RM Rudolf Müller
Wohneigentum umfasst komplette Häuser, aber auch einzelne Wohneinheiten.  Foto: Pixabay

Wohneigentum umfasst komplette Häuser, aber auch einzelne Wohneinheiten.  Foto: Pixabay

Hintergrundwissen
01. Dezember 2020 | Artikel teilen Artikel teilen

Studie zu Wohneigentumsbildung

Altersarmut ist in erster Linie Mieterarmut. So lautet ein Fazit der neuen Wohnungsmarktstudie des Pestel-Instituts. Die Wissenschaftler haben darin die Rentenerwartung der Bevölkerung, die Einkommenssituation deutscher Senioren sowie das Sparverhalten von Mietern und Eigentümern untersucht und kommen unter anderem zu der Schlussfolgerung, dass Wohneigentum langfristig die günstigere Wohnform sei.

Die Studie trägt den Titel „Fakten-Check Wohneigentum – Altersarmut = Mieterarmut? – Wohn-Radar zum Eigentum in Deutschland“ und wurde von den Organisationen Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM), Bundesarchitektenkammer (BAK), Immobilienverband Deutschland (IVD) und Verband Privater Bauherren (VPB) in Auftrag gegeben („Verbändebündnis Wohneigentum“). Sie sollte eigentlich bereits im März 2020 im Rahmen eines Pressegesprächs vorgestellt werden, das jedoch wegen Corona ausfiel. Seit August ist der Abschlussbericht aber online verfügbar.

Anstieg der Altersarmut

Die Autoren der Studie erwarten einen weiteren Anstieg der Altersarmut in Deutschland. Sie verweisen darauf, dass bei neuen Rentnern der durchschnittliche Zahlbetrag im Jahr 2018 um 9 % niedriger lag als 1995. Dieses Minus hätte sogar deutlich höher ausfallen müssen, wenn sich die Höhe der gesetzlichen Rente ausschließlich nach den zuvor gezahlten Beiträgen bemäße. Durch die Praxis, die Rente auch an die allgemeine Lohnentwicklung zu koppeln, wurde der Rückgang zumindest abgemildert.

Für die Zukunft geht das Pestel-Institut von einer Zunahme der Mini-Renten aus. Verantwortlich dafür machen die Wissenschaftler neben politisch bereits beschlossenen weiteren Absenkungen des Rentenniveaus auch die Etablierung eines Niedriglohnsektors und die Ausweitung von Minijobs zu Beginn dieses Jahrtausends. Hinzu komme die im Bevölkerungsdurchschnitt gesunkene Einzahlungsdauer in die Rentenkasse.

Beschäftigte aus dem Niedriglohnsektor hätten in der Regel Rentenansprüche unterhalb der Grundsicherung und verfügten oft nicht über eine zusätzliche private Altersvorsorge. Die Folgen seien schon heute zu spüren: Von 2003 bis 2019 habe sich die Anzahl der Personen im Ruhestandsalter um 17,1 % erhöht, im selben Zeitraum aber nahm die Anzahl der Personen, die im Alter Grundsicherungsleistungen empfingen, um 118 % zu .

Wohneigentum gegen Altersarmut?

Viele Rentner müssen schon heute jeden Euro zweimal umdrehen. Foto: Pixabay

Viele Rentner müssen schon heute jeden Euro zweimal umdrehen. Foto: Pixabay

Kann die Bildung von Wohneigentum Altersarmut verringern? Die Studie bejaht dies grundsätzlich – zumindest, wenn die Eigentumsbildung früh genug erfolgt. Erwerbstätige zwischen 25 und 40 Jahren hätten in jedem Fall noch eine ausreichende Resterwerbszeit, um Wohneigentum zu bilden. Gerade in dieser Zielgruppe sei die Wohneigentumsbildung aber seit 2002 rückläufig. Und gerade diejenigen Haushalte, deren Altersarmutsrisiko besonders hoch ist, habe die Politik mit den bisherigen Instrumenten der Eigentumsförderung leider nicht erreicht.

Nach den Daten der jüngsten „Mikrozensuszusatzerhebung Wohnen“ lag die Wohneigentumsquote der Deutschen im Jahr 2018 bei 44 % – mit zuletzt sinkendem Trend. In der Altersgruppe der 25- bis unter 40-Jährigen fiel die Quote sogar auf nur noch 22 %. Das Pestel-Institut hält eine Trendumkehr für dringend geboten. Im Fakten-Check legen sich die Autoren fest: Die Wohneigentumsbildung habe ein hohes Armutsvermeidungspotenzial, und Altersarmut sei vor allem Mieterarmut.

Wenn Menschen in den Ruhestand gehen, sinke ihr Nettoeinkommen in der Regel deutlich ab, während die Mietkosten aber gleich bleiben oder sogar steigen. Wer dagegen über Wohneigentum verfügt und dieses beim Ruhestandseintritt abgezahlt hat, habe im Alter geringere finanzielle Lasten zu tragen, argumentieren die Autoren der Studie und untermauern dies mit Zahlen: 2016 hätten Senioren in Mieterhaushalten durchschnittlich etwa 34 % ihres Einkommens für die Miete ausgegeben, während Eigentümerhaushalte im Durchschnitt nur knapp 15 % für die Wohnkosten aufwenden mussten.

Neben dem Immobilienvermögen hat das Pestel-Institut bei Wohnungseigentümern aber auch ein höheres Geldvermögen ausfindig gemacht. Auch bei vergleichbarer Erwerbsbiografie verfügen sie durchschnittlich über höhere Ersparnisse als Mieter. Die Wissenschaftler begründen dies damit, dass Wohneigentumserwerber nach dem Immobilienkauf eine höhere Sparquote anstreben und ihr „sparsameres“ Konsumverhalten dauerhaft beibehalten. Doch auch Wohnungseigentümer ohne größeres Geldvermögen hätten gegenüber Mietern einen Vorteil: Sie können Investitionen in ihr Eigentum in vielen Fällen hinauszögern oder sogar vollständig unterlassen, während Mietzahlungen regelmäßig und unvermeidlich anfallen.

Kleines Wohneigentum

Die Formen des Wohneigentums sind vielfältig: Einfamilienhaus, Doppel- oder Reihenhaus, aber eben auch die kleine Eigentumswohnung. Die Autoren des Fakten-Check sehen insbesondere beim „kleinen“ Wohneigentum noch viel Potenzial. Als Kernzielgruppe definieren sie Haushalte mit einem Haupteinkommensbezieher zwischen 25 und 40 Jahren und einem Nettoeinkommen unter 3.200 Euro pro Monat.

Auch diese Zielgruppe sei bei entsprechender Förderung durchaus in der Lage, den Erwerb einer Eigentumswohnung zu finanzieren. Im Fazit der Studie heißt es dazu: „Da Vermieter ihre Wohnungen zu Konditionen vermieten, die den wirtschaftlichen Erhalt ihrer Kapitalanlage gewährleisten, muss grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Miete die Vollkosten der Wohnung abdeckt. Das heißt, prinzipiell müsste jeder nicht vom Staat alimentierte Mieter seine aktuell bewohnte Wohnung auch im Eigentum finanzieren können.

Damit künftig mehr Mieter zu Eigentümern werden, bedarf es nach Ansicht der Autoren aber passgerechtere Fördermittel. Mit Blick auf das „Eigenkapitalproblem“ empfehlen sie staatliche Bürgschaften. Dadurch könne man der Zielgruppe Zugang zu Krediten verschaffen. Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag von 2018 übrigens bereits angekündigt, „ein Bürgschaftsprogramm der KfW einzuführen, mit dem ein Anteil des Kaufpreises beziehungsweise der Baukosten selbstgenutzten Wohneigentums abgesichert wird“. Das Versprechen wurde bisher nur noch nicht eingelöst.

Kredite zur Wohneigentumsbildung für Haushalte mit mittleren bis niedrigen Einkommen müssten zudem eine langfristige Zinsbindung (20 bis 30 Jahre) bieten und so gestaltet sein, dass sie mit Ablauf der Zinsbindung möglichst vollständig abgezahlt sind. Mit derartigen finanziellen Rahmenbedingungen sei es möglich, Wohneigentumsbildung als einen wesentlichen Baustein der Alterssicherung in breiteren Schichten der Gesellschaft zu etablieren – heißt es in der Studie.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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