
Die duale Ausbildungswelt bietet viele interessante Berufe – trotzdem sinkt die Nachfrage. Foto: Pixabay
BIBB-Analyse: Ausbildungsmarkt 2022
Nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung ist die Zahl der neu abgeschlossenen dualen Ausbildungsverträge 2022 leicht gestiegen. Trotzdem gab es in Deutschland weiterhin deutlich weniger Neuabschlüsse als 2019 – also vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Während das Angebot an Ausbildungsplätzen leicht wuchs, hat die Nachfrage nach dualer Ausbildung leider weiter abgenommen.
„Die Gewinnung von Jugendlichen für eine duale Ausbildung bleibt damit eine der zentralen Herausforderungen zur Sicherung des künftigen Fachkräftebedarfs unserer Wirtschaft“, erklärt Friedrich Hubert Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). „Die Corona-Pandemie hat bei der Berufsausbildung zu erheblichen Attraktivitätsverlusten bei Jugendlichen geführt, die nur schwer aufzuholen sind und die die zukünftige Fachkräfteentwicklung mehr und mehr behindern wird. Von daher sind dringend erfolgswirksame Impulse mit Lenkungswirkung vonnöten, die das Interesse junger Menschen an einer Berufsausbildung erhöhen.“
Angebot höher als Nachfrage

Entwicklung von Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage von 2009 bis 2022. Grafik: BIBB
Mit insgesamt 475.143 Verträgen bis zum Stichtag 30. September 2022 ist die Zahl der neu abgeschlossenen dualen Ausbildungsverträge zwar gegenüber dem Vorjahr um 2.082 Verträge leicht gestiegen (+ 0,4 %). Diese an sich erfreuliche Entwicklung kann aber nicht verdecken, dass es weiterhin deutlich weniger Neuabschlüsse gibt als vor der Corona-Zeit. 2019 wurden deutschlandweit noch 525.039 Ausbildungsverträge neu unterschrieben. Im letzten Jahr waren es 49.896 (9,5 %) weniger.
Doch warum werden hierzulande seit nunmehr drei Jahren weniger Ausbildungsverträge unterschrieben als noch 2019? Natürlich war das Jahr 2020 mit dem Beginn der Corona-Pandemie hier der entscheidende Einschnitt. Damals ist die Anzahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge in nur einem Jahr um 11 % gefallen. Nach Angaben des BIBB hat sich der deutsche Ausbildungsmarkt seitdem von diesem Einbruch nicht mehr erholt. Was aber waren die genauen Ursachen für den Rückgang der Neuverträge? Lag es daran, dass die Betriebe weniger Bedarf an Azubis haben? Oder hat vor allem die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen nachgelassen?
Insgesamt haben die Betriebe in Deutschland letztes Jahr 544.011 Ausbildungsplätze angeboten. Das waren zwar 5,9 % weniger als 2019, aber immerhin gab es ein Plus von 1,4 % gegenüber dem Vorjahr. Auch 2021 war das Angebot bereits wieder gewachsen. Während die Zahlen auf der Angebotsseite sich also allmählich erholen, ist auf der Nachfragseite leider das Gegenteil der Fall. Auch 2022 ging die Zahl der jungen Menschen, die eine duale Berufsausbildung nachfragten, erneut zurück. Gegenüber 2021 sank sie um 5.337 (– 1,0 %) auf nur noch 535.545 Nachfragende.
Das Angebot an Ausbildungsplätzen war also insgesamt größer als die Nachfrage. Damit war von Anfang an klar, dass tausende Ausbildungsplätze nicht besetzt werden können – und zwar ganz unabhängig von den üblichen Passungsproblemen, die das „Matching“ zwischen Betrieben und Bewerbern auch in „normalen“ Zeiten erschweren. Verglichen mit 2019 fiel die Nachfrage nach dualen Ausbildungsstellen im letzten Jahr um 10,6 % geringer aus. Damit hat sich der Ausbildungsmarkt im Jahr 2022 weiterhin zugunsten der nachfragenden Jugendlichen und zu Ungunsten der Ausbildungsbetriebe entwickelt.
Höchststand bei unbesetzten Ausbildungsplätzen

Zum 30. September noch unbesetzte betriebliche Ausbildungsstellen. Grafik: BIBB
Als Folge dieser Entwicklung haben sich die Besetzungsprobleme der Betriebe weiter vergrößert. Die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen stieg gegenüber 2021 um 5.691 beziehungsweise 9 % auf 68.868 unbesetzte Stellen an. Zum Stichtag 30. September waren letztes Jahr 13 % aller betrieblichen Ausbildungsplatzangebote in Deutschland unbesetzt – ein neuer Höchststand.
Auf der anderen Seite ist der Anteil der Bewerberinnen und Bewerber gesunken, die zum Stichtag noch eine Ausbildungsstelle suchten. Diese Personengruppe machte am 30. September 11,3 % der Gesamtnachfrage aus. Das war nicht nur weniger als 2021 (12,5 %), sondern sogar weniger als 2019 (12,3 %). 2022 gab es zum Stichtag insgesamt 60.400 erfolglos suchende Nachfrager. 2021 waren es noch 67.818 und im Jahr 2009 sogar 88.640 Personen.
2022 war das Jahr, in dem die Quote der unbesetzten betrieblichen Ausbildungsstellen erstmals größer ausfiel als die Quote der noch suchenden Ausbildungsstellenbewerberinnen und -bewerber. Das gilt zumindest im Durchschnitt. Das BIBB weist darauf hin, dass sowohl bei der Besetzung der Ausbildungsstellen als auch bei der Versorgung der Jugendlichen mit Ausbildungsstellen regionale und berufliche Unterschiede beachtet werden müssen.
Einen differenzierten Einblick in „Die Entwicklung des Ausbildungsmarktes im Jahr 2022“ – inklusive regionaler und berufsspezifischer Unterschiede – bietet der gleichnamige Fachbeitrag, den das BIBB Mitte Dezember veröffentlicht hat. Der 53-seitige Text steht hier als kostenloses PDF zur Verfügung.
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