
Induktives Laden wird nun auch bei E-Fahrzeugen erprobt. Foto: Iveco
Straße ermöglicht kabelloses Laden
Asphaltfahrbahnen sind schon lange Standard im Straßenbau. Was allerdings derzeit auf einer Rennstrecke in Norditalien passiert, hat zwar mit Asphalt zu tun, klingt aber trotzdem nach Science-Fiction. In der „Arena del Futuro“ zwischen Mailand und Brescia wird nämlich das kabellose Laden von Elektroautos getestet. Diese laden sich induktiv mit Strom auf, während sie auf speziellen Fahrspuren unterwegs sind. Möglich macht das ein Spulensystem unter dem Asphalt.
Der zu Experimentalzwecken gebaute Rundkurs „Arena del Futuro“ liegt direkt neben der italienischen Autobahn „A35 BreBeMi“, die seit 2014 Mailand und Brescia direkt miteinander verbindet. Die rund einen Kilometer lange Test-Rennstrecke befindet sich in der Nähe der Ausfahrt Chiari-West. Dort wird aktuell die induktive Ladetechnologie DWPT (Dynamic Wireless Power Transfer) getestet. Ein kurzes Youtube-Video zur Teststrecke und zum innovativen Elektrofahrzeuge-Projekt kann man sich hier anschauen.
Internationale Projektpartnerschaft

Die Stromversorgung erfolgt über Spulen unter dem Asphalt. Foto: Mapei
Das Projekt wird von einem Unternehmen koordiniert, das denselben Namen trägt, wie die 62 km lange Autobahn zwischen Mailand und Brescia: A35 BreBeMi SpA. Der Mautstraßenbetreiber hat für das Projekt aber zahlreiche Partner ins Boot geholt, darunter den Schweizer Energie- und Automatisierungstechnikkonzern ABB, das auf drahtlose elektrische Straßensysteme spezialisierte Unternehmen Electreon Wireless Ltd aus Israel, den niederländischen Automobilhersteller Stellantis und den multinationalen Batteriehersteller FIAMM Energy Technology. Weitere Projektpartner kommen aus Italien: der Nutzfahrzeughersteller Iveco, das Telekommunikationsunternehmen TIM und der Kabelhersteller Prysmian.
Und schließlich ist auch die italienische Baubranche vertreten – und zwar in Gestalt des Bauunternehmens Pizzarotti und des Bauchemieherstellers Mapei. „Unser eigener Beitrag umfasste die Nutzung unserer hauseigenen Forschungslabore zur Entwicklung modernster Technologien, mit denen wir die Straßenbelagsschichten, in denen die magnetischen Induktionsspulen untergebracht sind, langlebiger und kompatibel mit den örtlichen Störfestigkeitsanforderungen gestalten konnten“, erläutert Marco Squinzi, CEO von Mapei.
Aufladen während der Fahrt

Die Teststrecke befindet sich neben der A35 zwischen Mailand und Brescia. Foto: Iveco
Die in der Arena del Futuro getestete induktive Ladetechnologie DWPT ermöglicht das Aufladen der Batterien von Elektrofahrzeugen, während diese in speziellen Fahrspuren unterwegs sind. Möglich wird das durch Ladespulen, die sich unter dem Asphalt befinden und mit System-Managementeinheiten am Straßenrand verkabelt sind. Die Spulen übertragen Energie direkt auf die Fahrzeuge – und zwar sowohl auf normale Pkw als auch auf Lkw und Busse. Voraussetzung ist lediglich, dass die E-Fahrzeuge mit einer Empfängerspule ausgestattet sind, die die kabellos gelieferte Elektrizität auf den Elektromotor überträgt.
Die Tests auf dem italienischen Rundkurs haben bereits gezeigt, dass ein E-Kleinwagen – wie zum Beispiel der Fiat New 500 – die in seiner Batterie gespeicherte Energie nicht verbraucht, wenn er mit typischer Autobahngeschwindigkeit auf den DWPT-Fahrbahnen unterwegs ist. Die Effizienz des Energieflusses vom Asphalt zum Auto sei mit Schnellladestationen vergleichbar – heißt es auf der Website des Projektpartners Stellantis. Zugleich sei die gemessene Magnetfeldstärke aber nicht so stark, dass es Auswirkungen auf die Fahrzeuginsassen gibt.
Auch ein 12 m langer Bus des Herstellers Iveco wurde in der Arena del Futuro bereits erfolgreich getestet. Dafür hat man Busmodell „E-Way“ mit der erforderlichen Anschluss- und Aufladetechnik ausgerüstet. Nach Angaben von Iveco konnte das Fahrzeug bei einer Geschwindigkeit von über 70 km/h mit induktivem Strom gespeist werden, wobei es eine elektrische Leistung von 75 kW aufnahm. Die Testbedingungen seien den realen Bedingungen in der Praxis sehr nah gekommen, heißt es in einer Pressemitteilung von Iveco.
Straßenbelagssystem von Mapei

So funktioniert das in der Arena del Futuro eingebaute DWPT-System. Grafik: Mapei
Der Mapei-Konzern lieferte die Hauptelemente des mehrschichtigen Straßenbelags, der das DWPT-System aufnimmt. Dafür entwickelte der Bauchemiehersteller unter anderem einen Spezialmörtel zum besseren Schutz der Induktionsspulen, hergestellt aus Materialien mit geringer Störbeeinflussung magnetischer Felder und starker Haftung auf den Bitumenzwischenbahnen.
Das zum Mapei-Konzern gehörende Unternehmen Polyglass stellte die modifizierten Bitumenbahnen zur Verfügung, die auf dem ausgehärteten Spezialmörtel verlegt wurden. Die Bahnen bieten einen zusätzlichen Schutz für die Spulentechnik, indem sie eine Weiterleitung von Rissen aus der Asphaltfahrbahn unterbinden. Sie verbessern zudem die Verbindung des Straßenunterbaus mit der Fahrbahndecke.
Zur optimalen Einbettung der Kabel und Steuergeräte, die die Spulen mit der Managementeinheit des Systems verbinden, steuerte Mapei zudem einen Untergrundmörtel bei, der Polymerbestandteile enthält. Für die Asphaltschichten oberhalb der Spulen wurden außerdem spezielle chemische Bitumen-Beimischungen von Mapei verwendet. Diese Zusatzmittel sollen das Auftragen der Bitumenmischungen vereinfachen und ihre Lebensdauer unter dem Einfluss intensiver Magnetfelder verlängern.
Induktives Laden
Kabelloses induktives Laden ist eine Technik, die sich im Bereich von Elektroautos noch in der Erprobungsphase befindet. Das hier vorgestellte Projekt aus Italien ist nicht das Einzige seiner Art. In Deutschland fördert das Bundesverkehrsministerium seit Anfang 2021 zum Beispiel das Forschungsprojekt „eCharge“, das von der Firma Eurovia Teerbau GmbH in Zusammenarbeit mit Volkswagen, der Omexom GA Süd GmbH (Technischer Dienstleister für Energie-Infrastrukturen) und der TU Braunschweig betrieben wird. Auch bei diesem Projekt geht es um die Entwicklung eines Systems für berührungsloses Laden von Elektrofahrzeugen während der Fahrt mithilfe von Induktionsmodulen im Asphaltbelag.
In der Praxis schon weitaus verbreiteter ist das Prinzip des induktiven Ladens bei modernen Smartphones. Der User braucht sein Handy dann nicht mehr per Kabel an eine Stromquelle anzuschließen, sondern legt es einfach auf eine Ladestation. Da diese aber wiederum einen festen Stromanschluss benötigt, kann man über die Sinnhaftigkeit der Technik für Smartphones durchaus streiten. Es wirkt eher wie eine Spielerei für Technikfreaks. Sehr praktisch und bereits viel verbreiteter ist das induktive Laden dagegen beim Induktionsherd. Auch hier fließt Strom kabellos: von der Herdplatte auf den Kochtopfboden, der sich dadurch erhitzt.
Egal ob Smartphone, Induktionsherd oder die aktuellen Pilotprojekte mit E-Fahrzeugen: Das Grundprinzip des induktiven Ladens ist immer dasselbe. Die Stromquelle und die aufzuladenden Objekte sind jeweils mit Spulen ausgestattet. Zwischen diesen Spulen entsteht ein magnetisches Wechselfeld, über das sich elektrische Energie übertragen lässt.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
Schlaglöcher gefährden den Autoverkehr und sollten saniert werden. Bei Asphaltstraßen funktioniert das am besten mit heißem Asphalt. Das Unternehmen RWInnoTec...
mehr »
Staus infolge von Baustellen gehören zum Alltag auf Deutschlands Straßen. Notwendige Reparaturen des Asphalts sind ärgerlich, aber unvermeidlich. Oft werden...
mehr »
Das Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) entwickelt derzeit in einem Verbundprojekt mit der Industrie Technologien für autonom fahrende Lkw...
mehr »