
Baustoff-Fachhändler gewähren ihren Profi-Kunden oft lange Zahlungsfristen. Foto: Eurobaustoff
Warenkreditfunktion des Fachhandels
Der Baustoff-Fachhandel ist für viele Handwerkerkunden wie eine Bank, die ihnen Kredit gewährt. Allerdings geht es dabei nicht um Geld-, sondern um Warenkredite. Die Verarbeiter beziehen Baustoffe für einen geplanten Auftrag, bezahlen diese aber erst Wochen später, wenn sie die Waren bereits verbaut haben. Sie tun dies mit Einverständnis des Händlers. Für den ist die Warenkreditfunktion nicht zuletzt ein Instrument zur Kundenbindung – ein Service, der aber auch Risiken beinhaltet.
Warenkredite werden auch Lieferantenkredite genannt. Für den Bauhandwerker haben sie den Vorteil, dass er bei seinen Materialkosten nicht in Vorleistung gehen muss. Im Idealfall zahlt er erst, wenn das Bauprojekt abgeschlossen ist, für das er die Baustoffe bezogen hat. Warenkredite gibt es übrigens nicht nur in der Baustoffbranche. Das Phänomen findet man auch anderswo bei Geschäften zwischen Unternehmen.
Notwendige Vorfinanzierung

Dirk Hannemann ist Kundenbetreuer bei der Eurobaustoff Versicherungsmakler GmbH. Foto: Eurobaustoff
Aber warum sind Warenkredite im Baustoff-Fachhandel so häufig? „Weil hier die Wertschöpfungskette mit dem Kauf der Materialen noch nicht beendet ist“, erläutert Dirk Hannemann, Kundenbetreuer bei der Eurobaustoff Versicherungsmakler GmbH. „Meist werden die Baustoffe erst in den jeweiligen Projekten und Gewerken verbaut, bevor sie der Handwerker seinem Auftraggeber in Rechnung stellen kann. Erst durch die Bezahlung des Handwerkers ist dieser selbst in der Regel in der Lage, revolvierend auch den Lieferanten zu bezahlen“.
Für den Händler ist die Gewährung von Warenkrediten einerseits Notwendigkeit, andererseits Kalkül. Viele Verarbeiter haben gar nicht die nötige Liquidität, um die Materialien immer selbst vorzufinanzieren. Hier ist die Warenkreditfunktion des Fachhandels notwendig. Alternativ müsste der Händler auf den Kunden verzichten. Andererseits kann er den Warenkredit-Service auch aktiv nutzen, um Bestandskunden zu binden und neue Kunden anzulocken. Viele Profi-Kunden kaufen auch deshalb treu bei „ihrem“ Fachhändler, weil dieser ihnen eine relativ lange Zahlungsfrist einräumt.
Großzügige Zahlungsziele
Wenn ein Handwerker Baustoffe im Fachhandel bestellt, erhält er eine Rechnung mit einem Zahlungsziel, das meist bei 30 Tagen liegt. Der Händler kann seinem Kunden aber auch ein Zahlungsziel von 60 Tagen oder sogar noch mehr einräumen. Das ist seiner freien Entscheidung überlassen. Dabei sollte er natürlich seine eigene Liquidität stets im Auge behalten und vorab prüfen, wie lange er tatsächlich auf Einnahmen durch die Bezahlung von Waren verzichten kann. Schließlich muss er ja selbst den Einkaufspreis der veräußerten Baustoffe gegenüber seinen Industrielieferanten begleichen.
Der Handwerker jedenfalls braucht die Materialien erst dann zu bezahlen, wenn das eingeräumte Zahlungsziel abläuft. Für diesen Warenkredit muss er nicht einmal Zinsen bezahlen. Zumindest nicht direkt. Er verzichtet allerdings auf den so genannten Skonto. Darunter versteht man einen nachträglichen Preisnachlass auf den Rechnungsbetrag, wenn der Kunde die Rechnung früher bezahlt als er muss.
Skontoverzicht
Im Kaufvertrag steht nämlich neben dem Zahlungsziel (zum Beispiel 30 Tage) in der Regel auch, dass sich der Kaufpreis um einen bestimmten Prozentsatz vermindert, wenn der Kunde bereits früher – zum Beispiel innerhalb von zehn oder 14 Tagen – die Rechnung bezahlt. Der vom Händler eingeräumte Skontosatz liegt in der Regel zwischen 2 und 3 %, manchmal auch darüber.
Die Skontopraxis zeigt, dass der Handel trotz grundsätzlicher Bereitschaft zu langen Zahlungszielen grundsätzlich natürlich daran interessiert ist, sein Geld so früh wie möglich zu erhalten. Mit dem Skonto-Anreiz motiviert er den Profikunden, das Zahlungsziel – wenn möglich – nicht auszureizen. „Das Zahlverhalten hängt selbstverständlich von der Liquidität des Abnehmers ab – kann er Skontoerträge generieren, wird er dies tun“, sagt der Eurobaustoff-Fachmann Dirk Hannemann.
In Zeiten niedriger Kreditzinsen kann es für den Handwerker sogar finanziell vorteilhafter sein, die Waren unter Skonto-Nutzung bereits früher zu bezahlen und den Einkauf mithilfe eines kurzfristigen Bankkredits selbst vorzufinanzieren.
Warenkreditversicherungen

Für die Materialien aus dem Baustoff-Fachhandel muss der Handwerker erst zahlen, wenn das eingeräumte Zahlungsziel abläuft. Foto: Eurobaustoff
Letztlich geht der Fachhändler immer ein gewisses Risiko ein, wenn er auf Sofortzahlung verzichtet und Warenkredite einräumt. Im schlimmsten Fall kann der Kunde auch nach Ablauf der Zahlungsziel-Frist nicht zahlen und die Baustoffe sind bereits verbaut, sodass eine Rückgabe unmöglich ist.
Dann bleibt der Händler auf den Kosten sitzen. Er muss die Ware bei seinem Lieferanten bezahlen, während die Refinanzierung durch den Endkunden entfällt. Handelt es sich um eine große Baustofflieferung, kann aus einem ärgerlichen Forderungsausfall auch schnell eine kritische Situation werden, die das Handelsunternehmen selbst in existenzielle Nöte bringt.
Wie kann sich der Fachhändler davor schützen, dass er für ausgelieferte Ware am Ende kein Geld erhält? „Wird Ware auf Rechnung gegen Zahlungsziel verkauft, bietet sich der Abschluss einer Warenkreditversicherung an“, erläutert Dirk Hannemann. „Hierbei sind Forderungen gegen den Abnehmer, unter anderem für den Fall der Zahlungsunfähigkeit (Insolvenz), abgesichert.“
Es versteht sich von selbst, dass solche Forderungsausfallversicherungen nicht kostenlos sind. Der Händler muss eine jährliche Versicherungsprämie zahlen, zudem übernimmt die Versicherung bei Zahlungsunfähigkeit des Kunden meist nicht die gesamte Ausfallsumme. In der Regel sehen die Verträge eine Selbstbeteiligung des Versicherungsnehmers vor. Unterm Strich bleibt es für jeden Baustoff-Fachhändler eine Frage der Abwägung, ob er sich eine Warenkreditversicherung leisten möchte. Vor allem bei einer größeren Abhängigkeit von wenigen Kunden, kann eine solche Investition durchaus sinnvoll sein.
Factoring-Dienstleistungen
Eine besondere Form der Warenkreditversicherung ist das so genannte Factoring, das von Banken oder spezialisierten Finanzdienstleistern angeboten wird. Händler haben dabei die Möglichkeit, ausstehende Rechnungen an den Factoring-Anbieter zu verkaufen. „Factoring kann durchaus Vorteile bieten“, urteilt der Kundenbetreuer der Eurobaustoff Versicherungsmakler GmbH. Dirk Hannemann: „Ein wesentlicher Vorteil ist die sofortige Liquidität. Das Factoring-Unternehmen zahlt meist innerhalb von 24 Stunden bis zu 100 % des Rechnungsbetrages an den Rechnungsinhaber aus.“
Der Factoring-Anbieter übernimmt in der Folge das Forderungsmanagement gegenüber dem Handwerker-Kunden und trägt bei vielen Vertragsmodellen auch das volle Risiko eines Forderungsausfalls. Natürlich übernimmt er dieses Risiko nicht zum Nulltarif. Auch für den Factoring-Service muss der Händler Gebühren zahlen.
Auf der anderen Seite kann der Händler dank verbesserter Liquidität natürlich auch seine eigenen Verbindlichkeiten – zum Beispiel gegenüber der Industrie – schneller bedienen und dabei möglicherweise selbst Skonti oder Rabatte auf der Lieferantenseite nutzen. „Vielfach gewähren Lieferanten bei zügiger Zahlung Preisnachlässe in Höhe von 2 bis 5 %“, erläutert Dirk Hannemann. „Im besten Falle trägt dann die Nutzung der Nachlässe die kompletten Kosten des Factorings.“
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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