RM Rudolf Müller
Schematische Darstellung eines mit Aufdach-Modulen bestückten Kühlkoffer-Lkw.

Schematische Darstellung eines mit Aufdach-Modulen bestückten Kühlkoffer-Lkw.

Arbeitsalltag
01. September 2020 | Artikel teilen Artikel teilen

Photovoltaik für Elektro-Lkw

Nutzfahrzeuge zur Güterbeförderung wie Lastkraftwagen und Zugmaschinen werden bisher noch selten mit Elektromotoren betrieben. Laut Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes waren Anfang 2019 in Deutschland nur 17.598 Elektro-Lkw zugelassen. Angesichts des politisch gewollten Abschieds vom Verbrennungsmotor werden die Zahlen aber sicher steigen. Am Fraunhofer ISE denkt man schon einen Schritt weiter und entwickelt Photovoltaikmodule zur Stromgewinnung während der Fahrt.

„Auf Lkw findet sich viel Platz in bester Sonnenlage, bei elektrischem Antrieb sind auch große Batterien verfügbar – eine ideale Situation, um mit Photovoltaik wertvolle on-board-Energie und damit Reichweite zu gewinnen, und das 100 % erneuerbar“, erklärt Dr. Harry Wirth, Bereichsleiter Photovoltaik-Module und Kraftwerke am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (Fraunhofer ISE). Nach Ansicht des Instituts könnte direkt am Fahrzeug produzierter Solarstrom die CO2-Bilanz von Schwerlastfahrzeugen um 5 bis 7 % verbessern.

„Wir wollen die Technologie nicht nur entwickeln, sondern auch zeigen, dass Lkw über 5 % ihrer Antriebsenergie durch Solarenergie abdecken können“, erläutert Christoph Kutter. Nach Angaben des Projektleiters am Fraunhofer ISE sind so 4.000 bis 6.000 Kilometer zusätzliche Reichweite pro Jahr rechnerisch möglich. PV-Module am Lkw würden sich daher für Hersteller und Betreiber solarer E-Nutzfahrzeuge lohnen.

Projekt Lade-PV

Kleiner E-Lkw mit vollintegrierten Solarzellen. Foto: Fraunhofer ISE

Kleiner E-Lkw mit vollintegrierten Solarzellen. Foto: Fraunhofer ISE

Im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie haben daher im Juli 2019 zwei Fraunhofer-Institute und vier Industrieunternehmen das Projekt Lade-PV („Entwicklung von fahrzeugintegrierter Photovoltaik für das On-Board-Laden von Elektro-Nutzfahrzeugen“) unter Leitung des Fraunhofer ISE gestartet. Bis Juni 2022 wollen die Partner ein Gesamtkonzept entwickeln, das den flächendeckenden Einsatz von integrierten PV-Modulen an Elektro- und anderen Nutzfahrzeugen mit mehr als 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht ermöglicht. Dafür will man auch ganz konkret PV-Module entwickeln und diese an Demonstrationsfahrzeugen erproben.

Die Anforderungen an die geplanten PV-Leichtbaumodule sind hoch. Die VIPV-Module (Vehicle Integrated PV) sollen montagefreundlich, vibrationsstabil, scher- und biegeresistent sein sowie pro Quadratmeter Lkw-Fläche maximal 2,6 kg wiegen. Das geringe Gewicht ist wichtig, denn die für PV-Module nutzbaren Lkw-Flächen will man möglichst vollständig belegen. Erklärtes Ziel des Projekts Lade-PV ist es, einen Flächennutzungsgrad von mehr als 90 % zu erreichen. Trotz der hohen Anforderungen sollen die für Lkw optimierten Module nicht teurer oder sogar günstiger als Standard-PV-Module sein.

Geplant sind leichte und robuste PV-Module für Lkw mit Kofferbau – also für Nutzfahrzeuge mit geschlossenem Laderaum, der über feste Wände und ein festes Dach verfügt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer ISE entwickeln dafür zwei Varianten: Module für die nachträgliche Aufdachmontage und Module, die von Anfang an in den Fahrzeugkoffer integriert werden. Das Konzept für die Nachrüstung von Kofferaufbauten wird sich nicht nur mit der Modulentwicklung, sondern auch mit der Kabelführung und der Einbettung der Leistungselektronik befassen.

Vier Industriepartner

Die Modul-Prototypen werden beim Projektpartner Sunset Energietechnik GmbH hergestellt. Der deutsche Solarmodulhersteller rüstet dafür eine bestehende Produktionslinie um. Integriert werden sollen die Module dann in Kofferaufbauten des ebenfalls deutschen Herstellers TBV Kühlfahrzeuge GmbH.

Für die Anbindung der Solarmodule an bestehende elektrische Bussysteme von Nutzfahrzeugen arbeitet das Fraunhofer ISE mit dem Projektpartner M&P motion control and power electronics GmbH zusammen. Die Dresdener Firma wird entsprechende Leistungselektronikkomponenten entwickeln und für den Einsatz an den Demofahrzeugen zertifizieren. Aufgrund des begrenzten Bauraums und der Gewichtsanforderungen sollen hier neue Halbleitertechnologien zum Einsatz kommen, die mit hohen Taktfrequenzen arbeiten und dadurch kleiner ausgeführt werden können.

Der vierte Industriepartner des Projekts ist der Technologiedienstleister Alexander Bürkle GmbH & Co. KG. Er wird ein vom Fraunhofer ISE mit Solarmodulen ausgestattetes Demonstrationsfahrzeug – ein E-Lkw des sächsischen Herstellers Framo – im täglichen Betrieb rund um Freiburg testen. Bei diesem Test geht es darum, Leistungsentwicklung und Stabilität der Module unter realen Bedingungen zu überprüfen und das Sonneneinstrahlungspotenzial unterschiedlicher Routen zu erheben.

Das Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI schließlich wird für das Demonstrationsfahrzeug ein Energieprognosemodell entwickeln. Dieses Modell soll die Reichweite, Ladezeiten und Stromerzeugung des Fahrzeugs prognostizieren – abhängig von den Energieverbrauchern im Fahrzeug und der PV-Stromerzeugung.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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