
Fertighäuser waren Ende Mai durchschnittlich 15 % teurer als im Vorjahresmonat. Foto: Pixabay
Baustoffpreise in Corona-Zeiten
Im zweiten Jahr der Corona-Pandemie erlebt die deutsche Baubranche einen massiven Anstieg der Erzeugerpreise für einzelne Baustoffe. Extremstes Beispiel: Konstruktionsvollholz war im Mai 2021 über 80 % teurer als im Vorjahresmonat. Betonstahlstäbe kosteten rund 44 % mehr. Trotzdem wuchsen die Preise für den Neubau konventionell gefertigter Wohngebäude im selben Zeitraum „nur“ um 6,4 %. Das liegt unter anderem daran, dass es bei den in Deutschland besonders beliebten Eigenheimbaustoffen deutlich geringere Preissteigerungen gab.
Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) sind die Erzeugerpreise für manche Baustoffe in den letzten Monaten extrem gestiegen. Am massivsten war die Teuerung bei Holz und Stahlbeton. Ein Hauptgrund dafür ist die stark gestiegene Nachfrage nach diesen Produkten, vor allem aus China und den USA, während das Angebot vielerorts noch nicht wieder das Niveau der Zeit vor Corona erreicht hat. Für den Rohstoff Holz weist der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) zudem auf die zunehmenden Exportbeschränkungen in Ländern wie Russland und der Ukraine hin.
All das sorgt für Materialengpässe – auch in Deutschland. Für die Baubranche bedeutet das ein doppeltes Problem: Zum einen verteuern die Kosten für einzelne Baustoffe das Endprodukt „Gebäude“, zum anderen sind die Lieferzeiten für manche Rohstoffe mittlerweile so lang, dass Baufirmen vielerorts zum Nichtstun verdammt sind – trotz voller Auftragsbücher. Die aktuelle Holzknappheit schafft zudem auch neue logistische Probleme. Der DIHK berichtete in einer Pressemitteilung von Mitte Juni über fehlende Paletten in der Baustoffindustrie.
Weltweiter Nachfrageanstieg

Bei Konstruktionsvollholz und Bitumen ist der Preisanstieg besonders extrem.
Etliche Rohstofflieferanten hatten ihre Produktion nach dem anfänglichen Nachfragschock durch die Pandemie nach unten angepasst. Als dann die Konjunktur in einigen Weltregionen überraschend schnell wieder ansprang, zum Teil befeuert durch gigantische staatliche Konjunkturpakete wie in den USA, konnten sie ihre Lieferkapazitäten nicht so schnell wieder hochfahren wie die Nachfrage anzog. Hinzu kommen allgemeine Lieferkettenprobleme auf den globalen Rohstoffmärkten, unter anderem ausgelöst durch einen Mangel an Frachtkapazitäten (zum Beispiel Container), aber auch durch Nachwirkungen der jüngsten Suez-Kanal-Blockade und natürlich ebenso durch die ökonomisch lähmenden Auswirkungen der weltweiten Pandemie.
Der enorme Nachfrageanstieg bei Produkten wie Holz und Stahl wird zudem durch ein verstärktes Bedürfnis nach Lagerhaltung befeuert. Die Pandemie offenbarte vielen Herstellern und Händlern, wie krisenanfällig internationale Lieferketten tatsächlich sind und wie schnell daraus eigene Lieferengpässe resultieren können. Da ist es nachvollziehbar, wenn die Unternehmen für die Zukunft vorbeugen und ihre Lagerkapazitäten erhöhen wollen. Doch wenn viele auf einmal so handeln, sind Preisanstiege vorprogrammiert.
Holzpreise explodieren
Bei Holzprodukten hat der internationale Nachfrageanstieg zu besonders extremen Verteuerungen geführt. Im Mai 2021 registrierte das Statistische Bundesamt für Konstruktionsvollholz einen Preisanstieg um sage und schreibe 83,3 % im Vergleich zum Vorjahresmonat. Aber auch Dachlatten waren um 45,7 %, normales Bauholz um 38,4 % teurer.
Die rasant gestiegenen Preise treffen im besonderen Maße Anbieter von Holzhäusern – und damit vor allem die Fertighausbranche. Nach der amtlichen Statistik handelt es sich nämlich bei knapp 90 % aller Wohnhäusern, die aus Fertigteilen errichtet werden, um Holzhäuser. Nach Analysen von Immo-Scout 24 lagen die Quadratmeterpreise für neue Fertighäuser Ende Mai 2021 bundesweit bei durchschnittlich 3.020 Euro und waren damit rund 15 % höher als im Mai 2020.
Wohngebäude aus Holz haben in den letzten Jahren auch in Deutschland zunehmend an Akzeptanz gewonnen. Im letzten Jahr verzeichnete der Wandbaustoff Holz bei Wohngebäude-Neubauten einen Marktanteil von 20,4 %. Damit hat sich der Naturbaustoff hierzulande mittlerweile auf den dritten Platz der Rangliste der beliebtesten Wandbaustoffe für Wohn-Neubauten vorgearbeitet – direkt hinter Mauerziegel (Marktanteil: 29,6 %) und Porenbeton (21 %), aber bereits vor Kalksandstein (16,7 %). Dieser Erfolg könnte nun wieder in Gefahr geraten, wenn Holzhäuser aufgrund der stark gestiegenen Rohstoffpreise deutlich teurer werden.
Metalle – Kunststoffe – Bitumen

Stahlbeton-Stäbe waren im Mai um 44,3 % teurer als im Vorjahresmonat. Foto: Pixabay
Auch die Preise für Stahlerzeugnisse sind während der Corona-Pandemie massiv in die Höhe geschossen. Bewährungsstäbe für Stahlbeton waren im Mai 2021 um 44,3 % teurer als im Vorjahresmonat. Stählerne Bewehrungsmatten legten um 30,4 % zu. Für den Wohnneubau sind diese Teuerungen vielleicht nicht so relevant, denn Stahlbeton hat hier als Wandbaustoff nur einen Marktanteil von 7,9 %. Geschossdecken werden allerdings auch im Wohnbau regelmäßig aus Stahlbetonplatten errichtet. Bei Nichtwohngebäuden wiederum war Stahlbeton mit einem Marktanteil von 29,3 % im Jahr 2020 die Nummer eins der Wandbaustoffe. Hier wird sich der Preisschub also sicher bemerkbar machen.
Das Statistische Bundesamt weist zudem darauf hin, dass im Mai 2021 auch die Erzeugerpreise für Halbzeug aus Kupfer und Kupferlegierungen um 37,7 % gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen sind. Diese Materialien werden beispielsweise im Heizungsbau und bei Elektroinstallationen gebraucht. Preistreibend auf den Baustellen würden sich zudem die gestiegenen Erdölpreise auswirken. Diese beeinflussen schließlich die Kunststoffpreise, und Kunststoffe im Bauwesen sind bekanntlich weit verbreitet. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen unter anderem, dass die Erzeugerpreise für Dämmstoffplatten aus Kunststoff-Hartschaum im Mai um 19,9 % über dem Niveau des Vorjahresmonats lagen.
Auch das Erdölprodukt Bitumen hat eine große Bedeutung für die Baubranche. Im Straßenbau ist es beim Asphaltbau unersetzlich, zudem wird es für Abdichtungsbahnen beziehungswiese als Bestandteil flüssiger Anstrichmittel vor allem im Dachbereich sowie bei der Kellerabdichtung verwendet. Schlechte Nachricht für diese Branchensegmente: Bitumen war im Mai 2021 um 63,9 % teurer als im Mai 2020!
Nicht alle Baustoffe betroffen
Wie oben bereits erwähnt, sind trotz der regelrechten Preisexplosionen bei einzelnen Baustoffen die Neubaupreise für konventionell gefertigte Wohnneubauten zwischen Mai 2020 und Mai 2021 „nur“ um 6,4 % gestiegen. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass sich viele Baustoffe, die im „typisch deutschen“ Wohnhaus eine besonders wichtige Rolle spielen, weitaus weniger verteuert haben. So stieg der Preis für Mauer- und Dachziegel im Mai 2021 verglichen mit dem Vorjahresmonat nur um 2,2 %. Bei Gipserzeugnissen für den Bau gab es sogar nur ein Plus von 1,4 %, bei Frischbeton (ohne Stahlbewehrung) waren es 1,7 %. Und auch die Preise für Kies und Sand wuchsen im Vergleichszeitraum nur um moderate 4,8 %.
Chance für Recyclingrohstoffe?

PDR-Geschäftsführer Thomas-Hillebrand fordert eine effizientere Nutzung von Rohstoffen. Foto: PDR
Sind Rohstoffknappheit und Preisexplosionen bei Baustoffen vielleicht nur temporäre Phänomene, die sich bald wieder verflüchtigen werden, wenn die Menschheit die Pandemie in den Griff bekommt? Natürlich ist es wahrscheinlich, dass einige aktuelle Extreme sich bald wieder abschwächen. Aber es gibt auch Brancheninsider, die daran zweifeln, dass demnächst alles wieder wie vorher wird. „Die Pandemie hat die aktuelle Rohstoffknappheit am Bau beschleunigt, ursächlich ist sie nicht“, sagt etwa Dr. Thomas Hillebrand, Geschäftsführer des Unternehmens PDR Recycling, das in Deutschland unter anderem für das Recycling von PU-Schaumdosen zuständig ist.
„Mit der neuen Weltmacht China und den aufstrebenden Schwellenländern wird der Wettbewerb um die begrenzten Ressourcen immer schärfer werden“, prophezeit Hillebrand und fügt hinzu: „Wir müssen Ressourcen effizienter nutzen, sonst wird der Rohstoffmangel zum limitierenden Faktor.“ Doch wie können zum Beispiel Baustoffhersteller knappe Rohstoffressourcen effizienter nutzen? Hillebrand schlägt eine dreistufige Strategie vor: Materialeinsparungen in der Fertigung, eine längere Lebensdauer von Produkten und die mehrmalige Nutzung von Materialien. Für Letzteres sollen Hersteller ihre Produkte bereits so entwickeln, dass sich ihre Bestandteile später möglichst leicht recyceln lassen.
„Doch all das nützt wenig, wenn die wiedergewonnenen Rohstoffe nicht den Weg zurück in die Produktion finden“, weiß Dr. Thomas Hillebrand. Er fordert daher „die Bereitschaft der Hersteller, ihre Produktionsverfahren auf den Einsatz von Rezyklaten anzupassen und so flexibel zu gestalten, dass sie geringfügige Schwankungen in der Rezyklat-Qualität ohne Qualitätsverlust beim Produkt ausgleichen können“.
Die Voraussetzungen für so einen nachhaltigen Strategiewechsel sind vielleicht im Augenblick besser denn je, eben weil sich viele „neue“ Rohstoffe so extrem verteuert haben. Nach Angaben des DIHK waren Rezyklate nämlich bisher im Schnitt 25 % teurer als Neuware. Nach eineinhalb Jahren Corona hat sich das in vielen Bereichen erst einmal grundlegend geändert.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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