in gebundener Systembauweise verlegt – so wie man es normalerweise nur aus dem Garten- und Landschaftsbau kennt.

Dass der Neubaukomplex etwas ganz Besonderes ist, das haben Architekt Paul Böhm und sein Auftraggeber, die katholische Kirchengemeinde St. Konrad, mittlerweile auch ganz offiziell bestätigt bekommen: Das Land Nordrhein-Westfalen und die Architektenkammer NRW zeichneten das Projekt nämlich mit dem Kita-Preis 2020 aus. Die Jury lobte unter anderem „die ruhige Gestaltung des in einzelne Häuser aufgelösten Neubaus“ und die „kompositorische Einheit mit der vorhandenen Kirche aus den frühen 60er-Jahren“.

Ein Dorf im Dorf

Maßarbeit auf dem Dach beim Verlegen der Klinkersteine im Mörtelbett. Foto: Christian Goldmann/Gutjahr

Maßarbeit auf dem Dach beim Verlegen der Klinkersteine im Mörtelbett. Foto: Christian Goldmann/Gutjahr

Für den Neubau waren das alte Pfarrhaus, die alte Bücherei und die Kaplanei (Wohnung des Kaplans) abgerissen worden. Bücherei, Pfarrbüro, Gemeindesaal sowie die Kita befinden sich nun alle in einem Gebäudekomplex. „Unser Ziel war es, direkt neben der Kirche ein kleines Dorf im Dorf entstehen zu lassen“, erläutert Paul Böhm, der verantwortliche Architekt aus Köln. „Denn das Ensemble ist ja eingebettet in eine Einfamilienhaussiedlung. Die neuen Gebäude sollten sich nicht von der städtebaulichen Körnung her von der umliegenden Bebauung abheben und dennoch der Kirche zugehörig sein. Es sollte sichtbar werden, dass Kirche und Dorf nicht aus der gleichen Zeit stammen und trotzdem eine gewachsene Einheit ergeben.“

Die monolithische Wirkung der sieben neuen Baukörper verdankt sich der ungewöhnlichen Tatsache, dass nicht nur die Gebäudefassaden, sondern auch die Dächer aus hellroten Klinkersteinen bestehen. Sie wurden auf dem Dach im halben Steinformat als so genannte Sparverblender im Mörtelbett verlegt. Speziell für das Neubauprojekt änderte Hersteller Wienerberger den Farbton des Dachklinkers (KKF ½-DF) von rot auf „leicht bunt“, um ihn genau an die Farbe des Fassadenklinkers anzupassen. Die optische Wirkung aus einem Guss wird zudem dadurch unterstrichen, dass es keine sichtbaren Dachrinnen gibt, sondern eine innenliegende Entwässerung.

Für die besondere architektonische Gestaltung mit Dach-und-Wand-Einheit standen Bauwerke Pate, die in ähnlicher Konstruktion bereits realisiert wurden, wie zum Beispiel der Speicherturm des Landesarchivs NRW in Duisburg. „Den haben wir uns gemeinsam angeschaut, und diese harmonische Optik konnten wir uns durchaus auch für unser neues Kita- und Pfarrzentrum vorstellen“, erklärt stellvertretend für die Bauherrenseite Norbert Reuber, der geschäftsführende Vorsitzende des Kirchenvorstandes der katholischen Pfarrgemeinde St. Konrad.

Gebundene Pflasterbauweise

Die Neubauten sind eingebettet in eine Einfamilienhaussiedlung und stehen neben der Kirche aus den 60er-Jahren. Foto: Ingo Jensen/tubag

Die Neubauten sind eingebettet in eine Einfamilienhaussiedlung und stehen neben der Kirche aus den 60er-Jahren. Foto: Ingo Jensen/tubag

Ursprünglich gab es Überlegungen, die Dachflächen mithilfe von Betonfertigteilen zu realisieren, bei denen die Klinker bereits werkseitig eingegossen sind. Am Ende entschloss man sich aber für eine mehrschichtige Konstruktion, die vor Ort auf der Baustelle realisiert wurde. Der Dachaufbau besteht nun (von unten nach oben) aus einer herkömmlichen Stahlbetondecke plus EPS-Dämmung, Bitumenabdichtung, hochbelastbarer Drainagematte – und eben den Pflaster-Klinkersteinen. Diese wurden in gebundener Bauweise im Mörtelbett verlegt.

Als Pflasterfugenmörtel – an Dach und Fassade – kamen Trass-Produkte von Tubag zum Einsatz – eine Premiummarke des Baustoffkonzerns Sievert SE. Die Rezeptur der Fugenmörtel hat Tubag extra für dieses Projekt exakt auf die Fugenfarbe der benachbarten Kirche eingestellt. „Für uns ist es natürlich toll, dass unser im Garten- und Landschaftsbau bewährtes System aus dem wasserdurchlässigen Trass-Drainagemörtel und Trass-Naturstein-Haftschlämme gemeinsam mit den Komponenten aus unserem Restaurationssortiment wie dem Trass-Werksteinmörtel Spezial und den diversen Fugenmörteln auch im Hochbau ein absolut stimmiges System abgegeben haben“, erklärt Christian Stoltze, der verantwortliche Projektleiter bei Tubag.

Durch die Verlegung in Systembauweise und den Einsatz der Trass-Naturstein-Haftschlämme wird ein besonders starker Haftverbund erzeugt, der die Dachfläche auch bei starken Umwelt- und Witterungseinflüssen zuverlässig schützt. Der hohe Trassanteil der Fugenmörtel schützt zudem vor Kalkausblühungen und hält sowohl die Wand- als auch die Dachflächen lange schön.

Zweite Entwässerungsebene

Als zweite Entwässerungsebene auf dem Dach wurde eine Drainagematte verwendet. Foto: Christian Goldmann/Gutjahr

Als zweite Entwässerungsebene auf dem Dach wurde eine Drainagematte verwendet. Foto: Christian Goldmann/Gutjahr

Zusätzlich zur innenliegenden Dachrinne wurde auf der Dachfläche eine zweite Entwässerungsebene verlegt: die Drainagematte Aqua-Drain HU-EK von Gutjahr. Dabei handelt es sich um eine hochbelastbare, kapillarpassive Flächendrainage von 16 mm Höhe. „Die Matte lässt sich sehr gut schneiden, so konnte die Drainage exakt an die jeweiligen Dachformate angepasst werden“, erklärt Pier Petzinger, Leiter Anwendungstechnik bei Gutjahr.

Mit der Kombination von Trass-Drainagemörtel und Flächendrainage hat man beim Neubau-Ensemble des Pfarrzentrums St. Konrad ein im Garten- und Landschaftsbau bewährtes wasserdurchlässiges System quasi zweckentfremdet. Als Dehnfugen fungieren jeweils die 14 m breiten Gratfugen. Um die Sparverblender bei einer Dachneigung von 45 Grad im Mörtelbett verlegen zu können, wurden auf den Dächern zudem Konsolen von Jordahl montiert.

Besondere Projekte benötigen besonders engagierte Partner. Diese fand das Architekturbüro Böhm in den Verarbeitern André Hamacher (Dachdecker), Jerzy Wagner und Michael Korczynski (Klinkerer Dach) sowie den Projektverantwortlichen von Wienerberger (Tonbaustoffe für die gesamte Gebäudehülle), Tubag (Bettungs- und Fugenmörtel sowie Haftschlämme), Gutjahr (Drainagematte) und Jordahl (Befestigungstechnik).


 

Was sind Pflasterfugenmörtel?

Die klassische Form der Pflastersteinverlegung ist die ungebundene Bauweise. Das Pflaster wird dabei nicht „verklebt“, sondern einfach unverbunden auf Splitt...

mehr »
 

Klinker: Unverwüstlicher Pflasterbelag

Klinker sind besonders hart gebrannte Ziegel. Durch den Herstellungsprozess entsteht ein sehr dichtes Material ohne Luftporen. Das eignet sich bestens...

mehr »
 

Dachziegel: Was sind Engoben und Glasuren?

Bei Dachziegeln gibt es eine große Farbauswahl. Zu den einzelnen Produkten machen die Hersteller stets spezielle Angaben wie zum Beispiel...

mehr »
Nach oben
nach oben