
Viel Arbeit, wenig Personal: Der Fachkräftemangel führt auch zur Mehrbelastung vorhandener Beschäftigter. Grafik: Pixabay
Arbeitsmarkt: Fachkräftemangel am Bau
Der jüngste Arbeitsmarktreport des Deutschen Industrie- und Handelskammertages trägt den programmatischen Titel „Fachkräfte gesucht wie nie!“. Wenn eine sonst eher nüchtern argumentierende Organisation wie der DIHK ihre Veröffentlichung mit einem Ausrufezeichen versieht, muss die Situation wohl Ernst sein. Der Report zeigt auch, dass die Baubranche besonders stark vom Fachkräftemangel betroffen ist.
Die Ergebnisse des Arbeitsmarktreportes 2018 beruhen auf knapp 24.000 Unternehmensantworten. Die Auswertung zeigt unter anderem, dass Fachkräftemangel mittlerweile für 60 % der deutschen Betriebe das Geschäftsrisiko Nummer eins ist. Das Fehlen qualifizierter Mitarbeiter sei inzwischen ein „volkwirtschaftlicher Engpass“, sagt Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des DIHK, und verweist etwa auf die negativen Folgen für den Infrastruktur-Ausbau oder mangelnde Transportkapazitäten aufgrund von Fahrermangel.
In der Öffentlichkeit stehe derzeit vor allem die Digitalisierung im Fokus, oft in Verbindung mit Sorgen vor drohenden Jobverlusten. Doch Achim Dercks prophezeit: „Tatsächlich wird in den kommenden Jahrzehnten das Gegenteil der Fall sein – ein nahezu flächendeckender Fachkräftemangel wird das Kernthema sein.“ Besonders stark von Fachkräfte-Engpässen betroffen sind laut Arbeitsmarktreport übrigens kleinere und mittlere Unternehmen, die nur 20 bis 200 Beschäftigte und oft keine eigene Personalabteilung haben.
Baubranche stark betroffen
Und zu den am stärksten betroffenen Branchen zählt die Baubranche, in der laut DIHK-Umfrage aktuell 61 % aller Unternehmen Schwierigkeiten haben, ihre offenen Stellen mit Fachkräften zu besetzen. Zum Vergleich: Im Arbeitsmarktreport 2017 waren es nur 37 %. Die Situation hat sich also in jüngster Zeit noch einmal deutlich zugespitzt.
Fachkräftemangel hat viele negative Folgen. Dazu zählt auch die Mehrbelastung der vorhandenen Fachkräfte in den Unternehmen. Eine Dauerlösung für das Problem des Personalmangels sei das aber nicht, mahnt Achim Dercks. Schließlich seien attraktive Arbeitsbedingungen mittlerweile längst ein „Wettbewerbsfaktor beim Werben um die knappen Mitarbeiter“.
Das Fehlen von Personal lässt sich also nicht so einfach durch Mehrbelastung der vorhandenen Kräfte ausgleichen. Die Folgen des Mangels können daher in Zukunft sehr negativ sein. So müssen Unternehmen zum Beispiel ihr Angebot einschränken oder Aufträge ablehnen. In der DIHK-Befragung sahen 45 % der Unternehmen solche Einschränkungen als eine Folge längerfristigen Fachkräftemangels. In der Bauwirtschaft ist man diesbezüglich sogar noch weitaus pessimistischer. 71 % der Unternehmen rechnen hier damit, aufgrund von Fachkräftemangel Aufträge ablehnen und ihr Angebot einschränken zu müssen.
Flaschenhals Planung und Ausführung
In der Baubranche gibt es traditionell viele öffentliche Aufträge. Die Finanzierung ist in solchen Fällen gesichert. Auch im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung wurden schon wieder viele Projekte vereinbart – vom Breitbandausbau und Straßenerneuerungen über die Sanierung von Schulen bis hin zum dringend benötigten Wohnungsneubau.
Doch der Fachkräftemangel wird auch beschlossene öffentliche Bauvorhaben zumindest zeitlich verschieben. Es kann zu einem gegebenen Zeitpunkt eben nur so viel gebaut werden wie Personal vorhanden ist. Hinzu kommt, dass in der DIHK-Erhebung auch 62 % der befragten Architektur- und Ingenieurbüros über Fachkräftemangel klagen. Nicht nur die Ausführung, sondern schon die Planung zeichnet sich also als personalbedingter Flaschenhals für die künftige Realisierung von Bauvorhaben ab.
Handlungsempfehlungen

Warnung mit Ausrufezeichen: Der Arbeitsmarktreport 2018 informiert über ein großes Problem des Wirtschaftsstandortes Deutschland.
Der Arbeitsmarktreport enthält auch Handlungsempfehlungen. Basis dafür sind die Antworten der befragten Unternehmen, von denen man auch wissen wollte, was aus ihrer Sicht geschehen müsste, um das drängende Problem des Fachkräftemangels abzumildern. Am häufigsten wurden hier Veränderungen im Bildungssystem gefordert.
58 % der Firmen wünschten sich eine Stärkung der beruflichen Bildung. Fast genauso viele (55 %) empfehlen zur Fachkräftesicherung eine bessere Qualifikation der Schulabgänger. Weitere genannte Punkte waren eine Steigerung der Attraktivität der Regionen, in denen die Unternehmen ihren Sitz haben (36 %), ein Ausbau von Kinderbetreuung, Ganztagsschulen und Pflegeangeboten (29 %) und eine leichtere Beschäftigung von ausländischen Fachkräften (28 %).
Auf Grundlage dieser Umfrageergebnisse hat der DIHK Handlungsempfehlungen formuliert. Besonderen Wert legt er auf eine stärkere Kommunikation der Vorteile der dualen Berufsausbildung schon in den Schulen. Insbesondere Gymnasien dürften die Schüler nicht einseitig auf ein Studium vorbereiten. Wie die Umfrage zeigt, haben die Unternehmen nämlich mittlerweile häufiger Engpässe bei beruflich Qualifizierten (48 %) als bei Hochschulabsolventen (in 35 % der Unternehmen, die Stellenbesetzungsprobleme haben).
Stärkung von Schulen und Berufsschulen
Neben einer verbesserten Berufsorientierung in der Schule fordert der DIHK auch eine finanzielle und personelle Stärkung der Berufsschulen. Sowohl Schulen als auch Berufsschulen müssten zudem über eine bessere IT-Ausstattung verfügen. Insgesamt empfiehlt der DIHK, dass bei der schulischen Ausbildung die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik stärker im Fokus stehen sollten. Denn das seien die Qualifikationen, die in den Unternehmen besonders häufig knapp sind.
Beim Thema Zuwanderung fordert der DIHK unter anderem, dass beruflich qualifizierte ausländische Fachkräfte auch ohne Jobangebot zur Arbeitsplatzsuche befristet nach Deutschland zuwandern können – analog zu Hochschulabsolventen. Außerdem empfiehlt er, die Positivliste zur Zuwanderung von Nicht-EU-Bürgern mit beruflicher Qualifikation um zusätzliche Berufe zu erweitern – zum Beispiel in den Branchen Logistik und Gastronomie. Außerdem sollte – so der DIHK – im Ausland zielgerichteter bei künftigen Fachkräften für das Studieren und Arbeiten in Deutschland geworben werden.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
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