RM Rudolf Müller
Teardrop-Trailer: 1.400 solcher Fahrzeuge verwendet DHL bereits in England und Kontinental-Europa.  Foto: DHL Freight

Teardrop-Trailer: 1.400 solcher Fahrzeuge verwendet DHL bereits in England und Kontinental-Europa.  Foto: DHL Freight

Arbeitsalltag
04. Januar 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Aerodynamisch optimierte Lkw (Teil 1)

Der Warentransport von Industrie und Handel verbraucht viel Energie. Wo die Transportlogistik überwiegend per dieselbetriebenem Lkw erfolgt – wie zum Beispiel in der Baustoffbranche – fallen zudem große Mengen klimaschädlicher CO2-Emissionen an. Doch es gibt ungenutzte Einsparpotenziale: Wären Lkw „windschnittiger“, ließe sich ihr Energieverbrauch nämlich spürbar senken.

Lkw-Anhänger haben in der Regel eine kastenförmige, eckige Form. Diese Container-Optik garantiert einen maximalen, über die gesamte Ladefläche gleich hohen Laderaum. Sie ist aber alles andere als aerodynamisch. Mit einer windschnittigeren Form würden Sattelauflieger bei der Fahrt dem Luftstrom einen geringeren Widerstand entgegenstellen. So ließe sich bei gleicher Geschwindigkeit Kraftstoff sparen, und auch bei einem Elektro-Lkw könnte man mit einer vollgeladenen Batterie länger fahren.

Teardrop-Anhänger

Der aerodynamische Widerstand hat einen Anteil von mehr als 20 % an den Gesamtenergieverlusten eines Lkw. So steht es in der Kurzanalyse „Ressourceneffizienz in Handel und Logistik“ des VDI Zentrum Ressourceneffizienz. Es geht also durchaus um ein nennenswertes Einsparpotenzial.

Kein Wunder, dass einige Logistikdienstleister bereits begonnen haben, aerodynamisch optimierte Lkw zu erproben. Ein Vorreiter auf dem Gebiet ist DHL Freight, der europäische Speditionsbereich der Deutsche Post DHL Group. Dort sind bereits seit über zehn Jahren so genannte Teardrop-Anhänger im Praxiseinsatz. Diese speziellen Sattelauflieger (Trailer) wurde vom englischen Fahrzeugbauer Don-Bur gefertigt und heißen so wegen ihrer tropfenförmigen Geometrie, die einen geringen Strömungswiderstand garantiert (siehe Foto ganz oben). Ein bisschen wie eine Träne, dachten sich die Designer – deshalb Teardrop.

In England verwendet DHL den aerodynamischen Anhänger bereits seit 2007. Dort darf er bis zu 4,9 m hoch sein. In Deutschland ist er erst seit 2014 im Einsatz – und auch das nur in einer abgewandelten Version mit 4 m Höhe. Mehr verbietet die hiesige Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO). Die geringere Höhe hat natürlich den Nachteil, dass der Lkw insgesamt noch weniger Laderaum bietet. Dieser wird ja beim Teardrop ohnehin schon dadurch eingeschränkt, dass die Dachlinie zum Heck hin abfällt.

Die Laderaumeinschränkung ließe sich prinzipiell durch längere Sattelkraftfahrzeuge kompensieren. Doch auch hier „bremst“ die StVZO. Sie begrenzt die Trailer-Länge auf maximal 16,5 m. Im Rahmen der Erprobung von Lang-Lkw sind Sattelzugmaschinen mit nur einem Sattelanhänger – wie das britische Teardrop-Modell – zwar in Deutschland derzeit auch bis zu einer Gesamtlänge von 17,88 m erlaubt. Diese Fahrzeuge dürfen aber nur auf einem ausgewählten Straßennetz fahren (eine Karte des Positivnetzes gibt es hier). Außerdem ist die Einsatzerlaubnis zunächst bis Ende 2023 befristet.

Vorbild Grindwal

Der Aero Liner wurde als Messeexponat zur IAA Nutzfahrzeuge 2012 präsentiert. Grafik: Krone/MAN

Der Aero Liner wurde als Messeexponat zur IAA Nutzfahrzeuge 2012 präsentiert. Grafik: Krone/MAN

Mit dem „Aero Liner“ haben der Fahrzeughersteller MAN und die Sattelauflieger-Experten von Krone bereits zur IAA Nutzfahrzeuge 2012 in Hannover ein futuristisches Fahrzeugdesign präsentiert, das in Sachen Aerodynamik noch einen Schritt weiter geht als die Teardrop-Sattelauflieger. Im Rahmen einer Studie entwickelten die beiden Partner nicht nur einen windschnittigen Anhänger, sondern einen durchgängig optimierten Lastzug.

Der als Messeexponat präsentierte Aero Liner (siehe Grafik) besteht aus einem Motorwagen von MAN und einem Sattelauflieger von Krone. Das Besondere: Beide Komponenten bilden eine aerodynamische Einheit. Für die Formgebung stand übrigens der Grindwal Pate. Das bis zu acht Meter lange Tier aus der Gattung der Delphine kann bis zu drei Tonnen wiegen, gleitet aber dank seiner aerodynamischen Form dennoch ausgesprochen energieeffizient durch die Weltmeere.

Die Entwicklung der Aerodynamik bezieht die gesamte Umströmung des Zuges mit ein“, heißt es in einer Pressemitteilung von MAN zur IAA 2012. Und weiter: „Beginnend mit der abgerundeten Front, reduzierter Spiegelfläche und strömungsgünstig integrierten Tanks. Ein vollständig neu entwickeltes Dachspoiler-Konzept ist formschlüssig in das Fahrerhausdach integriert. Es schließt die Lücke zwischen Zugmaschine und Trailer vollständig und lässt die Luft damit gleichmäßig ohne Abriss über das Fahrzeug fließen. Eine Seitenvollverkleidung des Trailers und das sich verjüngende Heck schließen die optimale Luftführung um den Zug herum ab.

Trotz all dieser Vorteile ist das futuristische Sattelkraftfahrzeug bisher aber ein Prototyp ohne Straßenzulassung geblieben. Aufgrund seiner Höhe von knapp 4,41 m und der Länge von 18,82 m überschreitet es die in Deutschland erlaubten Fahrzeugmaße. „Bis zur Serienfertigung des Aero Liners wird es wahrscheinlich noch etwas dauern“, sagte uns Ende 2020 Krone-Marketingleiter Stefan Oelker. „Der Aero Liner ist bei gleichem Ladevolumen höher und länger als ein normaler Zug. Die aktuellen gesetzlichen Regelungen müssten für den Aero Liner neu definiert werden.“

Einsparpotenzial

Ein Ergebnis der Studie von MAN und Krone war, dass der Aero Liner das Ladevolumen eines konventionellen Lkw bietet, sich aber zugleich durch einen extrem niedrigen Luftwiderstandswert auf Pkw-Niveau auszeichnet. Dadurch seien Kraftstoff- und CO2-Einsparungen bis zu 25 % möglich. Dieser Wert gilt natürlich nur für den getesteten Aero Liner mit 18,82 m Länge, der in Deutschland bislang nicht zulässig ist.

Natürlich könnte man das Sattelkraftfahrzeug auch soweit „schrumpfen“, bis es zu den gesetzlichen Vorgaben reicht. „Dann müsste aber auch die Zugmaschine in der Höhe schrumpfen, um die verwirbelungsfreie Umströmung über die gesamte Zuglänge zu erzielen“, erläutert Stefan Oelker. „Und der Fuhrunternehmer müsste bereit sein, auf Ladevolumen zugunsten von Aerodynamik zu verzichten.“

Für den Teardrop-Anhänger beziffert Hersteller Don-Bur die mögliche Verbrauchsersparnis gegenüber herkömmlichen Lastzügen auf bis zu 15 % (Quelle: Kurzanalyse Ressourceneffizienz in Handel und Logistik). DHL Freight berichtet aus seiner Praxiserfahrung aber nur von einem reduzierten Spritverbrauch zwischen 6 % und 10 %.

Gesetzliche und praktische Hürden

Wie wir gelernt haben, hängt der Unterschied zwischen den Einsparpotenzialen und den tatsächlich realisierten Absenkungen des Energieverbrauchs damit zusammen, dass aerodynamisch optimierte Lkw in vielen Ländern mit den gesetzlich vorgeschriebenen Begrenzungen der Fahrzeugmaße kollidieren.

2,30 m mehr Länge würden schon reichen“, hatte MAN bereits 2012 zur IAA verkündet. Dieses Plus benötige man beim Aero Liner „sowohl nach vorne, um die strömungsgünstige Fahrzeugfront mit abgerundetem Kühler realisieren zu können, als auch nach hinten, um den aerodynamischen Abschluss bei gleichbleibender Ladekapazität realisieren zu können“. Bisher hat die Politik die gesetzliche Längenbegrenzung aber nicht im Sinne von MAN und Krone verändert.

Während der gesetzliche Maximalwert für die Fahrzeuglänge grundsätzlich relativ einfach zu erhöhen wäre, gibt es bei der Fahrzeughöhe praktische Hürden, die sich kurzfristig nicht beseitigen lassen. Viele Brücken in Deutschland haben eben nur die minimal vorgeschriebene Höhe von 4,50 m. In England dagegen ist eine Durchfahrtshöhe von mindestens 5,03 m vorgeschrieben.

Beim Thema Aerodynamik erweisen sich diese baulichen Begebenheiten als klarer Vorteil. So können in England eben auch 4,90 m hohe Teardrop-Anhänger unterwegs sein. Das hat nicht nur Vorteile für die Laderaumkapazität: Mit einer größeren Maximalhöhe des Anhängers lässt sich auch ein größerer aerodynamischer Effekt erzielen.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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