
Der Handel benötigt aktuelle Artikelstammdaten für seine Warenwirtschaftssysteme. Foto: Fotolia/© Rawpixel.com
Interview: Was sind Artikelstammdaten?
Beim Vertrieb von Baustoffen spielen Artikelstammdaten eine wichtige Rolle. Aber was beinhalten eigentlich diese Daten und warum sind sie so wichtig? Darüber haben wir uns mit Stefan Leyendeckers unterhalten, der bei der Celler Heinze GmbH als Leiter Vertrieb Baustofffachhandel für die BDB-Bau-Datenbank zuständig ist.
Herr Leyendeckers, täuscht unser Eindruck oder ist das Wissen über Artikelstammdaten in der Baustoffbranche bisher eher schwach ausgeprägt?
Stefan Leyendeckers: Leider ist es richtig, dass der Stellenwert der Artikelstammdaten in unserer Branche immer noch nicht besonders hoch ist. Wenn Sie den Lebensmittelhandel oder die Kosmetikbranche betrachten, sieht es diesbezüglich ganz anders aus. Doch in letzter Zeit verändert sich die Einstellung zum Thema auch in der Baustoffbranche. Das hat vor allem mit der zunehmenden Bedeutung von Online-Shops zu tun – Stichwort Multichannel-Selling.
Kurz und knapp: Welche Informationen enthalten Artikelstammdaten?
Vielfältige. Das reicht von der Globalen Artikelidentifikationsnummer GTIN über Preisangaben und logistische Informationen wie Einheiten, Verpackungsgrößen, Maße und Gewichte bis hin zu Artikeltexten und Medien wie Bilder oder Videos. Es geht um alle vertriebsrelevanten Daten zum jeweiligen Artikel.
Wozu braucht der Baustoff-Fachhandel all diese Informationen?
Die Anwendungsbereiche der Datenpakete sind vielfältig. Zunächst einmal benötigt der Handel aktuelle Artikelstammdaten, um seine Warenwirtschaftssysteme auf dem neuesten Stand zu halten. Dabei geht es natürlich um die Preispflege, aber auch um die Anlage neuer Artikel oder Sortimente oder um das Löschen von Artikeln, die ein Lieferant aus dem Programm genommen hat. Hinzu kommen Dokumente wie Sicherheitsdatenblätter (Stichwort REACH), Leistungserklärungen oder Produktdatenblätter. Solche Inhalte werden sinnvollerweise ebenfalls artikelgenau über die Stammdaten mittransportiert – aus technischen Gründen am besten per Link.
Der dritte Anwendungsbereich der Daten gilt am ehesten als „sexy“, weil er den Verkauf befeuert. Gemeint sind die Artikeltexte, Bilder und Verarbeitungshinweise in den Stammdaten, die der Baustoffhandel zum Beispiel nutzen kann, um Angebote zu schreiben oder die Produkte auf Websites, in Anzeigen und Prospekten oder innerhalb von App-Anwendungen darzustellen. Und natürlich können Artikelstammdaten auch bei der qualifizierten Beratung am Verkaufstresen weiterhelfen.
Grundsätzlich gilt, dass ein gepflegter Artikelstamm die unverzichtbare Grundlage für alle warenwirtschaftlichen Prozesse ist. Auch elektronische Bestellungen bei der Industrie sind nur möglich, wenn die Daten von der Artikelnummer bis zur Mindestbestellmenge in der Warenwirtschaft vorhanden und auf dem neusten Stand sind. Auch Arbeitsbereiche wie Lagerbestandsführung oder die Inventur im Handelsunternehmen sind ohne einen gepflegten Artikelstamm nicht sinnvoll möglich.
Kommen wir von den Inhalten zur Form. Wie werden Artikelstammdaten von der Baustoffindustrie bereitgestellt?
Wenn der Baustoff-Fachhandel den bilateralen Weg geht – also jeder Händler, jede Kooperations- oder Konzernzentrale einzeln bei der Industrie anfragt – gibt es eine Vielzahl von Formaten, die angeboten werden. Jeder Hersteller hat sein eigenes Excel-Format, viele verwenden unterschiedliche Schnittstellen-Technologien wie Datanorm, PriCat oder BMEcat. Manchmal wird unter elektronischem Datenaustausch leider auch noch der Versand von PDFs verstanden. Und die Industrie versendet häufig auch noch ganz klassisch Preislisten und Prospekte in Papierform. Wenn es darüber hinaus dann keine elektronischen Artikelstammdaten gibt, muss der Handel sämtliche Daten manuell in sein Warenwirtschaftssystem eingegeben.
Das Problem bei der bilateralen Beschaffung der Daten ist: Es gibt viele Quellen, im Schnitt haben die Händler 250 Lieferanten, und damit auch viele unterschiedliche Formate in ebenso unterschiedlicher Qualität. Das erzeugt einen hohen Aufwand zur Synchronisierung der Artikelinformationen.
Der Fachhandel fordert von der Baustoffindustrie „qualitativ hochwertige“ Artikelstammdaten. Was bedeutet Qualität in diesem Zusammenhang?
Die Qualität der Artikelstammdaten wird durch zwei Dinge bestimmt: dem Umfang der Informationen und ihre Aktualität! Es führt auf beiden Seiten – bei Fachhandel und Industrie – zu erhöhtem Arbeitsaufwand, wenn aufgrund fehlender Angaben ein Artikel mehrfach „angefasst“ werden muss. Zum Beispiel kann das Fehlen einer Mindestbestellmenge dazu führen, dass eine Bestellung an den Lieferanten nicht eindeutig ist. Deshalb ist es extrem wichtig, einen Qualitätsstandard für Artikelstammdaten zu schaffen, an dem sich alle Beteiligten orientieren können. Diesen Standard mit Leben zu füllen bedeutet, dass verschiedene Quellen zum Artikel in eine Datei überführt werden müssen.
Ihr Unternehmen, die Heinze GmbH, hat für die deutsche Baustoffbranche bereits einen solchen einheitlichen Standard entwickelt: die BDB-Bau-Datenbank. Was kennzeichnet diese Lösung?
Derzeit stellen über 200 führende Lieferanten der Baubranche, die etwa 80 Prozent des Umsatzvolumens eines „normalen“ Händlers abdecken, ihre Artikelstammdaten auf der vom Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) initiierten Plattform www.baudatenbank.de zur Verfügung. Die bei der Heinze GmbH in Celle ansässige Bau-Datenbank GmbH arbeitet im Auftrag des BDB und ist fest in der deutschen Baustoffbranche verankert. Die Aufsichtsratsmitglieder des Unternehmens sind die marktführenden Hersteller von Bauprodukten und alle relevanten Handelsorganisationen, -kooperationen und -konzerne.
Bei der Bau-Datenbank sind dauerhaft bis zu fünf Mitarbeiter im Einsatz, um die Daten der Lieferanten so zu qualifizieren, dass sie sowohl für die zentralen Systeme der Kooperationen und Konzerne als auch für den einzelnen Fachhändler verwendbar sind. Die Redakteure der Bau-Datenbank prüfen und vervollständigen dabei in steter Absprache mit den Lieferanten die Inhalte und helfen somit auch der Industrie, Abläufe zu verschlanken. Für mittelständische Händler wäre ein solcher Aufwand nahezu unmöglich!
Wie viele Stammdatensätze umfasst die Bau-Datenbank?
Auf www.baudatenbank.de werden aktuell etwa 500.000 Artikelstammdaten in geprüften, einheitlichen Formaten zur Verfügung gestellt. Für den Fachhandel bedeutet das: Beim größten Teil seines Sortiments genügt ihm eine einzige Quelle, um an die standardisierten Stammdaten zu gelangen. Auch Dokumente wie Sicherheitsdatenblätter und Leistungserklärungen werden dem Handel über unsere Datenbank rechtssicher zur Verfügung gestellt – als Link in der jeweils aktuellen Version. Und unser E-Mail-Service informiert alle angemeldeten Nutzer, sobald Änderungen im Artikelstamm vorliegen.
Die Digitalisierung der Gesellschaft macht auch vor dem Baustoff-Fachhandel nicht halt. Online-Shops werden zunehmend zu einem Must-have. Wächst damit nicht auch die Bedeutung qualitativ hochwertiger Artikelstammdaten?
Ja, definitiv! Der Handel kann nur in den Online-Markt vordringen, wenn er vorher seine „Hausaufgaben“ richtig gemacht hat und über einen onlinefähigen Artikelstamm verfügt. Er benötigt mehr denn je sauber gepflegte, tagesaktuelle und eindeutige Artikeldaten, die er bedenkenlos an die Shop-Software übergeben kann. Nicht zuletzt ist auch die Klärung von Bildrechten für Webanwendungen eine Aufgabe, die sich über eine zentrale Plattform wie die Bau-Datenbank wesentlich effektiver realisieren lässt.
Die steigenden Anforderungen aus dem Online-Bereich haben gerade dazu geführt, dass die Bau-Datenbank zum 1. November 2016 mit PriCat 4.0 einen erweiterten Standard zum Datenaustausch eingeführt hat. Im Rahmen dieser neuen Lösung lassen sich nun weitaus mehr Links zu Bildern, Videos oder anderen medialen Informationen transportieren. Der neue Standard ist ein Segen für all jene Baustoffhändler, die bereits Online-Shops betreiben und sich mehr Material für die Darstellung ihrer Artikel im Web wünschen. Denn beim Internet-Vertrieb zeigt sich immer wieder: Ohne strukturierte Produktdaten kein digitaler Verkauf! Das gilt für die Baustoffbranche genauso wie für Amazon.
Das Interview führte Roland Grimm im Auftrag von baustoffwissen.de
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Artikelstammdaten umfassen alle vertriebsrelevanten Daten zum jeweiligen Artikel – natürlich auch Preisangaben. Foto: Fotolia/© Tom Nulens

Stefan Leyendeckers engagiert sich bei der Heinze GmbH seit vielen Jahren für die BDB-Bau-Datenbank und kennt sich daher mit Artikelstammdaten bestens aus.