
Auch Photovoltaikmodule auf Lagergebäuden sind ein Baustein „Grüner Logistik“. Foto: Baustoffzentrum Harbecke
Effizienter durch „Grüne Logistik“
Bis die Ware beim Endkunden angelangt ist, werden in vielen Branchen bereits massenhaft Ressourcen für Transport und Lagerung verbraucht. Für die Baustofflogistik mit ihren oft tonnenschweren Frachten gilt das allemal. Vieles davon ist sicher unvermeidlich, zugleich gibt es aber auch ungenutzte Einsparpotenziale bei Material und Energie. Zur „Grünen Logistik“ der Zukunft hat sich das VDI Zentrum Ressourceneffizienz in einer Kurzanalyse Gedanken gemacht.
Die Logistik rund um das Produkt verbraucht weit mehr Ressourcen, als zum Antrieb von Lastkraftwagen nötig sind. Schließlich müssen auch Lagerhallen und Regalsysteme bereitgehalten, Flurförderzeuge gekauft und betrieben sowie Verpackungen und Ladehilfsmittel eingesetzt werden. Alle diese Aspekte spielen eine Rolle in der rund 90-seitigen Kurzanalyse „Ressourceneffizienz in Handel und Logistik“, die das VDI Zentrum Ressourceneffizienz (VDI ZRE) im Auftrag des Bundesumweltministeriums erstellt hat.
Vielfältige Einsparpotenziale

Moderne Lang-Lkw ermöglichen effiziente Frachtbündelungen. Foto: Pixabay
Die im Juli 2020 veröffentlichte Publikation will Impulse geben für eine ressourceneffizientere Gestaltung von logistischen Geschäftsprozessen – hin zu einer „Grünen Logistik“. Um Potenziale für die Optimierung von Anlagen und Prozessen aufzuzeigen, wurde eine typische Versorgungskette untersucht. Diese beinhaltet sowohl die logistischen Prozesse von produzierenden Unternehmen als auch des Groß- und Einzelhandels. Außerdem wurden sowohl Prozesse zur Lagerung und Warenverteilung innerhalb von Unternehmen (Intralogistik) als auch der Warenaustausch mit anderen Unternehmen oder Endkunden betrachtet (Transportlogistik).
Die Kurzanalyse zeigt, dass die Einsparpotenziale bei Material und Energie sehr vielfältig sein können. So lassen sich beispielsweise Erfolge erzielen durch die Optimierung von Kraftfahrzeugen, Flurförderzeugen, Lagerflächen, Produktionstechniken und Verpackungen, aber auch durch moderne Tools wie Tourenplanungssoftware beziehungsweise generell durch eine konsequentere Digitalisierung und Automatisierung logistischer Prozesse.
Wenn die Autoren des VDI ZRE vom anzustrebenden Ziel einer Grünen Logistik sprechen, meinen sie damit die Realisierung umweltschonender Logistikdienstleistungen, die zu mehr ökologischer, aber zugleich auch zu mehr ökonomischer Effizienz führen. Hauptziele sind die Einsparung von Ressourcen (Rohstoffe und Energie) sowie eine bessere Umweltverträglichkeit durch verringerte Schadstoff-Emissionen.
Digitalisierung und Automatisierung
Anhand von Praxis- und Forschungsbeispielen veranschaulicht die Kurzanalyse, wie eine Grüne Logistik in Transport- und Intralogistik schon heute beziehungsweise in naher Zukunft konkret aussehen könnte. Darüber hinaus werden übergeordnete Strategien und Maßnahmen thematisiert – vor allem die Digitalisierung und Automatisierung von Logistikprozessen. Dieser Trend wird voraussichtlich entscheidend dazu beitragen, „grüne“ Materialeinsparungen und/oder geringere Energiebedarfe möglich zu machen.
Nach Ansicht der Autoren lassen sich Intralogistik-Prozesse schon heute erheblich effizienter ausführen, wenn Softwaresysteme wie ERP (Enterprise Resource Planning), WMS (Warehouse Management Systeme) oder Datenbanken genutzt und mit intralogistischen Anlagen wie etwa Hochregallager oder Fördertechnik gekoppelt werden. In der Kurzanalyse wird das Beispiel der Blechwarenfabrik Limburg genannt, wo ein Warehouse Management System sehr effektiv die Lagerbestände eines automatischen Hochregallagers verwaltet. Das dortige WMS weiß zu jedem Zeitpunkt, welche Ware sich auf welchem Ladungsträger befindet und steuert zudem alle Materialbewegungen mittels fahrerloser Transportsysteme.
ERP- und WMS-Systeme sind bereits heute weit verbreitet. Das VDI ZRE geht aber auch auf neue Technologien ein, welche die Logistik der Zukunft maßgeblich verändern könnten. Erwähnt werden hier beispielsweise die Lieferkettenüberwachung mittels Sensorik oder Drohnen, aber auch Techniken wie Blockchain und Augmented Reality (AR). So könnten Datenbrillen mit AR-Funktionen auch Einzug ins Lagerwesen erhalten. Lagermitarbeiter könnten beispielsweise Waren einfach „per Blick“ scannen oder über die Brille wichtige Informationen zu ihrer Arbeit erhalten – etwa den optimalen Weg zum gewünschten Artikel.
Optimierung der Intralogistik
Grüne Logistik betrifft auch Themen wie ressourcenschonende Logistikimmobilien, umweltfreundliche Lagerung oder Reduzierung von Lagerflächen. So wird in der Kurzanalyse beispielhaft ein Unternehmen vorgestellt, das sein Logistikzentrum als Plusenergiegebäude realisiert hat – unter anderem mithilfe von Dämmstoffen, gebäudeintegrierter Photovoltaik, einer thermischen Abtrennung von Lade- und Außenbereich, optimierter Tageslichtnutzung sowie mithilfe einer Heizungsanlage, deren Wärmeenergie in einem Biogaskessel entsteht, der mit Speiseresten betrieben wird.
Große Einsparpotenziale sehen die Autoren auch durch hocheffiziente Elektromotoren für Förderanlagen sowie durch moderne Techniken für möglichst reibungsarme Transportbänder. In Zukunft könnte zudem die vermehrte Nutzung fahrerloser Transportsysteme (FTS) in der Intralogistik dabei helfen, sowohl Transportschäden zu minimieren als auch Personalkosten einzusparen.
Darüber hinaus thematisiert das VDI ZRE auch, was nachhaltige, umweltfreundliche Transport- und Umverpackungen für die Grüne Logistik bedeuten. Dabei geht es neben der Wiederverwendung und dem Recycling von Verpackungsmaterial auch um Maßnahmen zur Verpackungsvermeidung beziehungsweise zur Verwendung von Verpackungen, die weniger schädlich sind.
Transportlogistik der Zukunft
Wie kann die Transportlogistik ressourceneffizienter und umweltschonender werden? Die Kurzanalyse nennt hier unter anderem Maßnahmen wie eine höhere Ladeflächenauslastung, Frachtbündelung, Vermeidung von Leerfahrten, optimierte Routenführungen durch automatische Planungssoftware und die Nutzung von Lang-Lkw. Auch Transportkooperationen zwischen zwei oder mehreren Unternehmen werden thematisiert und ihr Einsparpotenzial anhand eines Praxisversuchs aus der Automobilbranche illustriert.
Außerdem geht es um die Fahrzeugtechnik selbst. Alternative Antriebstechnologien für Lkw wie Elektromotoren, Hybridantriebe, Fahrzeuge mit Brennstoffzellen oder Gasmotoren werden natürlich thematisiert. Interessant sind aber auch die vorgestellten Beispiele aerodynamisch optimierter Transportfahrzeuge. Wir erfahren, dass der aerodynamische Widerstand einen Anteil von mehr als 20 % an den Gesamtenergieverlusten eines Lkw hat. Wer hätte das gedacht?
Truck Platooning und Drohnen

Transporte per Drohne versprechen Effizienz, stehen aber noch vor großen rechtlichen Hürden. Foto: Pixabay
Noch futuristischer wird es bei der Vorstellung des Konzepts „Truck Platooning“. Dabei fahren mehrere Lkw vollkommen autonom hintereinander in einem Konvoi. Nur das Führungsfahrzeug an der Spitze hat noch einen aktiv steuernden Fahrer, alle steuernden Funktionen der folgenden Fahrzeuge werden durch ein Fahrassistenzsystem übernommen. Die Folgefahrzeuge reagieren entsprechend dem Verhalten des Führungsfahrzeugs. Durch ihren geringen Abstand untereinander profitieren sie von einem reduzierten Luftwiderstand, was zu einem geringeren Kraftstoffverbrauch führt. Nach Aussagen der Kurzanalyse ist Truck Platooning rein technisch bereits heute möglich. Die praktische Anwendung ist bisher aber noch nicht erlaubt. Es fehlen europaweite Regulierungen, aber auch ein herstellerübergreifendes System.
Vor ähnlichen Problemen steht auch der Warentransport per Drohne. Auch wenn Paketdienstleister dies bereits seit einiger Zeit testen, scheint aus Sicherheitsgründen eine breite Anwendung zumindest für die nähere Zukunft unrealistisch. Einsparpotenziale im Sinne der Grünen Logistik sind allerdings vorhanden. Das zeigt ein genehmigtes Projekt im spanischen Martorell, das in der Kurzanalyse vorgestellt wird.
Dort geht es um eine SEAT-Produktionsstätte für Automobilteile , die seit Juli 2019 Teilelieferungen per Drohne erhält. Die fliegenden Kleintransporter bringen Lenkräder und Airbags aus einem 2 km entfernten Logistikzentrum in das Automobilwerk Martorell. Für die Auslieferung benötigen sie lediglich 15 Minuten, während der Transport per Lkw etwa 90 Minuten dauert. Außerdem sind die verwendeten Drohnen weitaus emissionsärmer. Sie werden mit regenerativ erzeugtem Strom angetrieben.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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