
Das Projekt eHaul erprobt automatisierte Batteriewechselstationen für schwere E-Lkw.
E-Lkw: Automatischer Batteriewechsel
Baustofftransporte finden überwiegend auf der Straße statt. Der Fernverkehr mit Verbrennungsmotoren verursacht aber leider viele CO2-Emissonen. Eine Elektrifizierung wäre daher wünschenswert. Problem: Die meisten großen Lkw kommen für Distanzen zum Einsatz, die nicht mit einer Batterieladung zu bewältigen sind, und die Speditionen wollen nicht stundenlang auf das Aufladen warten. Ein aktuelles Forschungsprojekt erprobt daher eine Alternative: die Realisierung einer automatisierten Batteriewechselstation für schwere E-Lkw.
Der Straßen-Güterfernverkehr trägt erheblich zu dem immer noch wachsenden CO2-Austoß im Verkehrssektor bei. „Wenn es gelänge, hier bereits wenige Fahrzeuge zu elektrifizieren, hätte das durch die hohen Fahrleistungen einzelner Fahrzeuge bereits eine große absolute Wirkung“, betont Prof. Dr. Stefanie Marker, Leiterin des Fachgebiets Fahrerverhaltensbeobachtung für energetische Optimierung und Unfallvermeidung an der TU Berlin.
Forschungsprojekt eHaul
Um diesem Ziel praktisch näherzukommen, arbeiten die Wissenschaftlerin und ihr Team aktuell an dem Forschungsprojekt eHaul, das über drei Jahre bis Ende September 2023 laufen soll. Ziel ist die Realisierung eines vollautomatischen Batteriewechsels für schwere E-Lkw. Dafür wird im Süden Berlins eine neuartige Batteriewechselstation aufgebaut. Zwei am Projekt beteiligte Speditionen werden jeweils mit einem elektrifizierten Lkw ausgestattet und sollen die Batteriewechselstation ein Jahr lang im Rahmen ihres realen Lieferbetriebs nutzen.
„Da man die Batterie nicht endlos vergrößern kann, ohne gleichzeitig andere Verbrauchsfaktoren negativ zu beeinflussen, schauen wir uns die Option des Batteriewechsels an“, erklärt Jens-Olav Jerratsch, Teamleiter am Fachgebiet von Stefanie Marker und Projektleiter bei eHaul. Er fügt hinzu: „Eine weitere Möglichkeit wäre eine Schnellladefunktion, wie sie auch von Pkw genutzt wird. Für Lkw würde das aber zum einen eine sehr hohe Ladeleistung bedeuten – also eigentlich ein Kraftwerk neben der Ladestation –, wenn man bedenkt, dass im Regelbetrieb mehrere Lkw gleichzeitig geladen werden müssten“. Zum anderen wirke sich das Schnellladen negativ auf die Lebensdauer der Batterien aus.
Am Projekt eHaul beteiligt sich neben der federführenden TU Berlin auch das Fraunhofer Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI). Hinzu kommen weitere Partner aus den Bereichen Logistik, Systemtechnik, Software, Automobiltechnik und Energie. Insgesamt konnten für das Projekt rund 6,5 Mio. Euro akquiriert werden. Die Finanzierung erfolgt durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie aus Eigenmitteln der Partner.
Wechseln statt aufladen

Grafisches Grobkonzept der geplanten Wechselstation. Bild: TU Berlin/eHaul
Prof. Dr. Stefanie Marker forscht schon seit Längerem zum Thema energetische Optimierung elektrischer Fahrzeuge. Mit dem neuen Projekt nimmt sie sich nun die richtig schweren Lkw vor: Sattelzüge mit bis zu 40 Tonnen Gesamtgewicht. „Leider gibt es in dem Bereich noch nicht sehr viele elektrische Fahrzeuge im Einsatz, da diese in der Regel nur auf direkte Nachfrage angefertigt werden“, erklärt Marker. „Trotzdem ist es besonders sinnvoll, gerade auch in diesem Fahrzeugsegment die Möglichkeiten der Elektrifizierung der Flotte zu testen.“
Damit E-Lkw-Fahrer auf ihren Touren nicht so viel Zeit durch das langwierige Aufladen der Fahrzeugbatterie verlieren, wäre ein funktionierender Batteriewechselservice unter Umständen eine clevere Lösung. Am besten wäre natürlich ein flächendeckendes Netzwerk aus Batteriewechselstationen, die Lkw unterwegs wie herkömmliche Tankstellen anfahren können: einfach die leere durch eine geladene Batterie austauschen lassen – und weiter geht`s! Das klingt auf den ersten Blick nach einer genial einfachen Lösung. „In der Realität fehlt aber vor allem eine Machbarkeitsstudie“, sagt Projektleiter Jens-Olav Jerratsch. Doch damit beginnt ehaul ja nun.
Eigens entwickelter Wechselroboter
In der Teststation bei Berlin werden die beiden Test-Lkw nun also ein Jahr lang unter wissenschaftlicher Beobachtung den Batteriewechsel erproben. Ziel ist ausdrücklich ein vollautomatisierter Batteriewechsel. Dafür haben die Projektpartner eigens einen Wechselroboter entwickelt. Dieser soll eine entleerte Batterie in wenigen Minuten aus dem Fahrzeug entnehmen und gegen eine vollgeladene Batterie austauschen.
Jens-Olav Jerratsch: „Der Aufbau eines Netzwerks an Batterieladestationen könnte eine sinnvolle Alternative sein, aber dieser Ansatz birgt natürlich Herausforderungen. So werden wir uns damit beschäftigen, wie die Batterien am Lkw zu befestigen und kontaktieren sind, damit sie schnell und unkompliziert gewechselt werden können.“ Langfristig stelle zudem die Standardisierung der Wechselbatterien eine weitere Herausforderung dar. Nur so könnte man schließlich das Austauschprinzip künftig flächendeckend in der Praxis umsetzen. Nach Ansicht von Jerratsch wäre eine Standardisierung der Batterien für Lkw aber leichter zu realisieren als im Pkw-Bereich – aufgrund der eingeschränkten Modellvielfalt.
Technik und Wirtschaftlichkeit im Fokus
Die beiden Testfahrzeuge haben die Forschenden mit einer Vielzahl an Sensoren ausgestattet. Diese messen zum Beispiel den Energieverbrauch des Antriebs, die Beladung, das Wetter, das Höhenprofil der Route, den Nebenverbrauch wie Klimatisierung der Fahrkabine, aber auch die Energie, die verbraucht wird, um bestimmte Laderaumtemperaturen zu garantieren.
„Im Praxistest wollen wir dann ermitteln, ob große Wechselbatterie-E-Lkw mit bis zu 40 Tonnen tatsächlich eine sinnvolle Alternative auch im Bereich von Tagestouren über 300 Kilometer sind“, sagt Stefanie Marker. Neben der technischen Erprobung des vollautomatisierten Batteriewechsels geht es bei eHaul nämlich auch um die Untersuchung der Wirtschaftlichkeit des Modells. Ein Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines Geschäftsmodells für den Betrieb von Wechselstationen.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
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