RM Rudolf Müller
Immer weniger junge Menschen bewerben sich für eine duale Ausbildung.  Foto: Pixabay

Immer weniger junge Menschen bewerben sich für eine duale Ausbildung.  Foto: Pixabay

Hintergrundwissen
07. Dezember 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Bewerbungsmangel am Ausbildungsmarkt

In Deutschland wurden im Ausbildungsjahr 2021/22 bisher weniger neue Ausbildungsverträge abgeschlossen als in der Zeit vor Corona. Im Rahmen einer Betriebsbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gab knapp die Hälfte der betroffenen Betriebe an, dass fehlende Bewerbungen der Hauptgrund dafür sind, dass Lehrstellen unbesetzt bleiben.

Die in der ersten Septemberhälfte unter 1.540 ausbildungsberechtigten Betrieben durchgeführte repräsentative IAB-Befragung verdeutlicht zudem einmal mehr, dass eine große Mehrheit der Betriebe in Deutschland überhaupt nicht ausbildet. Laut Befragung haben nur 36 % der ausbildungsberechtigten Betriebe für das Ausbildungsjahr 2021/22 überhaupt Lehrstellen angeboten.

Umso erstaunlicher, dass von diesem eher geringen Angebot zum Zeitpunkt der Befragung nur 61 % tatsächlich besetzt war. 39 % aller Ausbildungsplatzangebote blieben also unbesetzt. Unterm Strich hatten bis Mitte September nur 26 % der ausbildungsberechtigten Betriebe mindestens einen neuen Ausbildungsvertrag abgeschlossen. Vor zwei Jahren waren es zum gleichen Zeitpunkt 36 %. Von pandemiebedingten Einschränkungen beim Ausbildungsplatzangebot berichten dagegen inzwischen nur noch wenige Betriebe.

Weniger Ausbildungsverträge als vor Corona

Der Mangel an Bewerbungen ist der Hauptgrund für weniger abgeschlossene Ausbildungsverträge.

Der Mangel an Bewerbungen ist der Hauptgrund für weniger abgeschlossene Ausbildungsverträge.

17 % der befragten Betriebe gaben an, dass sie im Ausbildungsjahr 2021/22 bisher weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen haben als vor der Corona-Krise (2019/20). 47 % dieser Firmen nannten als Grund dafür fehlende Bewerbungen, bei 31 % lag es an einem Mangel geeigneter Bewerbungen. Nur 10 % der Umfrageteilnehmer gab an, mehr Ausbildungsverträge abgeschlossen zu haben als vor der Krise. Wie das IAB ferner mitteilt, tun sich derzeit das Baugewerbe sowie der Groß- und Einzelhandel besonders schwer damit, ihre Ausbildungsstellen zu besetzen.

Die im Rahmen der Befragung von vielen Unternehmen bestätigte Erfahrung eines geringeren Bewerberangebots deckt sich mit den statistischen Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA). Demnach ist die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplatzbewerber zwischen Oktober 2020 und September 2021 um 8,3 % zurückgegangen. Auch im entsprechenden Vorjahreszeitraum gab es hier bereits ein Minus von 7,6 %.

Die Angebotsseite verzeichnet zwar ebenfalls einen Rückgang, dieser fällt aber nicht so kräftig aus. Zwischen Oktober 2020 und September 2021 sank die Zahl der bei der BA gemeldeten freien Ausbildungsplätze um 3,6 % (Vorjahreszeitraum: –7,3 %).

Kleinere Betriebe besonders betroffen

Unbesetzte Ausbildungsplätze sind besonders häufig im Baugewerbe sowie allgemein bei kleineren Betrieben.

Unbesetzte Ausbildungsplätze sind besonders häufig im Baugewerbe sowie allgemein bei kleineren Betrieben.

Kleinere Betriebe (weniger als 50 Beschäftigte) leiden besonders häufig darunter, auf Ausbildungsplatzangebote überhaupt keine Bewerbungen zu erhalten. Bei Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten ist dagegen vor allem der Mangel an geeigneten Bewerbungen ausschlaggebend für den Rückgang an neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen.

Als Folge dieser Entwicklungen gibt es in Deutschland zunehmend unbesetzte Ausbildungsplätze. Betrachtet man die Gesamtheit der vom IAB befragten Betriebe, so waren 39 % der insgesamt angebotenen Lehrstellen im September noch unbesetzt. Bei den kleineren Betrieben war dieser Anteil mit 49 % deutlich höher als bei den größeren Unternehmen (28 %). Im Baugewerbe waren im September sogar 60 % aller angebotenen Ausbildungsplätze noch unbesetzt! Im Groß- und Einzelhandel waren es 43 %.

Als Ursachen für die sinkende Anzahl an Ausbildungsplatzsuchenden nennt das IAB neben der demografischen Entwicklung mit abnehmenden Schülerzahlen und der zunehmenden Studierneigung von Schulabgängern auch die Auswirkungen der Corona-Krise. In den vergangenen zwei Jahren sind eben viele Angebote der Berufsorientierung und Praktika weggefallen, die für jungen Erwachsene eine große Rolle bei der Suche nach einem betrieblichen Ausbildungsplatz spielen.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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