RM Rudolf Müller
Auch für Steildächer gibt es Begrünungssysteme.  Foto: ZinCo GmbH

Auch für Steildächer gibt es Begrünungssysteme.  Foto: ZinCo GmbH

Dach
14. Juni 2022 | Artikel teilen Artikel teilen

Sind Steildächer begrünbar?

In Zeiten des Klimawandels werden Gründächer nicht zuletzt wegen ihrer positiven Auswirkungen auf das städtische Mikroklima immer beliebter. Im Fokus stehen dabei bisher aber vor allem Flachdächer. Dabei gibt es auch Lösungen für eine extensive Begrünung geneigter Dachflächen. Entsprechende Systemaufbauten eignen sich nicht nur für flach geneigte Dächer, sondern auch für echte Steildächer.

Gründächer speichern Regenwasser, filtern Luftschadstoffe, verbessern das städtische Mikroklima durch Verdunstungskälte und schaffen neue Lebens- und Erholungsräume für Mensch und Tier. Ganz „nebenbei“ verbessern sie auch noch die Dämmung des Dachs und schützen das Gebäude vor Überhitzung beziehungsweise die darunter liegende Dachabdichtung vor Beschädigung.

Zumindest einige dieser Vorteile gelten nicht nur für begrünte Flachdächer beziehungsweise flach geneigte Dächer (ab 10° Dachneigung), sondern auch für Steildächer. Darunter verstehen wir in diesem Beitrag Dächer mit einer Neigung von mindestens 20 Grad – in Anlehnung an eine Definition des Dachziegelherstellers Creaton. Zur Erinnerung: Die in Grad gemessene Dachneigung bezeichnet den Winkel zwischen der geneigten Dachfläche und der Horizontalen (Dachboden).

Dünnschichtige Extensivbegrünung

Skipiste auf Kopenhagener Müllverbrennungsanlage: Der Bundesverband Gebäudegrün ehrte das Objekt Copenhill als Gründach des Jahres 2020. Foto: Ehrhorn Hummerston

Skipiste auf Kopenhagener Müllverbrennungsanlage: Der Bundesverband Gebäudegrün ehrte das Objekt Copenhill als Gründach des Jahres 2020. Foto: Ehrhorn Hummerston

Soll ein bestehendes Steildach begrünt werden, ist natürlich vorab zu klären, ob die statische Belastbarkeit der vorhandenen Dachkonstruktion dies überhaupt zulässt. Im Zweifelsfall ist ein Statiker zurate zu ziehen. Die am Markt erhältlichen Komplettsysteme haben aber grundsätzlich eine relativ geringe Aufbauhöhe und daher auch ein eher geringes Gewicht. Das ist auch deshalb so, weil Steildächer ja in der Regel nicht begehbar sind und deshalb ohnehin nur für eine niedrigwüchsige, pflegearme Extensivbegrünung – zum Beispiel mit Moosen oder verschiedenen Sedum-Arten – infrage kommen.

Nach Angaben des deutschen Dachbegrünungsspezialisten Zinco aus Nürtingen bei Stuttgart ist für ein Gründach eine abgedichtete Dachunterkonstruktion mit ausreichender statischer Lastreserve notwendig. Das gilt sowohl für Flachdach- als auch für Steildachbegrünungen. Der Schichtaufbau des Gründachs erfolgt direkt auf der wurzelfesten Abdichtung. Eine Dacheindeckung mit Ziegeln oder Dachsteinen entfällt natürlich.

Der niederländische Systemanbieter Sempergreen weist übrigens darauf hin, dass eine Steildachbegrünung zusätzliche Photovoltaikmodule keinesfalls ausschließt. Beides sei auch nebeneinander möglich. Die Niederländer betonen in diesem Zusammenhang, dass Gründachflächen aufgrund ihrer kühlenden Wirkung sogar dabei helfen, die Effizienz von Solarmodulen zu erhöhen.

Typischer Schichtaufbau

Die einzelnen Schichten einer Steildachbegrünung unterscheiden sich natürlich je nach Herstellersystem. Ganz allgemein lässt sich aber sagen, dass oberhalb der Dachabdichtung meist eine weitere Schutzschicht folgt, die Lasten des Gründachaufbaus aufnimmt und zugleich eine Wasserspeicherfunktion übernimmt.

Eine solche Speicherfunktion ist bei einem Steildach wichtig, weil Niederschläge sonst zu schnell abfließen würden. Auf der Speicherschicht werden das Nährstoff-Substrat und darauf in der Regel vorkultivierte Vegetationsmatten aufgebracht. Diese bereits mit gut durchwurzelten Pflanzen bedeckten Matten tragen erheblich dazu bei, dass der Gründachaufbau nicht gleich beim ersten Regenguss wieder vom Dach gespült wird.

Ab einer gewissen Dachneigung – oft heißt es: ab 10° – sind allerdings zusätzliche Erosionsschutzvorrichtungen unerlässlich, um ein Wegrutschen von Substrat und Pflanzendecke zu verhindern. Dies geschieht zum Beispiel mithilfe von Rasterelementen aus Kunststoff, in die man das Substrat füllt. Manche Hersteller setzen auch auf spezielle Gründachpfannen. Das ist zum Beispiel beim System von Topgreen so. Oft kommen auch zusätzliche Schubschwellen, metallische Schubhalter und abstützende Traufprofile am unteren Dachrand zum Einsatz.

Beispiel Zinco-Systeme

Das Schrägdach-System „Flora Set FS 75“ (l.) und das Steildach-System „Georaster“ (r.). Grafiken: ZinCo GmbH

Das Schrägdach-System „Flora Set FS 75“ (l.) und das Steildach-System „Georaster“ (r.). Grafiken: ZinCo GmbH

Der Anbieter Zinco bietet für begrünte Steildächer bis 35° Dachneigung das so genannte „Georaster“-System. Bei diesem System kommt als unterste Schicht wahlweise die Bewässerungs- und Schutzmatte BSM 64 oder die Wasserspeichermatte WSM 150 zum Einsatz. Darauf verlegt man dann die 10 cm hohen „Georaster“-Elemente (siehe Grafik). Diese Kunststoffraster sichern fast die gesamte Höhe der Substratschicht ab und können nach Herstellerangaben Schubkräfte bis zu 800 kg pro laufendem Meter Dachfläche aufnehmen. Georaster-Dächer müssen zudem über eine stabile Aufkantung im Traufbereich verfügen.

Auch Dächer mit einer Neigung größer als 35° lassen sich übrigens mit dem Georaster-System begrünen. Nach Aussagen von Zinco ist in solchen Fällen aber eine gesonderte Planung unabdingbar. Vor allem sind dann intensivierte Maßnahmen zur Schubsicherung notwendig, um ein Abrutschen von Substrat und Pflanzendecke zu verhindern. Das können etwa zusätzliche Schubschwellen sein, die fachgerecht in die Dachabdichtung einzuarbeiten sind. Damit der Wasserablauf vom Dach nicht zu stark behindert wird, werden solche Schubschwellen in der Breite in regelmäßigen Abständen unterbrochen.

Für begrünte Schrägdächer von 10° bis 25° Neigung hat Zinco übrigens ein Alternativsystem im Angebot, das zwar ebenfalls eine Traufaufkantung voraussetzt, bei dem man ansonsten aber auf die oben beschriebenen Erosionsschutzvorrichtungen verzichten kann. Das System „Flora Set FS 75“ (siehe Grafik) besteht aus rund 7,5 cm hohen EPS-Hartschaumplatten als unterster Schicht, in die oberseitig Wasserspeichermulden eingearbeitet sind. Direkt auf dieser Hartschaumlage wird das Substrat aufgebracht, das durch die Mulden bis zu einem gewissen Grad gegen Abrutschen gesichert ist. Bei Dachneigungen über 15° ist das Substrat zusätzlich durch ein grobmaschiges Jutenetz zu sichern.

Bewässerung notwendig?

Extensivbegrünungen bestehen aus pflegearmen Pflanzen und können in der Regel auch längere Trockenperioden ohne künstliche Bewässerung überstehen. Allerdings fließen Niederschläge auf Steildächern stärker ab als auf Flachdächern, was die Austrocknungsgefahr erhöht. Hinzu kommt, dass die Substratschicht bei Steildachbegrünungen in der Regel nur eine Stärke zwischen 8 und etwa 15 cm aufweist. Auch wenn sich bei den marktüblichen Systemen unter dem Substrat in der Regel noch eine Speicherschicht befindet, ist das Potenzial zur Wasserretention insgesamt doch vergleichsweise gering.

In Abhängigkeit von der verwendeten Bepflanzung sowie von Gebäudestandort, Dachausrichtung, Dachneigung und Gründachsystem ist eine zusätzliche automatische Bewässerung daher in vielen Fällen sinnvoll. Der Gründach-Experte Optigrün empfiehlt sie generell bei Dachneigungen über 35°. Zinco weist darauf hin, dass die Bewässerung wahlweise durch im Firstbereich verlegte Tropfschläuche erfolgen kann oder alternativ „über Kopf“ – mithilfe von Regnern oder Sprühdüsen.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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