
Ausbildung im Homeoffice setzt Internet und digitale Arbeitsmittel voraus. Foto: Pixabay
Homeoffice in der Berufsausbildung?
Dürfen Jugendliche und junge Erwachsene, die sich in einer dualen Berufsausbildung befinden, grundsätzlich auch im Homeoffice beziehungsweise mobil arbeiten und lernen? Darüber bestand bislang Unsicherheit. Daher hat der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung nun in einer Empfehlung klargestellt, unter welchen Voraussetzungen die klassische Berufsausbildung in Präsenz durch planmäßiges „mobiles Ausbilden und Lernen“ ergänzt werden kann.
Laut § 14 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) hat das Ausbildungspersonal die Auszubildenden „selbst auszubilden oder einen Ausbilder oder eine Ausbilderin ausdrücklich damit zu beauftragen“. Das wurde bislang in der Regel so interpretiert, dass die duale Ausbildung üblicherweise im Betrieb stattfindet oder zumindest die gleichzeitige Anwesenheit von Ausbildungspersonal und Azubis an einem Ort voraussetzt.
Durch die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt und die seit Corona etablierte Homeoffice-Arbeit scheint die ausschließliche Präsenz-Ausbildung aber nicht mehr zeitgemäß – selbst in der dualen Berufsausbildung nicht. Wenn das Arbeiten von zuhause aus oder mobil in immer mehr Berufen zumindest zeitweise zum Normalfall wird, wäre es da nicht gut, den Ausbildungsnachwuchs frühzeitig auch mit diesen Arbeitsformen vertraut zu machen?
Um welche Arbeitsformen geht es?
Um ausbildenden Betrieben beim praktischen Umgang mit dieser Thematik eine konkrete Hilfestellung zu bieten, hat der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) die „Empfehlung zum planmäßigen mobilen Ausbilden und Lernen“ verabschiedet, die Mitte Juli im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde. Zum Hintergrund: Der Hauptausschuss hat die gesetzliche Aufgabe, die Bundesregierung in grundsätzlichen Fragen der Berufsbildung zu beraten. Er ist zu gleichen Teilen mit Beauftragten der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer, der Länder sowie des Bundes besetzt.
Der Hauptausschuss definiert Mobiles Ausbilden und Lernen wie folgt: „Mobiles Ausbilden und Lernen ist lernortunabhängiges und lernortübergreifendes Bearbeiten von betrieblichen Aufgaben zum Erwerb der beruflichen Handlungsfähigkeit. Dazu gehören selbstgesteuertes und selbstverantwortetes Lernen im Kontext einer strukturierten Ausbildung durch Nutzung digitaler Lern- und Kommunikationsmittel und Informationstechnik sowie Lernen in virtuellen Lernräumen, in denen die gemeinsame Vermittlung von Ausbildungsinhalten stattfindet.“
Diese Definition schließt auch das klassische Homeoffice mit ein. Während dieses aber in der Regel im eigenen Zuhause stattfindet, erfordert mobiles Ausbilden und Lernen grundsätzlich keinen festen Lernort. Vermittelt durch digitale Technik kann praktisch überall ausgebildet werden.
Kein Anspruch auf mobile Ausbildung

Mobiles Ausbilden ist lernortunabhängig. Foto: Pixabay
In der Empfehlung wird betont, dass die duale Berufsausbildung auch weiterhin unter Beachtung aller rechtlichen Regelungen grundsätzlich in Präsenz stattfinden sollte. Dies könne aber durch Formen des mobilen Ausbildens und Lernens unterstützt werden.
Eine Pflicht des Betriebes, mobile Ausbildung anzubieten, und einen Anspruch der Auszubildenden auf mobile Ausbildung gebe es jedoch nicht. In der Empfehlung ist sogar von einer „doppelten Freiwilligkeit“ die Rede. Den Betrieben steht es frei, mobiles Ausbilden und Lernen anzubieten oder auch nicht, umgekehrt haben aber auch die Azubis die Freiheit, ein entsprechendes Angebot abzulehnen.
BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser begrüßt die Verabschiedung der neuen Empfehlung: „Nicht zuletzt werden die Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf diese Weise schon während ihrer Ausbildung besser auf das vorbereitet, was sie später als ausgebildete Fachkraft in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt ohnehin beachten, beherrschen und umsetzen müssen.“
Bei Einhaltung klarer Absprachen und Regelungen könne mobiles Ausbilden und Lernen dazu beitragen, die duale Ausbildung noch besser an die heutigen betrieblichen Erfordernisse und Prozessabläufe anzupassen. Das Bundesinstitut für Berufsbildung selbst werde als engagierter Ausbildungsbetrieb die Empfehlung ebenfalls umsetzen – so Esser weiter.
Voraussetzungen müssen stimmen
Entscheidet sich ein Betrieb, mobiles Ausbilden und Lernen anzubieten, so hat er nach der Empfehlung des BIBB-Hauptausschusses auch die Pflicht sicherzustellen, dass die dafür erforderlichen Lehrmittel sowie die technische Infrastruktur vorhanden sind und das Ausbildungspersonal über die notwendigen Kompetenzen zur Durchführung mobiler Ausbildungsphasen verfügt. Ferner liege es im Verantwortungsbereich des Betriebs, dafür Sorge zu tragen, dass die gesetzlichen und betrieblichen Vorschriften zum Datenschutz und zur Datensicherheit bekannt sind und beachtet werden.
Um es noch einmal zu betonen: Mobiles Arbeiten und Lernen soll auch künftig nicht Normalfall der dualen Ausbildung sein. Während der Probe- und Einarbeitungszeit rät der BIBB-Hauptausschuss sogar komplett davon ab. In dieser Zeit sollen die betrieblichen Ausbilder ihre neuen Azubis erst einmal genauer kennenlernen, um anschließend einschätzen zu können, wer von ihnen für das mobile Ausbilden überhaupt in Frage kommt. Als notwendige persönliche Eigenschaften werden in der Empfehlung unter anderem Zuverlässigkeit, Motivation und Selbstorganisation genannt.
Ebenso vorab zu klären ist die Frage, ob die Azubis für das Ausbilden und Lernen im Homeoffice überhaupt auf eine geeignete Internetverbindung zurückgreifen können beziehungsweise ob die räumlichen und/oder familiären Gegebenheiten ein ungestörtes Lernen und Arbeiten überhaupt zulassen.
Isolation vermeiden
Ganz wichtig war es dem BIBB-Hauptausschuss klarzumachen, dass mobiles Ausbilden nicht zur Isolation der Azubis führen darf. Regelmäßige Gespräche mit dem Ausbildungspersonal – sowohl virtuell als auch in Präsenz – werden dringend empfohlen. „Das Ausbildungspersonal leitet und begleitet auch beim mobilen Ausbilden die Lernprozesse, formuliert sehr klare Lernziele und kontrolliert die Lernstände“, heißt es in der Empfehlung. Auch der Austausch mit weiteren Kolleginnen und Kollegen müsse kontinuierlich aufrechterhalten werden, um soziale Kontakte und den Teamgedanken nicht zu gefährden.
Werden alle Empfehlungen des Hauptausschusses beachtet, sieht das BIBB in den neuen technologischen Möglichkeiten aber offenbar vor allem Vorteile für Ausbildungsbetriebe und Azubis: „Die Möglichkeit, in der Ausbildung mobil arbeiten und lernen zu können, bedeutet einen Attraktivitätsschub für die berufliche Bildung, weil diese Form des Arbeitens und Lernens auch den Wünschen vieler Auszubildender entgegenkommt“, findet BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
Fast die Hälfte aller Gymnasiasten beginnt mittlerweile nach dem Abitur zunächst einmal kein Studium, sondern eine duale oder schulische Berufsausbildung....
mehr »
Viele kleinere Unternehmen haben keine Azubis. Die Gründe dafür sind vielfältig. Häufig wollen die Betriebe ausbilden, finden aber keine geeigneten...
mehr »
Für jungen Menschen mit schlechten Startchancen, die Schwierigkeiten haben, einen Ausbildungsplatz zu finden, gibt es ein neues Förderinstrument: die so...
mehr »