
Mini-Windkraftanlage: Das Fraunhofer IAP testet derzeit solche Prototypen. Foto: Fraunhofer IAP
Windrad im Garten?
Kleine Windräder, die sich Hausbesitzer in den eigenen Garten stellen können, gibt es schon lange. Bisher war diese Form der dezentralen Stromerzeugung aber allenfalls in Küstengebieten halbwegs effizient. Das Fraunhofer IAP entwickelt nun neuartige Mini-Windräder, die auch im windarmen Binnenland gute Erträge bringen sollen. Die Forschenden arbeiten zudem an einem Konzept, um häusliche Windkraftanlagen mit der privaten Wasserstofferzeugung zu kombinieren.
Industrielle Windräder ragen heute nicht selten bis 200 m und mehr in den Himmel. An diesen Großanlagen drehen sich gewaltige Rotorblätter, meist aus glasfaserverstärktem Kunststoff, deren Durchmesser in der Regel über 60 m, oft sogar über 100 m beträgt. Windenergieanlagen für Garten oder Hausdach sind nicht nur wesentlich kleiner, bisher ist auch das Verhältnis von Investitionen und Erträgen wenig überzeugend.
Doch das soll sich ändern. Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP arbeitet an neuen Mini-Anlagen, die klein und effizient zugleich sind. Die Garten-Windräder, die die Forschenden gemeinsam mit Partnern bereits entwickelt haben, sind nicht besonders hoch, und ihre Rotorblätter haben einen Durchmesser von bis zu 3 m. Trotzdem können auch diese Anlagen eine wichtige Rolle bei der Klimawende spielen.
Leichte und belastbare Rotoren
Im brandenburgischen Wildau haben die Leichtbau-Experten des Fraunhofer IAP einen Windrad-Propeller entwickelt, der sich bereits bei einer schwachen Brise in Bewegung setzt. „Hier in der Lausitz weht der Wind sehr viel schwächer als in Norddeutschland“, erläutert Maschinenbau-Ingenieur Marcello Ambrosio, der das Projekt am Fraunhofer IAP betreut. „Wir haben das Design der Rotorblätter daran angepasst und ihre Masse im Vergleich zu herkömmlichen Kleinwindanlagen um rund 30 % verringert.“
Die geringere Masse der Schwachwind-Rotoren wurde erreicht, indem man sie – ähnlich wie die Großanlagen – aus sehr leichten faserverstärkten Kunststoffen herstellte. Aufgrund der eingesetzten Leichtwerkstoffe war es möglich, vergleichsweise voluminöse Rotorblätter zu produzieren. Die oben genannten Rotorblattdurchmesser von bis zu 3 m sind nämlich – wenngleich winzig im Vergleich zu Großanlagen – in der Welt der Garten-Windräder schon durchaus groß dimensioniert. Die Kombination von leichtem Gewicht und großer Rotorblattoberfläche sorgt dafür, dass sich das Windrad auch bei niedrigeren Windgeschwindigkeiten dreht.
Für die Produktion der Rotoren wurde zunächst mithilfe eines 3D-Druckers eine Kunststoffform hergestellt. Dabei wurde das Institut von den Leichtbauexperten der Firma EAB Gebäudetechnik Luckau unterstützt. In diese Form lassen sich nun Faserstreifen einlegen, anschließend wird sie mit Kunstharzen oder anderen Kunststoffen aufgefüllt. Obwohl die auf diese Weise geformten Windrad-Rotoren sehr leicht sind, halten sie nach Angaben des Fraunhofer IAP sogar Starkwinden stand.
Die Rotorblätter sind nämlich so beschaffen, dass sie sich bei Sturm elastisch verbiegen und aus dem Wind drehen. „Damit drosselt die Anlage von allein die Rotationsgeschwindigkeit und nimmt keinen Schaden“, sagt Holger Seidlitz, Leichtbau-Spezialist an der BTU Cottbus-Senftenberg und zugleich Leiter des Forschungsbereichs „Polymermaterialien und Composite PYCO“ am Fraunhofer IAP.
Wind – Wasserstoff – Wärme

Die Schwachwind-Rotoren kombinieren leichtes Gewicht mit einer großen Oberfläche. Foto: Fraunhofer IAP
Das Fraunhofer IAP sieht für Windräder in Privatgärten Potenziale, die über die bloße dezentrale Gewinnung von grünem Strom hinausgehen. Die Forschenden wollen die Technik nämlich in die deutsche Wasserstoffwirtschaft integrieren. Wie das? Ganz einfach: Mit kleinen Garten-Windrädern sollen Menschen künftig Wasserstoff für den Eigenbedarf produzieren.
Gemeinsam mit der BTU Cottbus und dem Industriepartner entwickelt das Fraunhofer-Institut einige der dafür benötigten Schlüsseltechnologien: kleine, effiziente Rotoren und sichere Tanks. „Das Windrad wird so klein ausgelegt sein, dass sich auch Privatleute eine solche Anlage in den Garten stellen können“, erklärt Prof. Holger Seidlitz. „Der Wasserstoff wird dann vor Ort in einem kleinen Elektrolyseur erzeugt und im Tank gespeichert“, so Seidlitz weiter. Er kann dann zum Beispiel eine Brennstoffzellen-Heizung im Hauskeller antreiben, die neben Wärme zugleich auch Strom produziert. Besitzer von Wasserstoffautos wiederum könnten ihr Auto künftig direkt zu Hause betanken.
Klassische Wasserstofftanks für die Industrie bestehen aus druckfesten Stahlbehältern. Wichtig ist, dass kein Wasserstoff entweicht, weil das Gas zusammen mit Luftsauerstoff ein explosives Gemisch bilden kann. Gleichwohl wären materialsparende, handliche und leichtere Tanks natürlich besser, wenn es um den Einsatz in Tausenden von Privathaushalten geht. Im Fraunhofer-Projekt wurde deshalb ein neuartiger Tank aus einem Carbonfaser-Verbundwerkstoff entwickelt. Seine Hülle besteht aus in Kunstharz getränkten Carbonfaser-Streifen.
Um die Behälter dauerhaft überwachen zu können, erforscht das Fraunhofer IAP zudem Sensoren, die sich direkt in den Faserverbund der Tankwand einbauen lassen. Dabei geht es um ein Frühwarnsystem, mit dem Leckagen frühzeitig erkennbar sind – eine wichtige Voraussetzung für den sicheren Einsatz beim Endkunden.
Bisher selten effizient
Nach Angaben von Holger Seidlitz gibt es kleine Windkraftanlagen, die Privatpersonen in ihrem Garten oder auch auf ihrem Hausdach installieren können, bereits seit über 100 Jahren. Sie waren gewissermaßen die Vorgänger der heutigen Großanlagen, gerieten dann aber weitgehend aus dem Blickfeld. Auch weil die Effizienz in der Regel zu wünschen übrig lässt, nach Ansicht des Fraunhofer IAP rechnen sie sich meist nur in Küstenregionen. Einen guten Überblick über Technik, Planung, Genehmigungsverfahren und Wirtschaftlichkeit von Garten-Windrädern bietet die Broschüre „Kleinwindenergieanlagen“ der Energie-Agentur NRW, die hier als kostenloses PDF zum Download bereitsteht.
Die Einschätzung mangelnder Effizienz teilen auch die deutschen Verbraucherzentralen, die 2021 auf ihrer gemeinsamen Website zu dem Schluss kamen, dass sich Mini-Windräder im Privathaushalt in der Regel nicht lohnen würden, da die erzeugte Strommenge der herkömmlichen Mikro-Anlagen zu klein sei. Das Fazit des Beitrags auf www.verbraucherzentrale.de lautet: „Kleinwindkraftanlagen funktionieren unter idealen Standortbedingungen und in speziellen Bereichen wie auf Booten oder bei entlegenen Hütten oft sogar unter extrem rauen Bedingungen zuverlässig. Für Wohngebäude sind sie im Garten oder auf dem Dach aber eher ungeeignet.“ (Direktlink zum Beitrag hier).
Das Fraunhofer IAP möchte mit der Entwicklung einer neuen Generation von Mini-Windkraftanlagen die bisherigen Effizienzprobleme überwinden. Ziel ist die Etablierung von Kleinstanlagen mit effizienter Technik, die sich – ähnlich wie Photovoltaikanlagen – auch im Privatbereich rechnen. Außerdem wollen die Forschenden die Windkraft mit der Wasserstoffwirtschaft verknüpfen. Prof. Holger Seidlitz: „Unsere Vision ist es, Privathaushalten die Möglichkeit zu geben, eigenen grünen Wasserstoff zu erzeugen.“
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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