RM Rudolf Müller
Die DGNB-Studie steht online zum kostenlosen Download bereit.  Fotos (2): DGNB

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Energetisches Bauen
23. Februar 2022 | Artikel teilen Artikel teilen

DGNB-Studie zu Gebäude-Emissionen

Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen hat 50 zertifizierte Gebäude bezüglich ihrer CO2-Emissionen untersucht. Ein zentrales Ergebnis: Gut ein Drittel aller Treibhausgasemissionen eines Gebäudes entstehen vor der tatsächlichen Nutzung – bei der Herstellung und Errichtung. Für eine fundierte Bewertung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Gebäudekonstruktionen fehlen bislang aber noch ausreichend Daten.

Die im August 2021 erschienene 20-seitige Kurzstudie trägt den ziemlich langen Namen „Benchmarks für die Treibhausgasemissionen der Gebäudekonstruktion – Ergebnisse einer Studie mit 50 Gebäuden“. Die Stichprobe bestand aus 46 Büro- und vier Wohngebäuden mit Brutto-Grundflächen zwischen 600 und 40.000 m2. Darunter befanden sich drei Holz- beziehungsweise Holzhybridgebäude, 25 Gebäude in Massivbau- und 22 in Stahlbeton-Skelettbauweise.

Betriebsbedingte und verbaute Emissionen

Für alle Gebäude lag bereits eine Ökobilanz vor, die im Rahmen der Studie statistisch ausgewertet wurde – und zwar speziell in Bezug auf das Treibhausgaspotenzial, das als „CO2-Äquivalente“ in der Maßeinheit Kilogramm pro Quadratmeter angegeben wird.

Die Treibhausgasemissionen, die während des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes anfallen, lassen sich unterteilen in betriebsbedingte und „verbaute Emissionen“. Während erstere vor allem vom Energieverbrauch während der Nutzung abhängen, entstehen letztere zu einem großen Teil bereits bei der Herstellung der Baustoffe sowie bei der Errichtung des Bauwerks. Später kann sich dieser CO2-Fußabdruck noch durch Instandhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen erhöhen. Ganz am Ende fließt der Rückbau des Gebäudes in die Treibhausgasbilanz ein.

Die Analyse der 50 Gebäude ergab, dass im Durchschnitt 35 % der Treibhausgasemissionen durch das Bauwerk verursacht werden (Errichtung, Instandhaltung, Rückbau) und 65 % durch die Nutzung. Dabei wurde ein Lebenszyklus von 50 Jahren zugrunde gelegt.

Lebenszyklus-Analyse

Dr. Anna Braune ist Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung beim DGNB.

Dr. Anna Braune ist Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung beim DGNB.

Die DGNB hat für einen solchen 50-Jahre-Zeitraum errechnet, dass die baubedingten CO2-Äquivalente der untersuchten Gebäude im Durchschnitt 440 kg pro Quadratmeter betragen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei diesen Bauwerken ja bereits um relativ nachhaltige Gebäude handelt, die das DGNB-Zertifizierungssystem erfolgreich durchlaufen haben. Laut DGNB liegt der entsprechende Wert für konventionelle Neubauten eher zwischen 500 und 800 kg/m2. Die an dieser Stelle genannten Zahlen stehen in dieser Form übrigens gar nicht in der Studie, sie wurden aber in einer Pressemitteilung der DGNB veröffentlicht.

Doch auch 440 kg/m2 sind kein Wert, auf dem man sich ausruhen sollte. „Wenn wir es wirklich ernst meinen mit dem Klimaschutz, müssen wir sehr viel ambitionierter sein“, betont Dr. Anna Braune. Die Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung der DGNB erläutert, dass die verbauten Emissionen damit im Durchschnitt immer noch gut ein Drittel der gesamten Gebäudeemissionen ausmachen. Für Gebäude mit sehr niedrigem Energieverbrauch liege ihr Anteil sogar bei 50 %.

Einfluss der Bauweise und Bauteile

Gebäudedecken verursachen durchschnittlich mehr als ein Drittel der Herstellungsemissionen. Foto: Pixabay

Gebäudedecken verursachen durchschnittlich mehr als ein Drittel der Herstellungsemissionen. Foto: Pixabay

„In der Energieeffizienz von Neubauten haben wir in den letzten Jahren Fortschritte gemacht“, räumt Braune ein, fügt aber hinzu: „Mit Blick auf die nächsten Jahre müssen wir jetzt dringend einen zusätzlichen Fokus auf die Treibhausgasemissionen des Bauwerks legen. Von den Klimaforschenden haben wir den klaren Auftrag, die CO2-Emissionen von Gebäuden jede Dekade zu halbieren, um die Klimakrise in einem erträglichen Maß zu halten.“

Wie sich die Herstellungsemissionen von Neubauten künftig senken ließen, dafür liefert die Studie zumindest Anhaltspunkte. Dafür wurden die Datensätze der 50 ausgewählten Gebäude anhand von Differenzierungsmerkmalen wie beispielsweise Bauweisen, Bauteile und Lebenszyklusphasen ausgewertet. Bei den vor der Gebäudenutzung anfallenden CO2-Äquivalenten schnitten die drei Holz- und Holzhybridbauten sehr gut ab. Die DGNB betont gleichwohl, dass auch Massiv- oder Stahlbetongebäude gute Ergebnisse erreichen könnten. Ein Holzhybrid-Gebäude etwa sei in der Lebenszyklusbetrachtung nicht per se besser als jeder Massiv- oder Stahlbetonbau.

Beim Vergleich der Bauteile fiel auf, dass die Gebäudedecken im Durchschnitt für mehr als ein Drittel der Herstellungsemissionen verantwortlich sind. Ihre Herstellung setzt bei konventioneller Bauweise am meisten Treibhausgase frei. Auf Platz zwei und drei folgen die Außenwände und das Fundament. Unter den Gebäuden mit den höchsten CO2-Werten des Bauwerks befinden sich sehr hohe Gebäude mit einem hohen Deckenanteil. Generell sieht die DGNB ein enormes Reduktionspotenzial bei Bauteilen mit großen Massen. Doch auch die Nutzungsdauer der Bauteile spielt eine wichtige Rolle, da deren Austausch natürlich auch wieder Treibhausgasemissionen auslöst.

Folgestudien geplant

Die Studie erhebt ausdrücklich nicht den Anspruch, verschiedene Bauweisen abschließend bezüglich ihres CO2-Fußabdrucks bewerten zu können. Tiefergehende Analysen seien notwendig, heißt es in der angesprochenen Pressemitteilung des DGNB. Dr. Anna Braune: „Uns interessieren beispielsweise die Wechselwirkungen zwischen Bauwerk und Nutzung mit Blick auf den Lebenszyklus und der CO2-Fußabdruck der Gebäudetechnik. Wichtig wäre auch eine genaue Betrachtung der Bauweisen und mehr Informationen zum Umgang mit den Baumaterialien am Lebensende des Gebäudes.“

Bereits jetzt sind daher zwei Folgestudien geplant, die sich zum einen mit weiteren Nutzungstypen befassen und zum anderen den Fokus auf Vorzeigeprojekte legen werden, die in der Ökobilanz außerordentlich gut abschneiden. Interessierte können sich direkt bei der DGNB melden.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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