
Odyn transportiert hohe Lasten schnell, autonom und äußerst beweglich. Foto: Fraunhofer IML
Palettentransport per Roboter
Das Fraunhofer IML hat auf der diesjährigen Messe LogiMAT in Stuttgart ein fahrerloses Transportfahrzeug vorgestellt, das die Zukunft der Baustofflogistik verändern könnte: Der autonome Transportroboter „Odyn“ automatisiert den Transport von Paletten. Dank künstlicher Intelligenz und omnidirektionalem Fahrwerk gelingt das nicht nur in vordefinierten räumlichen Grenzen, wie zum Beispiel in einer Lagerhalle, sondern auch im Outdoor-Bereich.
Das 450 kg schwere Roboterfahrzeug kann bis zu 350 kg schwere Palettenfrachten aufnehmen und sie komplett autonom – also ohne Fahrpersonal – mit einer Geschwindigkeit bis zu maximal 36 km/h an jeden beliebigen Ort transportieren. Das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (Fraunhofer IML) will das innovative Fahrzeugkonzept in den nächsten Jahren weiter optimieren. Das dreijährige Projekt wird mit rund 25 Mio. Euro vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert.
Omnidirektionales Fahrwerk

Die vier Mecanum-Räder erlauben Bewegungen in alle beliebigen Richtungen. Foto: Fraunhofer IML/ Michael Neuhaus
Odyn verfügt über ein omnidirektionales Fahrwerk, dessen vier Allseitenräder Bewegungen in alle beliebigen Richtungen erlauben – selbst in Richtung der Radachsen. Zum Einsatz kamen so genannte Mecanum-Räder. Diese haben keine normalen Reifen, stattdessen sind auf ihren Felgen mehrere drehbare Rollen angeordnet. Der Antrieb erfolgt über vier Elektromotoren.
Damit der Palettenroboter überall problemlos fahren kann, haben die Forschenden des Fraunhofer IML die omnidirektionalen Mecanum-Räder mit einer Luftfederung kombiniert. Das ermöglicht einen sicheren, lastunabhängigen Radlauf auch auf unebenem Untergrund. Das Fahrwerk passt sich an mögliche Bodenunebenheiten im Außenbereich an. Mithilfe der Luftfederung wird zugleich die Ladung geschont.
Zur Aufnahme von Paletten lässt sich das gesamte Fahrzeug absenken. Auch dies geschieht unter Zuhilfenahme des Luftfahrwerks. Die Ladungssicherung erfolgt über Klinken, die von außen zwischen die Palettenklötze einfahren und diese festhalten. Somit kann die Palette beim Transport nicht herausrutschen. Wem die Beschreibung der Funktionen an dieser Stelle zu theoretisch ist, der kann sich Odyn übrigens auch in Aktion ansehen. Das Fraunhofer IML bietet zu diesem Zweck ein rund einminütiges Demonstrationsvideo (Direktlink zum Youtube-Video).
Das Bremssystem des Transportroboters besteht aus einer elektrischen Betriebsbremse und einer Notbremse, die mit verschleißenden Bremsplatten unter dem Rahmen arbeitet. Bei einer Notbremsung werden die Luftventile des Fahrwerks geöffnet. Das Fahrzeug senkt sich dann sehr schnell auf die Bremsplatten und kommt so im Notfall sicher zum Stillstand.
Autonom – schnell – beweglich

Anfang Juni wurde der Palettenroboter auf der LogiMAT 2022 präsentiert. Foto: Fraunhofer IML
Die meisten bisher im Logistikbereich eingesetzten fahrerlosen Transportsysteme sind weitaus weniger flexibel als Odyn. Oft werden sie entweder für den Innen- oder den Außenbereich konzipiert. In Bereichen mit erhöhter Kollisionsgefahr funktionieren sie vielfach nur bei stark gedrosselter Transportgeschwindigkeit. Odyn dagegen vereint nach Angaben der Fraunhofer-Entwickler verschiedene Eigenschaften in einem Produkt, für die es bisher nur separate Lösungen gab.
Der Transportroboter fährt absolut autonom, lässt sich sowohl im Innen- als auch im Außenbereich einsetzen und erledigt seine Aufgaben zudem mit vergleichsweise hoher Geschwindigkeit, wobei er dank allseitiger Beweglichkeit und ausgeklügelter Steuerung auch bei engen Platzverhältnissen gut zurechtkommt. „Mit Odyn sind wir dem Ziel, das vielzitierte Datengold zu heben und die richtigen Algorithmen an den Start zu bringen, wieder ein Stückchen nähergekommen“, findet Prof. Michael ten Hompel, geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer IML.
Bei der Entwicklung des Palettenroboters setzte das Fraunhofer IML übrigens ein Verfahren der simulationsbasierten künstlichen Intelligenz ein. Dadurch lassen sich Entwicklungszeiten stark reduzieren, weil man Prototypen bereits in der digitalen Realität testen kann, bevor sie tatsächlich gebaut werden.
Komplexe Lokalisierungsalgorithmen
Eine große Herausforderung bestand darin, Odyn die übergangslose Navigation zwischen Indoor- und Outdoorbereich beizubringen. Dabei setzten die Forschenden auf umgebungs- und funkbasierte Lokalisierungsalgorithmen. Die erforderlichen Daten zur eigenen Ortung und zur Umgebungserkennung erhält das Fahrzeug durch ein kombiniertes System aus 3D-Kameras, satellitengestütztem Differential-GPS und so genannten Lidar-Scannern. Letzteres sind dreidimensionale Laserscanner, mit denen Odyn optische Abstands- und Geschwindigkeitsmessungen durchführen kann.
Die größte Schwierigkeit, vor der die Forschenden zurzeit noch stehen, ist die Sicherheit im autonomen Betrieb. „Wie die Automobilindustrie müssen auch wir Lösungen finden, um eine sichere autonome Fahrt im öffentlichen Raum sicherzustellen – mit allen Unvorhersehbarkeiten wie plötzlich auftauchende Hindernisse auf dem Fahrweg“, erläutert Guido Follert, Abteilungsleiter Maschinen und Anlagen am Fraunhofer IML. „Hier liegt noch ein Stückchen Arbeit vor uns.“
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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