RM Rudolf Müller
Calostat ist hochdämmend und zugleich nicht brennbar.  Foto: Evonik

Calostat ist hochdämmend und zugleich nicht brennbar.  Foto: Evonik

Dämmstoffe
22. September 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Was ist Calostat?

Im Jahr 2013 wurde auf der Branchenmesse BAU in München erstmals ein neuer Dämmstoff mit dem Markennamen „Calostat“ vorgestellt. Heute gibt es für die hochdämmenden Platten unterschiedlichste Anwendungen im Gebäudebereich. Auch als Bestandteil vorgefertigter Elementfassaden im Objektbereich kommen sie zum Einsatz. Doch woraus besteht eigentlich Calostat, und was sind die wichtigsten Eigenschaften des Materials?

Calostat wurde vom Essener Spezialchemie-Unternehmen Evonik entwickelt und wird aus dem mineralischen Rohstoff Siliciumdioxid hergestellt. Dieser natürliche Stoff kommt auf der Erde in großen Mengen vor. So besteht zum Beispiel Quarzsand größtenteils aus Siliciumdioxid. Zur Herstellung seiner Calostat-Platten wandelt Evonik den Rohstoff in pyrogene Kieselsäure um. Das ist – chemisch betrachtet – dieselbe Verbindung, aus der auch die Stützgerüste in Vakuum-Isolations-Paneelen (VIP) bestehen. Die Evonik-Platte ist allerdings druckfester und formstabiler.

Bauphysikalische Eigenschaften

Mit Calostat-Plattenmaterial gefüllte Wärmedämmziegel. Foto: Evonik

Mit Calostat-Plattenmaterial gefüllte Wärmedämmziegel. Foto: Evonik

Das Dämmmaterial verhält sich zudem hydrophob, es nimmt kein flüssiges Wasser auf. Zugleich ist es nach Herstellerangaben aber dampfdiffusionsoffen, also durchlässig für Wasserdampf. Ohnehin ist Calostat aufgrund seiner mineralischen Zusammensetzung resistent gegen Schimmelbildung – ganz ohne Zusatz von Fungiziden.

Laut Evonik ist der Dämmstoff zudem „gesundheitlich unbedenklich“. Er soll keine Schadstoffe ausdünsten und nicht mit anderen Werkstoffen reagieren. Positiv ist auch das Brandverhalten: Calostat wird der Baustoffklasse A2 nach DIN EN 13501-1 zugeordnet („nicht brennbar“), ohne dass dafür Flammschutzmittel eingesetzt werden müssen. Zu den Vorteilen des Dämmstoffs gehört ferner, dass er langlebig und komplett recyclingfähig ist. Nach Evonik-Angaben ist er mindestens 50 Jahre ohne Leistungsverlust einsetzbar.

Calostat wird als Hochleistungsdämmstoff vermarktet. Nicht zu Unrecht. Die Platten haben eine sehr niedrige Wärmeleitfähigkeit von nur 0,019 W/mK. Zum Vergleich: Die Wärmeleitfähigkeit von Glaswolle-Produkten liegt bei über 0,032 W/mK. Aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit beim Wärmeschutz lassen sich die heutigen Dämmanforderungen an Neubauten mit den Evonik-Platten bereits mit relativ geringen Schichtdicken erfüllen.

Bemerkenswert ist, dass das Kieselsäure-Material trotz seiner niedrigen Wärmeleitfähigkeit über eine vergleichsweise hohe Rohdichte von immerhin 165 kg/m³ verfügt. Die Platte ist deshalb auch relativ stabil und bietet einen relativ guten Schallschutz. Hinzu kommt, dass die Wärmeleitfähigkeit auch bei steigenden Temperaturen vergleichsweise konstant bleibt. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Bei vielen Dämmstoffen sinkt der Wärmeschutz, wenn sie sich erwärmen, zum Beispiel durch verstärkte Sonneneinstrahlung im Sommer. Beim Produkt Calostat soll das nicht so sein. Nach Herstellerangaben bietet es deshalb auch im Sommer einen „optimalen Wärmeschutz“.

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten

Diese Sandwich-Platte besteht aus Calostat mit Mineralwolle-Deckschichten. Foto: Evonik

Diese Sandwich-Platte besteht aus Calostat mit Mineralwolle-Deckschichten. Foto: Evonik

Calostat-Platten lassen sich im Gebäudebereich vielfältig einsetzen – zum Beispiel als Aufsparrendämmung und Zwischensparrendämmung für Steildächer oder als Dämmung für Terrassen und Flachdächer beziehungsweise für Keller- und Tiefgaragendecken. Im Außenwandbereich sind sowohl Innendämmungen als auch Kerndämmungen für vorgehängte hinterlüftete Fassaden (VHF) möglich. Das Plattenmaterial wurde zudem schon als Dämmstofffüllung für porosierte Mauerwerk-Ziegel erprobt. Diese kamen 2016 bei vier Reihenhäusern im Herzogenauracher Neubaugebiet „Herzo Base II“ zum Einsatz.

Im Fassadenbereich hat sich noch eine andere Anwendung etabliert: Calostat-Platten werden nämlich auch als Bestandteil von Verbundelementen genutzt, die Evonik zusammen mit Partnern aus der Baubranche entwickelt und die – im Werk vorgefertigt – einen schnellen und schlanken Bau von hochwärmedämmenden Fassaden ermöglichen. Zusammen mit dem Fassadenbauunternehmen FKN hat Evonik zum Beispiel das schlanke Fassadenpaneel „CT Paneel“ entwickelt, das erstmals auf der BAU 2017 vorgestellt wurde und mit dem sich sowohl Neubauten als auch Sanierungsobjekte zum Passivhaus aufrüsten lassen.

Dieses nicht brennbare Sandwich-Element, das von außen an Gebäudewände montiert wird, gibt es in verschiedenen Modellvarianten. Die Premiumversion „CT Paneel Multi“ besteht neben den jeweiligen Decklagen – zum Beispiel Aluminium auf der Rückseite und Glas auf der Fassadenseite – aus einem 60 bis 150 mm starken Dämmkern. Dieser umfasst ein Vakuum-Isolations-Paneel, das allseitig von Calostat-Platten umfasst wird. Die Platten schützen den empfindlichen VIP-Kern. Es handelt sich also um eine sinnvolle Kombination zweier Kieselsäure-Dämmstoffe.

Innovative Fassadenpaneele

Montage eines „e-coFACE“-Fassadenpaneels beim Büroneubau in Stuttgart. Foto Drees & Sommer

Montage eines „e-coFACE“-Fassadenpaneels beim Büroneubau in Stuttgart. Foto Drees & Sommer

Der Dämmkern aus VIP und Calostat wird auch bei einem ganz besonderen Fassaden-Paneel verwendet, das FKN zusammen mit den Ingenieuren des Beratungs-, Planungs- und Projektmanagement-Unternehmens Drees & Sommer entwickelt hat. Das modulare Element namens e-coFACE hilft nicht nur, den Energieverbrauch des Gebäudes auf ein Minimum zu reduzieren, sondern kann dank integrierter Photovoltaik-Module auch selbst Energie erzeugen. Erstmals eingesetzt wurde es bei einem Büroneubau in Stuttgart (Obere Waldplätze 12), den Drees & Sommer für den Eigenbedarf errichtet hat.

Laut Drees & Sommer kommen bei konventionellen Konstruktionen immer dickere Fassadenaufbauten zum Einsatz, die wertvolle Nutzfläche verbrauchen. In der Regel wird Schallschutz durch massive und schwere Außenwandbauteile erreicht. Für den eigenen vierstöckigen Büroneubau, in unmittelbarer Nähe zu einem vierspurigen Autobahnzubringer, erforderten allerdings die Randbedingungen einen hohen Schall- und Wärmeschutz, während das schmale Grundstück eine möglichst schlanke Bauweise erstrebenswert machte.

Als Lösung entwickelte man die nicht brennbare Hochleistungsfassade „e-coFACE“, die inklusive der Photovoltaikelemente nur 210 mm dick ist und sich nach Brandschutz-Klassifizierung auch für den Einsatz in Gebäuden mit mehr als 20 m Höhe eignet. Nach Angaben von Drees & Sommer hätte eine konventionelle Konstruktion einen Gesamtaufbau von mindestens 400 mm erfordert. Als Plusenergiehaus ist der Neubau so konzipiert, dass im Betrieb mehr Energie erzeugt als verbraucht wird. Möglich wird das neben den Photovoltaik-Modulen durch die Hochleistungsdämmstoffe im Kern der Fassaden-Paneele.

Dieser Text ist eine Überarbeitung/Aktualisierung unseres Beitrags „Hochleistungsdämmstoff: Was ist Calostat?“ von März 2017.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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