
Corona erforderte reduzierte Kontakte – auch zwischen Betrieben und Azubis. Grafik: Pixabay
Ausbildungsmarkt: Starker Corona-Effekt
Nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung hat die Corona-Pandemie zu einer „sehr ernsten Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt geführt“. So steht es im Vorwort des Jahresberichts 2020, der über die Entwicklung des beruflichen Ausbildungsmarktes sowie über die Tätigkeitsfelder des BIBB informiert.
„Auch wenn es jetzt erste Anzeichen für eine zunehmende Aufhellung am Ausbildungsmarkt gibt, müssen wir vor allem aus Gründen einer zu erwartenden steigenden Studierneigung der Schulabgängerinnen und -abgänger befürchten, dass das Vor-Corona-Niveau bei den Ausbildungszahlen auch nach der Pandemie nicht mehr erreicht wird“, sagte Friedrich Hubert Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), Mitte August anlässlich der Veröffentlichung des Jahresberichts 2020.
Duales System weiter geschwächt

Friedrich Hubert Esser ist Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung. Foto: BIBB
Die pandemiebedingten Entwicklungen hätten zu einer weiteren Schwächung des dualen Ausbildungssystems geführt, das allerdings durch die allgemeinen Bildungstrends und die demografische Entwicklung auch schon zuvor geschwächt war, führt der Präsident im Vorwort des Jahresberichts weiter aus. Daher müsse es weiterhin das Ziel aller Verantwortlichen in der beruflichen Bildung sein, geeignete Maßnahmen für eine Trendwende vor allem bei der Berufs- und Studienorientierung junger Erwachsener zu entwickeln. Friedrich Hubert Esser: „Ansonsten wird der Fachkräftemangel noch in diesem Jahrzehnt zur Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz vieler Betriebe in den besonders betroffenen Branchen.“
Schon vor der Pandemie waren sowohl die Zahl von Ausbildungsplatz-Angeboten durch Betriebe als auch die Nachfrage von Azubis in Deutschland rückläufig gewesen. Ein Hauptgrund für Letzteres: In Deutschland gibt es weniger Schulabgänger. Das BIBB sieht diese Entwicklung noch nicht abgeschlossen und erwartet bis voraussichtlich 2025 weiterhin sinkende Schulabgänger/innen-Zahlen – bei gleichzeitigem Trend zu höheren Schulabschlüssen und damit verbunden höherer Studierneigung. Das träfe die Anbieter von betrieblichen Ausbildungsberufen nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) beziehungsweise der Handwerksordnung besonders hart (siehe zu diesem Thema auch unseren Beitrag „Demographie: Ausbildungsmarkt im Wandel?“)
Einfluss der Pandemie

Die Zahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge fiel erstmals unter 500.000. Grafik: BIBB
Die Corona-Beschränkungen und die durch sie erschwerte Kontaktaufnahme zwischen Betrieben und potenziellen Auszubildenden hat die Situation auf dem Ausbildungsmarkt dann weiter verschärft. Der BIBB-Präsident spricht von „vielfach zum Erliegen gekommenen Möglichkeiten der Berufsorientierung, der Durchführung von Praktika sowie der Teilnahme an Ausbildungsmessen“. Dies habe dazu geführt, dass nicht nur die Ausbildungsangebote, sondern auch die Nachfrage nach Ausbildungsstellen vonseiten der jungen Menschen weiter zurückgegangen ist.
Nach Angaben des Jahresberichts ist 2020 das betriebliche Angebot an Ausbildungsangeboten im Rahmen der dualen Berufsausbildung im Vergleich zum Vorjahr um 50.700 auf 527.400 Plätze gesunken (–8,8 %). Auf der anderen Seite verringerte sich die Zahl der jungen Menschen, die eine Ausbildungsstelle nachfragten, um 53.000 auf nur noch 545.700 (– 8,9 %). 11,7 % der betrieblichen Ausbildungsplatzangebote waren zum Stichtag 30. September noch unbesetzt, und 14,3 % der Bewerberinnen und Bewerber waren weiterhin auf der Suche.
Mit insgesamt 467.500 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen lag dieser Kennwert in Deutschland erstmals unter 500.000. Das Minus im Vergleich zu 2019 betrug 57.600 (–11 %). Der Jahresbericht spricht von einer „starken Schrumpfung des Ausbildungsmarktes“, die allerdings nicht nur auf die Pandemie, sondern eben auch auf die sinkende Zahl der Schulabgänger/-innen zurückzuführen sei.
Gleichwohl ist der Corona-Einfluss deutlich. Schätzungen zufolge sei ein Minus von rund 47.400 neuen Ausbildungsverträgen der Corona-Krise zuzuschreiben. Demnach wären rund 82 % des Minus Corona-bedingt. Bei der Zahl der weniger angebotenen Ausbildungsplätze (50.700) sind es ebenfalls knapp 82 %, beim Minus der Ausbildungsbewerber (53.000) knapp 74 %, die wohl hauptsächlich auf das Pandemiegeschehen zurückzuführen sind.
Projektion bis 2040
Der Jahresbericht informiert auch über die Ergebnisse einer Projektion bis zum Jahr 2040, die das BIBB gemeinsam mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) erstellt hat. Demnach werden die Wachstumsraten der Wirtschaft voraussichtlich ab 2025 wieder so hoch sein, wie man es vor der Pandemie erwartet hatte.
Laut Projektion werden in Deutschland zwischen 2020 und 2040 rund 3,7 Mio. neue Arbeitsplätze entstehen – vor allem im Gesundheits- und Sozialwesen (insbesondere Pflegeberufe) sowie in Erziehungs- und Informatikberufen. Zugleich würden rund 5 Mio. Arbeitsplätze im Vergleich zu heute entfallen – vorwiegend im verarbeitenden Gewerbe, aber auch im Handel sowie in Büro- und Sekretariatsberufen.
Trotzdem geht die Projektion für das Jahr 2040 von einer „historisch niedrigen Erwerbslosenzahl in Höhe von 1,1 Mio.“ aus – heißt es im Jahresbericht. Warum? Weil die Anzahl der überhaupt zur Verfügung stehenden Erwerbspersonen abnimmt. Aktuell (2020) sind dies 46,5 Mio. Menschen, bis 2022 wird zunächst ein Anstieg auf 46,7 Mio. Personen erwartet, danach aber ein Rückgang auf 44,7 Mio. bis zum Jahr 2040. Das hängt mit der zunehmenden Alterung der Gesellschaft zusammen – der Anteil der Rentner/innen an der Gesellschaft wächst – und mit einem Schrumpfen der Gesamtbevölkerung. Diese wird laut Projektion in Deutschland bis 2028 zwar noch auf 84,1 Mio. Personen ansteigen, dann aber bis 2040 auf 83,7 Mio. fallen.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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