RM Rudolf Müller
Viele Unternehmen fürchten negative Folgen durch den zunehmenden Fachkräftemangel.

Viele Unternehmen fürchten negative Folgen durch den zunehmenden Fachkräftemangel.

Hintergrundwissen
05. Januar 2022 | Artikel teilen Artikel teilen

DIHK-Befragung zum Fachkräftemangel

Corona-Lockdowns und Kurzarbeit haben den Fachkräftemangel in deutschen Betrieben nur zeitweise in den Hintergrund gedrängt. Wie der aktuelle Fachkräftereport des DIHK zeigt, meldeten die Unternehmen im Herbst 2021 sogar spürbar mehr Personalengpässe als vor der Corona-Krise. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen konnte offene Stellen zumindest vorübergehend nicht besetzen. Besonders große Personallücken gibt es in der Bauwirtschaft.

„Der Fachkräftemangel in den Betrieben ist zurück – schneller und in größerem Umfang als von vielen erwartet“, fasst Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), die Ergebnisse des im November erschienenen „DIHK-Report Fachkräfte 2021“ zusammen. Für den Report wurden im Herbst rund 23.000 Unternehmen befragt, davon 44 % aus dem Wirtschaftszweig Dienstleistungen, 28 % aus der Industrie, 22 % aus dem Handel sowie 6 % aus der Bauwirtschaft.

Lage schlimmer als vor Corona

 Die zentrale Frage der Untersuchung offenbarte massive Stellenbesetzungsprobleme.


Die zentrale Frage der Untersuchung offenbarte massive Stellenbesetzungsprobleme.

Laut Befragung konnten 51 % der Unternehmen offene Stellen zumindest teilweise nicht besetzen. Damit ist der zwischenzeitlich deutliche Rückgang der Stellenbesetzungsprobleme, der sich im Herbst 2020 aufgrund des Einbruchs der Personalnachfrage infolge der Corona-Pandemie gezeigt hatte, bereits jetzt wieder aufgezehrt. Tatsächlich ist die Lage bereits heute sogar schlimmer als vor Corona. Im Herbst 2019 klagten nämlich „nur“ 47 % der deutschen Betriebe über Stellenbesetzungsprobleme.

Die Zunahme um fünf Prozentpunkte im Herbst 2021 ist durchaus erschreckend, weil ja im Augenblick – laut Achim Dercks – „die Krise und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in vielen Betrieben nicht überstanden sind und der Konjunkturaufschwung schwächelt“. Was soll also erst werden, wenn die deutsche Wirtschaft mal wieder richtig brummt? Die Zukunftsprognose von Dercks klingt jedenfalls pessimistisch: „In den kommenden Jahren wird es für die Unternehmen ein immer mühsameres Geschäft, sich gegen die Fachkräfteengpässe zu stemmen. Zur Energiewende gesellt sich für die Betriebe nun auch die Herausforderung einer Fachkräftewende.“

Diese Einschätzung wird von der Befragung gedeckt. 85 % der Unternehmen gaben an, dass sie negative Auswirkungen vom wachsenden Fachkräftemangel erwarten, 61 % sorgen sich um eine Mehrbelastung ihrer Belegschaften, 58 % erwarten steigende Arbeitskosten und 43 % der Befragten gehen sogar davon aus, dass sie künftig Aufträge ablehnen oder ihr Angebot reduzieren müssen, weil nötiges Personal fehlt.

Der DIHK schätzt, dass die Anzahl der nicht besetzten Stellen in Deutschland derzeit insgesamt bei etwa 1,7 bis 1,8 Mio. liegt. Achim Dercks: „Das bremst die Wertschöpfung grob geschätzt um rund 90 Mrd. Euro – also circa 2,5 % des Bruttoinlandproduktes. Damit erweist sich der Fachkräftemangel als enorme Wachstumsbremse.“ Kein Wunder, dass ihn bei der DIHK-Befragung 59 % der Unternehmen als das größte Geschäftsrisiko nennen.

Große Engpässe am Bau

Für den DIHK-Report wurden rund 23.000 Unternehmen befragt.

Für den DIHK-Report wurden rund 23.000 Unternehmen befragt.

Ein Wirtschaftszweig, der den Fachkräftemangel schon seit einiger Zeit deutlich spürt, ist die Bauwirtschaft. Bei der Befragung bekannten 66 % der Betriebe aus dieser Branche, dass sie offene Stellen längerfristig nicht besetzen können, weil sie keine passenden Arbeitskräfte finden. In der Industrie taten dies „nur“ 53 % der Unternehmen, im Dienstleistungsbereich waren es 50 % und im Handel 45 %.

Der Bau ist hier also im negativen Sinn führend, zumindest wenn man nur den Vergleich zwischen den sehr allgemeinen Wirtschaftszweigen Industrie, Bau, Handel und Dienstleistungen macht. Beim detaillierteren Blick auf einzelne Branchenbereiche sieht das Bild dann schon noch etwas aus. So ergab die DIHK-Befragung, dass 78 % der Reinigungsdienste sowie 77 % der Unternehmen aus dem Bereich Abwasserentsorgung/Abfallbeseitigung offene Stellen längerfristig nicht besetzen konnten. Beim (boomenden) Handel mit gesundheitsbezogenen Gütern lag der Wert bei 74 %, in der Gesundheitswirtschaft insgesamt bei 70 % und im Gastgewerbe bei 69 %.

Aber auch wenn man einzelne Teilbereiche des Bausektors betrachtet, ergeben sich zum Teil noch höhere Werte als die oben genannten 66 %. Im Ausbaugewerbe klagen 72 % der Befragten über Personalprobleme, im Tiefbau 67 %. Nebenbei gesagt: Auch in Architektur- und Ingenieurbüros sind es mit 58 % nicht gerade wenige. Insgesamt gaben nur 9 % der befragten Baufirmen an, dass sie keinerlei Probleme bei der Stellenbesetzung haben. Weitere 25 % suchten zum Zeitpunkt der Befragung gerade kein neues Personal.

Der starke Fachkräftemangel am Bau mag zum Teil damit zu erklären sein, dass diese Branche nach wie vor nicht besonders attraktiv für potenzielle Arbeitskräfte und Berufsanfänger ist. Hinzu kommt die seit Jahren hohe Auftragslage sowie die Tatsache, dass die Branche auch von der Corona-Pandemie weitaus weniger stark getroffen wurde als viele andere Wirtschaftsbereiche. Unterm Strich bleibt festzuhalten, dass es auf Deutschlands Baustellen schon seit geraumer Zeit mehr zu tun gibt als sich mit dem vorhandenen Personal schaffen lässt. Das führt dann vielerorts zu einem „Baustau“.

Auch Azubis Mangelware

Der Fachkräftemangel wird hierzulande durch einen Rückgang bei den Ausbildungsverträgen befeuert. 2021 waren es erneut weniger als im Vorjahr – erschreckend, wenn man bedenkt, dass 2020 ja das erste Corona-Jahr war, mit Lockdowns und strengen Kontaktbeschränkungen! Es bedarf keiner großen Fantasie, um sich vorzustellen, dass weniger Azubis heute weniger Fachkräfte morgen bedeutet. Laut DIHK-Report 2021 suchten 57 % der Unternehmen, die zum Befragungszeitpunkt Stellen nicht besetzen konnten, erfolglos Mitarbeitende, die eine duale Berufsausbildung absolviert haben.

Immerhin gaben 46 % der befragten Betriebe an, künftig die eigene Ausbildung intensivieren zu wollen, um perspektivisch ihre Fachkräftebasis sichern zu können. Zudem möchte etwa jedes dritte Unternehmen, das unter Stellenbesetzungsproblemen leidet, vermehrt in Weiterbildungsaktivitäten investieren. Die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte ist für 34 % der befragten Unternehmen eine Option. Mehr als jeder vierter Betrieb sieht einen Ansatz in der verstärkten Beschäftigung älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Besonders Handel und Bau (jeweils 52 Prozent) sowie Industrie (49 Prozent) wollen mit mehr Ausbildung auf Engpässe reagieren. Diese löbliche Absicht wird aber in der Praxis nicht immer leicht umzusetzen sein. Schließlich sind heute in vielen Bereichen auch Ausbildungsbewerber rar gesät. Die wesentlichen Ursachen dafür sind die demografische Entwicklung mit abnehmenden Schülerzahlen sowie die zunehmende Studierneigung von Schulabgängern.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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