
Was kommt nach der Schule: Studium oder Berufsausbildung? Foto: Pixabay
BIBB-Analyse: Abi – und dann?
Schulabgänger mit Abiturabschluss haben die Wahl: Sollen sie studieren oder (zunächst einmal) eine nichtakademische Berufsausbildung anstreben? Was aber bewegt Gymnasiastinnen und Gymnasiasten zur Aufnahme einer beruflichen Ausbildung? Dieser Fragstellung ist eine aktuelle Untersuchung des Bundesinstituts für Berufsbildung nachgegangen.
Seit Jahren wächst in Deutschland der Anteil der Schulabgänger eines Altersjahrgangs, der mit seinem Abschluss zugleich eine Hochschulzugangsberechtigung erwirbt. Natürlich studiert nicht jeder, der es darf, aber unterm Strich entscheiden sich dennoch immer mehr junge Menschen für ein Studium nach dem Abitur. Für viele Berufe im dualen Ausbildungssystem ist das ein Problem, denn während die Unis überrannt werden, fehlt ihnen der Nachwuchs.
Dieses Problem lässt sich nur lösen, indem man Jugendliche wieder verstärkt von den Vorteilen einer praktischen Ausbildung überzeugt. Um die Schulabgänger effektiv für das duale Ausbildungssystem begeistern zu können, sollte man allerdings die Motive kennen, wegen derer sich die jungen Leute für oder gegen eine Ausbildung entscheiden. Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat deshalb untersucht, welche Schulabgänger trotz Hochschulzugangsberechtigung eher eine Ausbildung als ein Studium planen und welche Faktoren diese Entscheidung begünstigen.
Datengrundlage
Für seine Untersuchung „Abi – und dann? Was Gymnasiastinnen und Gymnasiasten zur Aufnahme einer beruflichen Ausbildung bewegt“ hat das BIBB die Daten des Nationalen Bildungspanels untersucht, in dessen Rahmen 2.500 Jugendliche – meist 17 bis 18 Jahre alt und in der Abschlussklasse am Gymnasium – befragt wurden. Nur 16 % von ihnen nennen eine Ausbildung, dagegen 84 % ein Studium als realistischen Plan für ihren weiteren Bildungsweg. Unter den weiblichen Abiturienten entscheiden sich noch weniger für die Ausbildung als bei den jungen Männern.
Einfluss der Eltern
Die BIBB-Analyse zeigt zunächst, dass die Pläne der Jugendlichen stark durch die Erwartungshaltung der Eltern geprägt sind. Unter den studierwilligen Schulabgängern ist der Anteil derjenigen mit mindestens einem studierten Elternteil größer als bei den Schulabgängern mit Ausbildungspräferenz. Nur wenige Jugendliche, die ein Studium anstreben, vermuten, dass ihre Eltern sich statt eines Studiums eine Ausbildung für sie wünschen. Die Wahrscheinlichkeit, eine Ausbildung in Betracht zu ziehen, erhöht sich indessen, wenn die Jugendlichen vermuten, dass sich auch mit einer Ausbildung ein Beruf ergreifen lässt, der vom Niveau her ähnlich oder besser ist als die von den Eltern ausgeübten Berufe.
Der Einfluss von Eltern und anderen sozialen Bezugspersonen auf die Berufsplanung des Nachwuchses erfolgt oft gar nicht direkt, sondern eher unterschwellig. Die Jugendlichen entscheiden sich für eine bestimmte Option nicht unbedingt, weil ihre Eltern diese aktiv einfordern, sondern weil sie vermuten, dass die Eltern diese oder jene Entscheidung lieber sehen würden. Die BIBB-Fachleute regen an, bei Beratungsgesprächen zur Berufsorientierung neben den eigenen Interessen und Zielen auch immer soziale Beeinflussungsprozesse zu reflektieren, um sie den Ratsuchenden bewusster zu machen und sie so in die bewusste Entscheidungsfindung miteinzubeziehen.
Bessere Aufklärung notwendig

Beispiel Laborberuf: Forschertätigkeiten warten auch jenseits der Uni. Foto: Pixabay
Die Berufsorientierung sollte nach Ansicht des BIBB eine bessere Aufklärung über die Karriereperspektiven nach Abschluss einer dualen Ausbildung leisten. Das würde vermutlich zu einer Attraktivitätssteigerung der Ausbildung führen. Schließlich gibt es für das duale Ausbildungssystem auch viele gute Argumente, mit denen sich das bei vielen Schulabgängern nicht so gute Image aufpolieren ließe.
Immerhin zeigt die BIBB-Untersuchung, dass die Wahrscheinlichkeit, eine Ausbildung anzustreben, umso höher ist, je konkreter die eigenen beruflichen Vorstellungen sind. Anders herum ausgedrückt: Wer sich nach dem Abitur für eine Ausbildung entscheidet, hat meist deutlich konkretere Vorstellungen zu beruflichen Zielen und Umsetzungsmöglichkeiten als derjenige, der sich für ein Studium entscheidet. Es spricht also vieles dafür, dass sich unter Schulabgängern die Bereitschaft zur Ausbildung erhöhen ließe, wenn man ihnen vorher konkrete Vorstellungen von den tatsächlichen Möglichkeiten und Chancen im dualen Ausbildungssystem vermitteln würde.
Allein durch Berufsorientierung lässt sich das Akzeptanzproblem der dualen Ausbildung aber wohl nicht beheben. „Um die Attraktivitätsverluste der beruflichen Bildung in den Griff zu bekommen, braucht es eine gesamtgesellschaftliche Debatte über den Wert von Berufen“, fordert BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser. Es gelte zuvorderst, Tiefe und Tragweite des Attraktivitätsproblems zu erkennen sowie Maßnahmen zu erdenken, die wirklich helfen, um den Akademisierungstrend aufzuhalten – so Esser weiter.
Kosten- und Nutzeneinschätzungen
Von einem Studium erwarten sowohl Studien- als auch Ausbildungsinteressierte einen hohen Nutzen (Einkommen, Prestige, interessante Tätigkeit, geringes Arbeitslosigkeitsrisiko). Doch nur Ausbildungsinteressierte sehen dies auch für eine Ausbildung so. Die Wahrscheinlichkeit, eine Ausbildung für sich in Betracht zu ziehen, würde sicher steigen, wenn alle Schulabgänger damit einen attraktiveren Nutzen verbinden würden.
Übrigens schätzen sowohl die Studier- als auch die Ausbildungswilligen unter den Befragten die Finanzierbarkeit einer Ausbildung leichter ein als die eines Studiums. Das gilt auch für die so genannten Opportunitätskosten, also für die während der Ausbildung beziehungsweise des Studiums hinzunehmenden Einkommensverluste. Diese werden für ein Studium deutlich höher eingeschätzt.
Die Untersuchung zeigt ferner, dass Schulabgänger mit Interesse an forschend-abstrakten oder künstlerisch-sprachlichen Tätigkeiten besonders häufig der Meinung sind, dass sie ihre beruflichen Interessen besser in einem Studium realisieren können. Hier müsste die Berufsorientierung nach Ansicht der BIBB-Fachleute stärker hervorheben, dass solche Tätigkeitsschwerpunkte auch von vielen Ausbildungsberufen abgedeckt werden. Forschend-abstrakte Inhalte gibt es zum Beispiel auch in typischen Labor- und IT-Berufen. Und künstlerisch-sprachliche Ambitionen kann man beispielsweise auch als Buchhändler/-in, Mediengestalter/-in, Maskenbildner/-in oder Goldschmied/-in verwirklichen.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
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