RM Rudolf Müller
Gegen den Trend: Die Hagebau-Zentrale Soltau begrüßte 2020 mehr neue Azubis als 2019. Foto: hagebau

Gegen den Trend: Die Hagebau-Zentrale Soltau begrüßte 2020 mehr neue Azubis als 2019. Foto: hagebau

Hintergrundwissen
09. März 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Ausbildungsverträge im Corona-Jahr

Nach Zahlen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) musste der Ausbildungsmarkt in Deutschland 2020 im Zuge der Corona-Pandemie erhebliche Einbußen verkraften. Die Gesamtanzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge lag erstmals unter der Schwelle von 500.000. Auch die im Baustoff-Fachhandel dominierenden Berufe blieben von diesem Negativtrend nicht verschont.

Im Vergleich zu 2019 fiel die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge um 57.600 beziehungsweise 11 % auf nur noch 467.500. Besonders deutlich war der Rückgang in Berufen wie Tourismuskaufmann/-frau (–58,8 %), Veranstaltungskaufmann/-frau (–36,2 %) oder Hotelfachmann/-frau (–29,9 %), aber zum Beispiel auch bei den Technischen Produktdesignern (–28,0 %) und den Werkzeugmechanikern (–25,5 %).

Im Handwerk fiel der Rückgang mit insgesamt –7,5 % moderater aus. Berufe wie Maurer/-in, Dachdecker/-in, Fliesen-, Platten- und Mosaikleger/-in sowie Zimmerer/Zimmerin konnten sogar ein Plus erzielen. Die Zahlen basieren auf der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum Stichtag 30. September sowie auf der Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit.

Berufe im Baustoffhandel

Bei den Berufen, die auch im Baustoff-Fachhandel ausgebildet werden, gab es 2020 ebenfalls weniger neu abgeschlossene Ausbildungsverträge. Das bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass im Baustoff-Fachhandel tatsächlich weniger Berufsstarter begonnen haben. Da es in Deutschland für den Großhandel keine Corona-Einschränkungen gab und die Baubranche bisher weitgehend unbeschadet durch die Pandemie gekommen ist, könnte der Baustoffhandel beim Thema Ausbildung möglicherweise sogar davon profitiert haben, dass beim Wettbewerb um die Nachwuchskräfte Konkurrenten aus anderen Branchen zeitweise ausgefallen sind. Zur Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge speziell im Baustoff-Fachhandel liegen bisher aber keine Zahlen vor.

Klar ist nur, dass die Anzahl der Verträge in den Ausbildungsberufen, die auch für den Baustoffhandel relevant sind, insgesamt deutlich abgenommen hat. Bei den Kaufleuten für Groß- und Außenhandelsmanagement starteten deutschlandweit 11.034 neue Azubis – darunter 60,8 % Männer. 2019 lag die Zahl noch bei 13.137. Auch Kaufleute für Büromanagement arbeiten mitunter im Baustoff-Fachhandel. Insgesamt ist dieser Ausbildungsberuf in Deutschland seit Jahren der beliebteste – vor allem bei Frauen. 2020 gab es hier insgesamt 23.049 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge (Frauenanteil: 72,4 %). Doch auch dieser Wert bedeutet eine deutliche Abnahme im Vergleich zum Vorjahr. 2019 gab es nämlich noch 26.823 neue Verträge.

Deutlich weniger Verträge

Viele mittelständische Baustoffhändler betreiben neben dem Fachhandel auch einen oder mehrere Baumärkte beziehungsweise verfügen über Kombistandorte für Groß- und Einzelhandel. Sie bilden daher auch Einzelhandelskaufleute aus. In diesem Berufszweig lag die Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge 2020 bei 20.187 (52,1 % Männer). 2019 waren es 22.764. Selbst der erst 2018 eingeführte neue Ausbildungsberuf Kaufmann/-frau im E-Commerce, in dem die Ausbildungszahlen erst langsam wachsen, musste im Corona-Jahr schon die erste Delle hinnehmen: Nachdem hier 2019 noch 1.596 neue Azubis starteten (62,6 % Männer), waren es 2020 nur 1.485.

Bei den Berufen mit Logistikschwerpunkt wurde ebenfalls durchweg weniger ausgebildet. 2020 begannen 9.027 junge Menschen als Fachkraft für Lagerlogistik (87,3 % Männer), ein Jahr zuvor waren es 10.653. Der Beruf Fachlagerist/in verzeichnete nur noch 5.325 Berufsstarter (90,8 % Männer) – nach 6.207 im Vorjahr. Und auch die Nachwuchsversorgung bei den Kaufleuten für Spedition und Logistikdienstleistung stockte: 2020 gab es hier nur noch 4.419 neu abgeschlossene Verträge (62,1 % Männer). 2019 waren es 5.694.

Für die Baustoffbranche als Ganzes ist es sicher auch problematisch, dass 2020 nur noch 3.267 junge Menschen (90,5 % Männer) eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer machten (2019: 4.044). Schließlich leidet die Branche schon seit Jahren unter Fahrermangel.

Wie hoch ist der Corona-Einfluss?

   Für seine 91 neuen Azubis schuf BayWa Baustoffe 2020 eine neue virtuelle Lernwelt – die sonst übliche zentrale Einführungsveranstaltung musste aber leider ausfallen. Foto: BayWa AG


Für seine 91 neuen Azubis schuf BayWa Baustoffe 2020 eine neue virtuelle Lernwelt – die sonst übliche zentrale Einführungsveranstaltung musste aber leider ausfallen. Foto: BayWa AG

Das BIBB weist darauf hin, dass die Schrumpfung des Ausbildungsmarktes 2020 nicht ausschließlich auf das Geschehen rund um die Pandemie zurückzuführen ist. Bereits vor Corona habe man unter anderem als Folge sinkender Zahlen bei den Schulabgängern mit einem tendenziellen Rückgang der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge um mehr als 10.100 gerechnet. Die Differenz zwischen diesem Wert und dem tatsächlichen Rückgang in Höhe von knapp 57.600 liefere somit eine erste grobe Schätzung, in welchem Ausmaß die Pandemie den Ausbildungsmarkt beeinträchtigt hat. Demnach wäre ein Minus von rund 47.400 Verträgen dem Krisengeschehen 2020 zuzuschreiben – argumentiert das BIBB.

Der Gesamtrückgang bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen hängt unterm Strich von verschiedenen Faktoren ab. Das Ausbildungsangebot der Unternehmen sank 2020 – sicher auch Corona-bedingt – um 50.700 auf 527.400 Plätze (–8,8 %). Zugleich verringerte sich aber auch die Zahl der jungen Menschen, die eine Ausbildungsstelle nachfragten – nämlich um 53.000 auf 545.700 (–8,9 %). Zudem nahmen pandemiebedingt die Schwierigkeiten zu, das Ausbildungsangebot und die Nachfrage der Jugendlichen zusammenzuführen. Das BIBB verweist hier auf Ausbildungsmessen, Jobbörsen und Betriebspraktika, die in den meisten Regionen nicht stattfinden konnten.

Im Ergebnis waren zum Stichtag 30. September 59.900 (11,7 %) der betrieblichen Ausbildungsplatzangebote immer noch nicht besetzt (2019: 53.100) und 78.200 Bewerber/-innen (14,3 % der Nachfrage) befanden sich weiterhin auf der Suche (2019: 73.700).

Tarifliche Ausbildungsvergütungen gestiegen

Die gute Nachricht zum Schluss: Trotz Pandemie sind die tariflichen Ausbildungsvergütungen in Deutschland letztes Jahr erneut gestiegen. Der Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr lag im bundesweiten Durchschnitt bei 2,6 %. Der Vergütungsanstieg fiel nach Angaben des BIBB aber geringer aus als 2019 (3,8 %) und 2018 (3,7 %). Insgesamt lagen die tariflichen Ausbildungsvergütungen 2020 in Deutschland bei durchschnittlich 963 Euro brutto im Monat.

Detaillierte Angaben zu den Vergütungen in den einzelnen Berufen bietet die BIBB-Datenbank Tarifliche Ausbildungsvergütungen. Inwieweit sich in den aktuellen Zahlen bereits Auswirkungen der Corona-Krise niedergeschlagen haben oder ob der schwächere Anstieg auf den sich zuvor schon abzeichnenden wirtschaftlichen Abschwung zurückzuführen ist, kann nach BIBB-Angaben derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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