
In Deutschland sind bisher nur wenige Brennstoffzellen-Stapler im Einsatz. Foto: Toyota Material Handling
Stapler mit Brennstoffzellenantrieb
Brennstoffzellen-Gabelstapler punkten mit emissionsfreiem Antrieb und minutenschnellem Ladevorgang. Obwohl es bereits serienreife Modelle gibt, fristet die Technologie in Deutschland aber noch ein Nischendasein. Doch aktuell scheint Bewegung in den Markt zu kommen. So hat Still gerade als erster europäischer Flurförderzeuge-Hersteller den Aufbau einer eigenen Brennstoffzellen-Fertigung angekündigt.
Beim Kauf von Gabelstaplern haben Unternehmen heute die Wahl zwischen unterschiedlichsten Antriebstechnologien. Klassische Flurförderzeuge mit Verbrennungsmotor laufen mittlerweile meist mit Dieselkraftstoff, kommen aber allenfalls noch im Außenbereich um Einsatz. Stapler mit Elektroantrieb dagegen haben im letzten Jahrzehnt massiv Marktanteile gewonnen. Die mit Blei-Säure- oder Lithium-Ionen-Batterien ausgestatteten Fahrzeuge haben sich zumindest im Innenbereich zum neuen Standard entwickelt. Daneben sind auch Stapler mit Hybridantrieb erhältlich – am häufigsten ist hier die Kombination aus dieselbetriebenem Verbrennungsmotor und Elektromotor.
Serienreife Alternative

Auch die Stapler der „Roadster“-Reihe gibt es seit 2019 mit Brennstoffzellenantrieb. Foto: Linde Material Handling
Was viele nicht wissen: Wer auf klimaschädliche Verbrennungsmotoren verzichten möchte, für den sind Elektro-Gabelstapler nicht die einzige Option. Auch Modelle mit Brennstoffzellenantrieb sind nämlich schon seit Längerem einsatztauglich. Anders als im Bereich von Lkw und Pkw hat sich die Technologie bei innerbetrieblich genutzten Flurförderzeugen zumindest als Nischenlösung etabliert.
Als Pionier in Sachen Stapler mit Brennstoffzelle sieht sich Linde Material Handling. „Wir waren 1997 die Ersten, die sich intensiv mit dieser vielversprechenden Technologie beschäftigt und erste Geräte 2010 in die Serienfertigung aufgenommen haben“, sagt Markus Weinberger, der bei dem Hersteller als „International Product Manager Energy Solutions“ tätig ist. Heute seien rund 80 % der Flurförderzeuge-Modelle von Linde auch mit Brennstoffzellenantrieb erhältlich – nicht nur klassische Gegengewichtstapler, sondern zum Beispiel auch Schubmaststapler, Niederhubwagen und Schlepper.
Die wasserstoffbetriebenen Linde-Flurförderzeuge lassen sich – so der Hersteller – innerhalb von nur drei Minuten voll betanken, und die Brennstoffzellen sollen eine Lebensdauer von durchschnittlich 10.000 Betriebsstunden haben. Werden die Brennstoffzellen mit reinem Wasserstoff betrieben, fällt als „Abgas“ lediglich Wasserdampf an. In der Brennstoffzelle nämlich reagieren Wasserstoff und Sauerstoff zu Strom, Wärme und Wasser.
„Fuel Cell ready“
Auch andere namhafte Hersteller haben schon Brennstoffzellen-Stapler im Angebot. Toyota Material Handling etwa wirbt damit, dass sogar bereits 90 % des eigenen Stapler-Portfolios mit Brennstoffzelle verfügbar seien. Bei deutschen Hersteller Still können die Kunden zumindest „ausgewählte Fahrzeuge“ ab Werk mit der Option „Fuel Cell ready“ bestellen. Damit sei das Fahrzeug für die Aufnahme einer bestimmten Brennstoffzelle vorbereitet.
Bei Still haben die Kunden also die Wahl, sich in einen neuen Stapler sofort eine Brennstoffzelle einbauen zu lassen oder das Flurförderzeug zunächst in der Elektrovariante mit Batteriebetrieb zu ordern. „Fuel Cell ready“ bedeutet hier, dass die Batterie zu einem späteren Zeitpunkt problemlos durch ein „Battery Replacement Module“ ersetzbar ist.
Ein solches BRM entspricht in Form, Größe und Gewicht einem bestimmten Batterie-Trog und beinhaltet als geschlossenes System alle notwendigen Komponenten zur Wasserstoff-Mobilität: von der Brennstoffzelle über den Wasserstofftank und den Tankstutzen bis hin zu einer Lithium-Ionen-Batterie als Energiespeicher.
Das vorhandene Angebot ist die eine Seite, die Nachfrage die andere. Während Brennstoffzellen-Stapler in Nordamerika schon seit Jahren relativ weit verbreitet sind, muss man sie in Deutschland und im übrigen Europa bisher mit der Lupe suchen. Auf der Website der Fachpublikation HZwei („Das Magazin für Wasserstoff und Brennstoffzellen“) findet sich die Information, dass Ende 2021 weltweit rund 40.000 Flurförderzeuge mit Wasserstoffantrieb in Betrieb waren – davon allerdings nur 600 in Europa.
Still mit eigener Brennstoffzellen-Fertigung
Auch beim deutschen Hersteller Still war die Brennstoffzelle bisher alles andere als ein „Megaseller“, sondern fristete im eigenen Stapler-Portfolio eher ein Nischendasein. Nicht zuletzt aufgrund der jüngsten Energiekrise scheint das Unternehmen nun aber bereit, die Technologie entschiedener nach vorne zu bringen.
Mitte September kündete das Unternehmen nämlich auf seiner Jahrespressekonferenz an, 2023 eine eigene 24-V-Brennstoffzelle für Lagertechnikfahrzeuge auf den Markt zu bringen. Produziert werden soll diese am Firmenstammsitz Hamburg. Damit wäre Still nach eigenen Angaben „der erste Originalgerätehersteller auf dem europäischen Markt mit einer eigenen Brennstoffzellen-Fertigung“. Man darf annehmen, dass diese Investition in nicht allzu ferner Zukunft auch einen neuen Anlauf bei der Markteinführung wasserstoffbetriebener Flurförderzeuge nach sich ziehen wird.
Wasserstoff-Infrastruktur entscheidend
Die Verfügbarkeit von Brennstoffzellen allein wird der Technologie allerdings kaum zum Marktdurchbruch verhelfen. Die Vorteile – emissionsfreier Antrieb, leiser Betrieb, viel schnellerer Ladevorgang als beim reinen Batterieantrieb – sind bisher weitgehend verpufft, weil Brennstoffzellen-Stapler bislang einfach noch sehr teuer sind und zudem kostspielige Startinvestitionen in die Wasserstoff-Infrastruktur notwendig machen. Da Flurförderzeuge in der Regel nur auf privaten Betriebsflächen unterwegs sind, liegt es nahe, dass interessierte Unternehmen dort ihre eigenen Wasserstofftankstellen einrichten.
Unter den heutigen Rahmenbedingungen bezeichnet der Wasserstoff-Pionier Linde Material Handling die Technologie übrigens erst dann als wirtschaftlich, wenn die Flurförderzeug-Flotte mindestens aus rund 20 Fahrzeugen besteht und eine Wasserstoffinfrastruktur zum Betanken bereits vorhandenen ist. Muss diese Infrastruktur noch geschaffen werden, sei die Wirtschaftlichkeit im Einzelfall zu prüfen.
Auf der anderen Seite gibt es mittlerweile aber auch vergleichsweise kostengünstige mobile Wasserstofftankstellen, die sich bereits beim Einsatz weniger Brennstoffzellen-Fahrzeuge lohnen sollen. Ein diesbezügliches Angebot bietet zum Beispiel die Westfalen-Gruppe (mehr Infos hier). Darüber hinaus können Unternehmen für Investitionen in Brennstoffzellen-Stapler beziehungsweise in die betriebseigene Wasserstoffinfrastruktur auch stattliche Fördergelder beantragen. Aktuelle Infos zu diesem Thema hat Toyota Material Handling in diesem Blog zusammengetragen.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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