
Auch im neuen Klimaschutzgesetz dreht sich alles um sinkende Treibhausgasemissionen. Foto: Pixabay
Klimaschutzgesetz reloaded
Nach der „Ermahnung“ durch das Bundesverfassungsgericht Ende April hat die Bundesregierung in Windeseile ein verschärftes Klimaschutzgesetz vorgelegt, das bereits Mitte Juni Bundestag und Bundesrat passierte. Zugleich wurde ein neues 8-Milliarden-Sofortprogramm beschlossen – sozusagen als Anschubfinanzierung zur Erreichung der ambitionierteren Klimaschutzziele. Diese haben auch Auswirkungen auf den Gebäudebereich.
Das nun novellierte Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) wurde ursprünglich im Herbst 2019 verabschiedet. Damals strebte man an, dass Deutschland seine Treibhausgasemissionen in den Sektoren Gebäude, Verkehr, Industrie, Landwirtschaft, Energiewirtschaft und Abfallwirtschaft bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 % gegenüber 1990 senkt. Für jedes einzelne Jahr bis 2030 wurde verbindlich festgelegt, um wieviel Tonnen die Jahresemissionsmengen mindestens abnehmen müssen.
Im Gebäudebereich sollten die jährlichen Treibhausgase bis 2030 auf 70 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent sinken. Zum Vergleich: 2019 waren es 120 Mio. Tonnen. Die Politik verpflichtete sich ferner, den Stand der Zielerreichung jedes Jahr zu überprüfen und bei Verfehlung der Ziele in einem Sektor innerhalb von drei Monaten mit einem Sofortprogramm gegenzusteuern.
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts

Der Gebäudesektor soll 2030 nur noch maximal 67 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent verursachen. Foto: Bundesregierung
Für die Zeit nach 2030 sah das ursprüngliche Gesetz allerdings noch keine jährlichen Minderungsziele vor. §4 KSG ermächtigte die Bundesregierung, die Jahresemissionsmengen für die Zeit ab 2031 erst zu einem späteren Zeitpunkt per Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates fortzuschreiben. Genau daran störte sich das Bundesverfassungsgericht. Dessen Beschluss vom 24. März fordert, dass das Gesetz schon jetzt konkrete Minderungsziele auch für die Zeit nach 2030 enthalten muss.
„Die Schonung künftiger Freiheit verlangt auch, den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten“, heißt es im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Darin bringen die Verfassungshüter ihre Befürchtung zum Ausdruck, dass die Praxis mit den nur bis 2030 konkretisierten Minderungszielen im Klimaschutzgesetz dazu führen könnte, dass hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030 verschoben werden. Das Gericht sieht darin eine Benachteiligung künftiger Generationen.
Hintergrund: Die Bundesregierung hat sich mit ihrem Ende 2016 beschlossenen Klimaschutzplan verpflichtet, daran zu arbeiten, dass Deutschland bis 2050 treibhausgasneutral wird. Ab dann dürfen also alle oben genannten Sektoren überhaupt keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre abgeben. Emissionen sind nur dann noch zulässig, wenn sie vollständig kompensiert werden, wenn der Atmosphäre also an anderer Stelle die gleiche Menge an Treibhausgasen wieder entzogen wird.
Das Ziel für 2050 ist zweifellos ambitioniert. Und das Bundesverfassungsgericht scheint nicht unbedingt überzeugt gewesen zu sein, dass die bisher im Klimaschutzgesetz festgeschriebenen Minderungsvorgaben ausreichen, um 2050 das Ziel tatsächlich zu erreichen. Auf jeden Fall fürchtete das Gericht, dass die nach 2030 noch erforderlichen Minderungen dann immer dringender und kurzfristiger erbracht werden müssten, was zu höheren Belastungen und Freiheitseinschränkungen für die jüngere Generation führen würde.
Verschärfte Klimaschutzziele
Der „Rüffel“ des Bundesverfassungsgerichts hat die Politik veranlasst, das Bundes-Klimaschutzgesetz von 2019 in Rekordzeit zu novellieren. Schon am 12. Mai legte die Bundesregierung das verschärfte Klimaschutzgesetz 2021 vor. Neu ist unter anderem, dass die Treibhausgasemissionen bezogen auf das Vergleichsjahr 1990 nun schneller schrumpfen sollen: bis 2030 um 65 % (anstatt bisher 55 %). Außerdem will Deutschland schon 2045 treibhausgasneutral sein, nicht erst 2050.
Was bedeuten die Änderungen nun für den Gebäudebereich? Hier hat die Bundesregierung im neuen Klimaschutzgesetz die maximal zulässigen Jahresemissionsmengen für die Jahre 2024 bis 2030 verringert. Jedes Jahr dürfen nun 2–3 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent weniger ausgestoßen werden als in der alten Fassung. 2030 sollen die Emissionen dann nur noch bei 67 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent liegen (statt bisher 70). Im Vergleich zu 1990 müssten die Emissionen im Gebäudesektor damit um mehr als zwei Drittel sinken.
Jahresemissionsmengen bis 2045

Bis 2030 wurden bereits maximale Jahresemissionsmengen für alle Sektoren festgelegt.
Für die Jahre 2031 bis 2045 gibt es im neuen Gesetz bisher keine konkreten Angaben zu Jahresemissionsmengen. Gleichwohl hat die Bundesregierung die Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts nicht einfach ignoriert. Sie hat nur beschlossen, dass die konkrete Festlegung der jährlichen Minderungsziele pro Sektor erst später erfolgt. 2024 will man die Ziele für die Jahre 2031 bis 2040 definieren. Spätestens 2034 sollen die maximalen Jahresemissionsmengen für die Jahre 2041 bis 2045 feststehen. So regelt es das neue Klimaschutzgesetz in §4, Absatz 6.
Vorerst aber sieht das neue Klimaschutzgesetz nur prozentuale Minderungsziele für die Jahre 2031 bis 2040 vor – und dies auch nur sektorenübergreifend. Im Jahr 2031 sollen demnach die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 über alle Sektoren hinweg um 67 % niedriger liegen. Von da an nimmt das Reduktionsziel dann jedes Jahr um 2–3 % zu. Für das Jahr 2040 gilt ein Minderungsziel von mindestens 88 %. Für 2045 ist Treibhausgasneutralität geplant. Nach 2050 strebt die Bundesregierung laut Klimaschutzgesetz negative Emissionen an. Dann soll Deutschland mehr Treibhausgase in natürlichen Senken wie Wälder und Moore einbinden, als es ausstößt.
8-Mrd.-Sofortprogramm

Der Löwenanteil der Mittel aus dem neuen Sofortprogramm fließt in den Gebäudesektor.
Um die ambitionierten Klimaschutzziele des Gesetzes zu erreichen, hat die Bundesregierung am 23. Juni ein 8-Mrd.-Sofortprogramm beschlossen. Was fällt davon für den Gebäudebereich ab? Eine ganze Menge! Allein 4,5 Mrd. Euro aus dem neuen Fördertopf sollen nämlich ab 2022 in die energetische Gebäudesanierung fließen. Das Geld wird eingesetzt zur Aufstockung der bisherigen Programme im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG). Die Bundesregierung hat zugleich beschlossen, dass aus dem BEG-Topf ab 2023 keine Heizungen mehr gefördert werden sollen, die nur mit fossilen Brennstoffen arbeiten.
Bis 2025 ist zudem eine weitere Milliarde Euro für den klimagerechten Neubau beziehungsweise die Sanierung von Sozialwohnungen vorgesehen. Dieses Geld fließt nicht im Rahmen der BEG-Förderung, sondern wird als Aufstockung der Bundesfinanzhilfen für den sozialen Wohnungsbau gewährt.
Insgesamt fließen also 5,5 Mrd. Euro des 8-Mrd.-Sofortprogramms in den Gebäudesektor. Und man sollte nicht vergessen, dass es sich bei dieser Summe um zusätzliche Mittel handelt. Darüber hinaus hat die Bundesregierung seit 2019 im Rahmen ihrer Klimaschutz- und Konjunkturprogramme bereits über 80 Mrd. Euro für den Klimaschutz verplant. Auch davon fließt einiges in den Gebäudesektor. Näheres Infos dazu bietet unser Beitrag über das Klimaschutzprogramm 2030.
Neubaustandards werden angehoben
Die Politik erhöht im Gebäudebereich aber nicht nur die Fördergelder, sondern plant auch höhere Anforderungen. Fördern und fordern – sozusagen. Die energetischen Mindeststandards für Neubauten werden voraussichtlich erneut angehoben. Dafür soll das erst im November 2020 als Nachfolger der Energieeinsparverordnung in Kraft getretene Gebäudeenergiegesetz (GEG) bereits 2022 schon wieder novelliert werden. In der Baubranche wird das bei vielen Akteuren sicher nicht auf Begeisterung stoßen, denn höhere energetische Standards heißt meist auch, dass das Bauen noch teurer wird.
Auf der anderen Seite senken gut gedämmte Häuser langfristig die Kosten für die künftig steigende CO2-Bepreisung im Gebäudebereich, denn Dämmen ermöglicht geringere Heizkosten. Damit Vermieter mehr Anreize für energetische Sanierungen beziehungsweise Heizungsmodernisierungen haben, hat die Bundesregierung beschlossen, dass der CO2-Preis künftig je zur Hälfte von Vermieter und Mietern zu tragen ist und nicht mehr zu 100 % auf die Warmmiete der Hausbewohner umgelegt werden darf.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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