RM Rudolf Müller
Auf dem Gelände der zerstörten Jugendstilvilla entstanden moderne Wohngebäude.  Alle Fotos: Heck Wall Systems

Auf dem Gelände der zerstörten Jugendstilvilla entstanden moderne Wohngebäude.  Alle Fotos: Heck Wall Systems

Objektberichte
18. November 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Natursteinfassade als Putzimitat

75 Jahre lang war die Villa Steyer in Leipzig-Connewitz größtenteils nur eine Ruine. Nun entstand am Platz des früheren Haupthauses ein Wohnungsneubau, außerdem wurden die erhalten gebliebenen Nebengebäude denkmalgerecht saniert. Das neue Haupthaus ist aus energetischer Sicht ein moderner Neubau mit WDVS-Fassade. Dank kreativer Putztechnik verfügt es aber zugleich über eine ansprechende Natursteinoptik, die an die historische Bruchstein-Fassade erinnert.

1907/08 ließ sich die wohlhabende Witwe Mathilde Steyer vom Architekten Max Bösenberg an der Leipziger Mühlholzgasse eine Villa im Jugendstil errichten. Nach Bombentreffern im Zweiten Weltkrieg blieb von dem stattlichen Haupthaus nur eine Ruine übrig. Fortan wurden lediglich das Untergeschoss und Nebengebäude wie Stall, Remise, Kutscherwohnung sowie der Verbindungsbau zur Villa weiter genutzt. Diese Gebäude hat man nun denkmalgerecht saniert. Am Platz des früheren Haupthauses entstand dagegen ein neues Mehrfamilienhaus, das in Dimension und Ausrichtung +an die alte Jugendstilvilla erinnert.

Komplex mit 26 Wohnungen

Durch kreative Putztechnik und Lasuren wurde auf der WDVS-Fassade des neuen Hauptgebäudes eine historisch anmutende Natursteinoptik verwirklicht.

Durch kreative Putztechnik und Lasuren wurde auf der WDVS-Fassade des neuen Hauptgebäudes eine historisch anmutende Natursteinoptik verwirklicht.

Nach drei Jahren Planungszeit hatten im Sommer 2018 die Arbeiten auf dem 5.600 m2 großen Villen-Grundstück begonnen. Die RTLL Lewerenz Gruppe hatte das Areal übernommen, um dort insgesamt 26 Wohnungen in neuen ebenso wie in historischen Gebäuden einzurichten. Im Einklang mit Denkmal- und Naturschutz entwarf das Leipziger Architekturbüro Mann & Schott die Idee für eine Bebauung und Gestaltung, mit deren Umsetzung Michael Hampel, Projektleiter bei RTLL, bis in dieses Jahr hinein befasst war.

Die farbliche Gestaltung der Fassade am neuen Hauptgebäude sowie am vorgelagerten Pavillon war das Ergebnis einer umfangreichen Bemusterung, die im Einklang mit den Wünschen der Denkmalschutzbehörde stattfand. Das verwendete Wärmedämm-Verbundsystem (WDVS) des Herstellers Heck Wall Systems – ein Unternehmen der Rockwool-Gruppe – wurde schließlich mit einem eingefärbten Oberputz in sanftem Grau beschichtet. Dieser bildete aber nur die Basis für die Gestaltung.

Erst durch eine kreative Putztechnik und eine Beschichtung mit unterschiedlich intensiven Lasuren entstand abschließend die historisch anmutende Optik in verschiedenen Grautönen. Der Oberputz ist Bestandteil des vollmineralischen WDVS, das über einen Kern aus 160 mm starker Steinwolle verfügt. Dieser nichtbrennbare Dämmstoff (Baustoffklasse A1) kam auf rund 2.000 m2 Fassade zur Anwendung.

Als Oberputz kam der mineralische Werktrockenmörtel Heck K+A Plus zum Einsatz – ein faserarmierter Mörtel, der in einer Schichtdicke von 5 bis 6 mm mit der Zahnkelle auf die armierte Dämmung aufgezogen und anschließend mit der Glättkelle zu einer gleichmäßigen Oberfläche verzogen wurde.

Modelliert aus Mörtel

Die Steinwolle im WDVS ermöglicht die höchste Brandschutzklasse an der Fassade.

Die Steinwolle im WDVS ermöglicht die höchste Brandschutzklasse an der Fassade.

In den noch nicht abgebundenen Putz drückten die Verarbeiter mit Strukturbürste und Stachelwalze unregelmäßige Muster ein, wie sie auch in einer Natursteinoberfläche zu finden wären. Danach wurden hervorstehende Mörtelreste und Grate mit der Venezianerkelle verzogen und etwas eingeebnet.

Als nächster Arbeitsschritt folgte das Einziehen von waagerechten und senkrechten „Fugen“ unter Zuhilfenahme einer Maßschiene. Diese Fugen wurden dann händisch mit einem Cutter etwas „ausgeräumt“ – also vertieft und gestaltet. Die nun hervorstehenden Grate fegte man mit einem weichen Besen vorsichtig ab. Nach zwei Tagen Trocknungszeit begann schließlich die Beschichtung der Oberfläche mit Lasuren in verschiedenen Farbabstufungen.

Die Lasuren entstanden durch Mischung der Silikonharzfarbe Basis 2 von Heck mit der klassischen Silikonharzfarbe des Herstellers. Durch unterschiedliche Mischungsverhältnisse erzeugte man verschiedene Grautöne, mit denen sich die einzelnen Natursteinimitate an der Fassade optisch voneinander abgrenzen ließen. Der Auftrag erfolgte mit Lasurpinsel sowie anschließendem „Einwischen“ in die Vertiefungen der Oberfläche per Schwamm. So entstand eine Optik, die so wirkt, als seien Natursteine in verschiedenen Farbvariationen verarbeitet worden.

Projektleiter Michael Hampel ist aber nicht nur wegen der kreativen Putzmöglichkeiten vom Heck-System überzeugt: „Durch die Entscheidung für das vollmineralische WDVS haben wir zweierlei erreicht: Zum einen die höchste Brandschutzklasse an der Fassade durch den Dämmstoff Steinwolle, zum anderen eine besonders langlebige Beschichtung selbst in einer so naturnahen Lage. Denn vollmineralische Systeme bieten nach unserer Erfahrung den besten Schutz vor mikrobiellem Bewuchs auf Wärmedämm-Verbundsystemen beziehungsweise Putzflächen ganz allgemein.“


 

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