
Der MCS-Standard erlaubt schon heute hohe Ladeleistungen und wird nun weiter optimiert. Fotos (2): MAN Truck & Bus
Elektro-Lkw: Laden in 15 Minuten?
Während die Elektromobilität im Pkw-Bereich langsam auf dem Vormarsch scheint, ist die Akzeptanz für E-Lkw noch sehr gering. Hauptproblem der elektrischen Schwerlastlogistik sind die zu langen Ladezeiten. Im NEFTON-Konsortium arbeiten Wissenschaft und Industrie daher an einer drastischen Erhöhung der Ladegeschwindigkeit. Ziel sind nur 15 Minuten Ladezeit für einen Lkw-Akku.
Erst durch kurze Ladezeiten wird der Durchbruch des E-Lkw in der Logistikbranche realistisch. Die Entwicklung entsprechender elektrischer Antriebe steht daher seit Jahren im Fokus. Mit ersten Erfolgen: Nach Angaben des NEFTON-Konsortiums könnten Ladeleistungen von bis zu einem Megawatt bereits ab 2024 neuer Standard sein. Mit einem Megawatt Ladeleistung ließen sich Lkw-Akkus in 45 Minuten vollständig aufladen. Das entspricht exakt der Zeitspanne der vorgeschriebenen Lenkpause, die nach 4,5 Stunden Lenkzeit ohnehin gesetzlich vorgeschrieben ist.
Mit einem vollen Akku kommen die Fahrzeuge – je nach Modell, Akkukapazität und Fahrstil – zwischen 300 und 500 Kilometer weit. Angesichts der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h schafft ein Lkw nach 4,5 Stunden allerdings im besten Fall eine Fahrtstrecke von 360 km. Beim heutigen Stand der Akku-Technik sind deshalb auf langen Strecken meist weitere Ladestopps notwendig – also zusätzlich zu den vorgeschriebenen Lenkpausen. Nicht zuletzt deshalb verzichten Logistikunternehmen bei Langstrecken bisher noch meist auf den Einsatz von Elektro-Lkw.
Technologisches Neuland
„Ein Megawatt Ladeleistung lässt sich schon gut mit den Fahrzeugen und der Ladetechnik in naher Zukunft umsetzen, das wird jedoch für eine schnelle Integration der batterieelektrischen Nutzfahrzeuge im großen Maßstab nicht reichen“, sagt Prof. Markus Lienkamp vom Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik an der Technischen Universität München (TUM), die beim NEFTON-Konsortium die Projektleitung innehat. „Bei drei Megawatt erreichen wir Ladezeiten von etwa 15 Minuten, sodass ein Zwischenladen kaum noch zu Einschränkungen führen wird“, erläutert der Professor weiter. „Technologisch gesehen betreten wir hier allerdings völliges Neuland.“
Trotzdem haben sich die Technische Universität und ihre Partner fest vorgenommen, die Technologie schrittweise auf bis zu drei Megawatt Ladeleistung voranzutreiben. „Eine Verdreifachung des Ladestroms verringert auch die Ladezeit unter idealen Bedingungen um den Faktor drei“, erläutert Maximilian Zähringer, Projektleiter auf Seiten der TUM. „Lkw lassen sich somit auch während des Beladevorgangs an der Rampe des Warenlagers wieder aufladen. Das spart den zusätzlichen Ladestopp.“
Die Abkürzung NEFTON steht übrigens für „Nutzfahrzeug-Elektrifizierung für Transportsektor-optimierte Netzanbindung“. Neben der TUM beteiligen sich auf Wissenschaftsseite auch die Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V., die Technische Hochschule Deggendorf und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme am Projekt. Als Industriepartner sind der Fahrzeughersteller MAN Truck & Bus SE, die AVL Software and Functions GmbH (Antriebssysteme) und die PRETTL Electronics GmbH (Leistungselektronik) dabei.
Drei Megawatt Ladeleistung angestrebt

Erst durch kurze Ladezeiten wird der Durchbruch des E-Lkw in der Logistik realistisch.
Um das ambitionierte Ziel zu erreichen, wurde im Rahmen des Forschungsprojekts ein Prüfstand für deutlich höhere Ladeströme in Betrieb genommen. Dieser erlaubt die Abbildung aller Komponenten – von der Ladesäule und deren Netzanbindung über den Ladestecker bis hin zum Akku im Fahrzeug. Prüfbedarf besteht noch jede Menge. Erforscht werden zum Beispiel spezielle „Stromschienen“ sowie mit Kühlmittel durchflossene oder umströmte Leiter.
Hintergrund: Hohe Stromstärken von mehr als 2.000 Ampere lassen sich im Automobilbereich nicht mehr durch klassische Kabel transportieren, da die Kühlung hier eine große Herausforderung darstellt. Bei der angestrebten Ladeleistung von drei Megawatt hätte man es mit einer Stromstärke von 3.000 Ampere bei 800 Volt Betriebsspannung zu tun. Angesichts solcher Werte ist bei einigen Ladekomponenten ein vollständiger Wechsel der Technologie notwendig.
Auch die Art der Absicherung im Falle einer Störung wird im Rahmen des Forschungsprojekts untersucht. Bislang arbeitet man hier mit mechanischen Schaltern, über die sich der Stromkreis im Notfall trennen lässt. Bei drei Megawatt Ladeleistung reichen solche Schalter aber nicht mehr aus, weshalb auch Halbleiter-Technologie Teil der Forschung sein wird.
„Das Laden mit drei Megawatt hat direkte Auswirkungen auf das Fahrzeug, die Ladetechnik und das gesamte Stromnetz“, erläutert Malte Jaensch vom Lehrstuhl für Nachhaltige Mobile Antriebssysteme der TUM. „Wir werden für viele Komponenten entlang des Ladepfads neue Technologien einsetzen. In einigen Bereichen wissen wir heute noch gar nicht, wie diese aussehen werden. Hier bietet der neue Prüfstand ideale Bedingungen für die Entwicklung und Optimierung.“
Weiterentwicklung des MCS-Standards
Bei der Entwicklung der Drei-Megawatt-Lösung beginnen die Projektpartner aber nicht bei null. Das NEFTON-Projekt beschäftigt sich bereits seit 2021 mit batterieelektrischen Lkw und hat bereits den „Megawatt Charging System-Standard“ (MCS) entwickelt. Dieser beinhaltet eine Ladetechnik bis ein Megawatt Ladeleistung und dazu passende Fahrzeugkomponenten. Mit der nächsten Stufe des Projekts soll MCS nun weiterentwickelt werden.
Das MCS-System wurde übrigens bewusst bidirektional ausgelegt: Die damit ausgestatteten Lkw können daher im Stand auch als Energiespeicher für Strom aus erneuerbaren Quellen wie beispielsweise Windkraftanlagen dienen. Eine solche Zwischenspeicherung und spätere Abgabe von Strom könnte künftig auch bei Bedarfsspitzen auch zu einem stabilen Stromnetz beitragen.
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