
Neubau im Umland kann die Wohnungsmärkte von Großstädten entspannen. Foto: Pixabay
Wohnungsbaustudie: Das Umland der Städte
Wohnen im Umland der Großstädte gewinnt in Corona-Zeiten wieder an Attraktivität. Während der Zuzug in die engen Zentren zuletzt etwas abebbte, bevorzugen offenbar wieder mehr Menschen den „Speckgürtel“ der Metropolen. Das hat durchaus Vorteile für beide Seiten. Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) zeigt in einer aktuellen Studie, unter welchen Umständen das Wohnen im Umland die städtischen Wohnungsmärkte entlastet und wie ein fairer Stadt-Umland-Ausgleich gelingen kann.
Die im Auftrag des Verbändebündnis Wohnungsbau erstellte Studie „Das Umland der Städte – Chancen zur Entlastung überforderter Wohnungsmärkte“ wurde Anfang Mai beim 12. Wohnungsbautag des Verbändebündnisses erstmals öffentlich vorgestellt. Das Difu konzentriert sich in der rund 70-seitigen Untersuchung ausdrücklich auf die großen, wachsenden Städte und ihr Umland – also nur auf einen Teilaspekt des deutschen Wohnungsmarktes. Die Forschenden loten dabei Chancen zur Entlastung überforderter Wohnungsmärkte durch das Umland aus und skizzieren gelungene Beispiele aus der Praxis.
Chancen und Hindernisse
Der starke Zuzug in die deutschen Großstädte hat in den letzten 20 Jahren vielerorts die Wohnkosten explodieren lassen. In den Metropolen sind Neubau und Aufstockungen von Bestandsgebäuden einerseits unabdingbar, um bezahlbares Wohnen in Zukunft überhaupt (wieder) möglich zu machen, andererseits rückt dieses Ziel an manchen Orten allein schon aufgrund der stark gestiegenen Baulandpreise in immer weitere Ferne.
Nach Angaben des Verbändebündnis Wohnungsbau sind die Baulandpreise in Deutschland in den vergangenen sechs Jahren durchschnittlich um 45 % gestiegen. Zum Vergleich: Die Verbraucherpreise stiegen im gleichen Zeitraum lediglich um 6,9 %. In Gegenden wie Berlin-Mitte, wo ein Quadratmeter Bauland knapp 7.300 Euro kostet, erscheint bezahlbares Wohnen fast schon wie eine Utopie.
Kurzfristig ändern lässt sich diese vertrackte Situation wohl kaum. Ein verstärkter Wohnungsbau im Umland könnte aber zumindest langfristig zu einer Entlastung der Zentren beitragen. Damit dies gelingt, müssen die beteiligten Akteure allerdings nicht nur die Chancen, sondern auch die potenziellen Hindernisse einer solchen Strategie frühzeitig erkennen und berücksichtigen. Einen Beitrag zum Erkenntnisgewinn in diesem Sinn liefert die neue Difu-Studie.
Lebendige Quartiere statt „Schlafstädte“

Die rund 70-seitige Studie wurde im Mai auf dem Wohnungsbautag 2021 vorgestellt.
Ein künftiger Entlastungswohnungsbau im Umland der Metropolen sollte nach den Vorstellungen des Berliner Instituts aber keinesfalls darin bestehen, einfach den klassischen Typus der bislang dort dominierenden Wohngebiete zu kopieren. Statt reine „Schlafstädte“ weiter auszudehnen, wünscht sich das Difu „lebendige Quartiere, die auch Vorteile für die bereits ansässige Bevölkerung mit sich bringen“.
„Der Entlastungswohnungsbau im Umland unterscheidet sich insoweit von der klassischen Suburbanisierung, als dass es nicht um den Neubau weiterer Ein- und Zweifamilienhäuser geht“, heißt es in der Studie. Das Stadtforschungsinstitut favorisiert den Neubau von mehrgeschossigem Wohnungsbau beziehungsweise von bezahlbaren Mietwohnungsbauten in den Umlandgemeinden. Es fordert „angemessene Dichten“ auch im Umland sowie vielfältige Wohnangebote, die unterschiedliche Zielgruppen ansprechen. Die Studie erörtert die wohnungspolitischen Vor- und Nachteile solcher Angebote.
Das Difu vertritt zudem die These, dass ein Entlastungswohnungsbau im Umland vor allem dann wohnungspolitisch und städtebaulich sinnvoll ist, wenn bei der Planung auch die Infrastrukturen der öffentlichen Daseinsvorsorge berücksichtigt werden: also zum Beispiel Schulen, Kindergärten, soziale Einrichtungen sowie Kultur-, Sport- und Gesundheitsangebote, aber auch quartierverträgliche Gewerbeansiedlungen und Nahversorgungseinrichtungen.
In der Studie wird die Notwendigkeit einer integrierten Stadtentwicklung – auch in den Umlandgemeinden – betont. Dies würde zudem auch das Arbeitsplatzangebot vor Ort erhöhen und somit den Berufsverkehr in die Stadt verringern. Auch Co-Workingspaces – in Kooperation mit großen Arbeitgebern aus den Kernstädten – regt die Studie an, um möglichst viele Fahrten ins Zentrum überflüssig zu machen.
ÖPNV-Anschluss wichtig
Ohnehin sollte ein vermehrter Wohnbau im Umland den motorisierten Individualverkehr möglichst wenig verstärken. Schlecht wäre es, wenn die neuen Umlandbewohner größtenteils mit dem eigenen Auto in die Stadt pendeln. Nach Ansicht des Difu muss die Strategie deshalb einhergehen mit einem „Ausbau des öffentlichen Verkehrs und anderer umweltverträglicher Verkehrsformen“ – zum Beispiel auch Carsharing-Angebote und bessere Bedingungen für den Radverkehr. Bei der Standortwahl neuer Siedlungen sollten Gebiete, die an vorhandenen Schienenverkehrsstrecken liegen, Priorität haben.
Der Anschluss von Umlandgemeinden an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ist zudem ein weiteres gutes Beispiel dafür, wie auch die bereits ansässige Bevölkerung von neuen Wohnsiedlungen in ihrer Nachbarschaft profitzieren kann. Schließlich benötigen viele Gemeinden zunächst einmal ein Bevölkerungswachstum, um auf diese Weise ein Nachfragepotenzial zu erreichen, das die Anbindung an den schienengebundenen ÖPNV rechtfertigt.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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