RM Rudolf Müller
Handwerksberufe bieten oft gute Berufsaussichten. Foto: Pixabay

Handwerksberufe bieten oft gute Berufsaussichten. Foto: Pixabay

Hintergrundwissen
15. Januar 2019 | Artikel teilen Artikel teilen

Ursachen für Lehrlingsmangel im Handwerk

Viele Handwerksberufe leiden unter einem akuten Lehrlingsmangel. Finden junge Menschen handwerkliche Tätigkeiten etwa uninteressant oder die Bezahlung zu unattraktiv? Eine Umfrage des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) hat ergeben, dass diese Punkte gar nicht so entscheidend sind. Viele der befragten Jugendlichen gaben an, dass ihnen handwerkliche Tätigkeiten durchaus gefallen würden. Sie können damit aber in ihrem sozialen Umfeld nicht punkten.

Um Erkenntnisse über die Ursachen des Lehrlingsmangels im Handwerk zu gewinnen, hat das BIBB rund 1.700 Schülerinnen und Schüler der neunten und zehnten Jahrgangsstufe von elf allgemeinbildenden und zwei berufsbildenden Schulen befragt. Die Ergebnisse der Befragung wurden im BIBB-Report 5/2018 veröffentlicht, den man hier kostenlos downloaden kann. Er ist erschienen unter dem Titel „Was eine Berufsausbildung im Handwerk attraktiv macht“.

Die Umfrage zeigt unter anderem, dass viele Jugendliche sich bei ihrer Berufswahl stark von ihrem sozialen Umfeld beeinflussen lassen. Stehen sie vor der Frage, ob sie einen Handwerksberuf erlernen sollten, geht es für sie nicht nur darum, ob die Arbeit interessant ist, was sie einbringt und unter welchen Bedingungen sie zu verrichten ist. Noch wichtiger ist für die Schülerinnen und Schüler offenbar, ob ihnen die Wahl des Berufs hilft, in ihrem sozialen Umfeld Anerkennung zu finden. Ist dies nicht der Fall, nehmen viele vom betreffenden Beruf Abstand – selbst dann, wenn ihnen die Arbeit darin eigentlich gefallen würde.

Handwerksferne Elternhäuser

Nach BIBB-Angaben stammen immer mehr Schulabgänger aus Elternhäusern, die selbst keine Verbindung zum Handwerk haben und von ihren Kindern das Abitur oder einen Hochschulabschluss erwarten. Solche Jugendlichen haben dann in ihrem sozialen Umfeld natürlich keine Vorbilder, die für das Handwerk werben und den Reiz sowie die Vorteile dieser Berufe anschaulich vermitteln könnten. Die Folge ist, dass Schulabgänger oft nicht mal in Erwägung ziehen, eine Berufsausbildung im Handwerk zu machen. Sie denken einfach gar nicht an diese Option.

Nach Ansicht des BIBB ließe sich das Interesse der Jugendlichen durch eine stärkere Aufklärung über die aktuellen Tätigkeitsanforderungen in Handwerksberufen steigern. Denn das, was sich diese vor allem wünschen – abwechslungsreiche und kreative Arbeit unter Einsatz modernster Technik – kennzeichnet nach Ansicht von Ausbilderinnen und Ausbildern die Arbeit in Handwerksberufen viel stärker als Jugendliche vermuten. Gleichwohl bleibt es für die Berufsstarter eine entscheidende Frage, ob der gewählte Beruf ihr Ansehen in ihrem sozialen Umfeld stärkt. Ist dies nicht der Fall, wird auch die Aufklärung über die tatsächlichen Berufsinhalte nur noch wenig bewirken.

Ausbildungsbotschafter sind wichtig

Werbung fürs Handwerk: Der Zentralverband des Deutschen Handwerks veranstaltete im September 2018 eine Aktion vor der Frankfurter Börse. Foto: ZDH

Werbung fürs Handwerk: Der Zentralverband des Deutschen Handwerks veranstaltete im September 2018 eine Aktion vor der Frankfurter Börse. Foto: ZDH

BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser schlussfolgert aus den Umfrage-Ergebnissen, dass sich die Berufsorientierung in den Schulen ändern muss. Es reiche nicht, einfach nur über Handwerksberufe zu informieren, man müsse auch Identifikationspotenziale für junge Menschen aufzeigen. Deshalb sei zum Beispiel die Idee richtig, Azubis als Ausbildungsbotschafter in die Schulklassen zu schicken. Hubert Esser: „Eine junge Auszubildende mit höherem Schulabschluss, die sich bewusst für einen männertypischen Handwerksberuf, wie zum Beispiel Klempner oder Metallbauer, entschieden hat, hat eine emotional wesentlich bedeutsamere Wirkung auf die Schülerinnen und Schüler als eine Broschüre, in der mit klugen Argumenten für eine von Klischees unabhängige Berufswahl geworben wird.“

Handwerk als Unternehmer-Beruf

Außerdem müsse man auch die Eltern über die Vorteile einer handwerklichen Ausbildung informieren. „Eltern muss die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung noch stärker als bislang vor Augen geführt werden“, fordert Esser. „Dazu sind kommunikationspolitische Initiativen notwendig, die Karrierewege beschreiben, wie im Handwerk attraktive Beschäftigungsmöglichkeiten bis hin zur Selbstständigkeit erreicht werden können. Das Berufsziel ‚Unternehmer‘ müsste dabei besonders hervorgehoben werden.“

Darüber hinaus wünscht sich der BIBB-Präsident mehr Initiativen, um die duale Berufsausbildung insgesamt zu stärken und sie im Vergleich zum Studium attraktiver zu machen. Esser regt zum Beispiel an, Studentenwohnheime in „Bildungswohnheime“ umzuwandeln, die auch für Azubis offenstehen. Und analog zum Semesterticket für Studierende schlägt er ein überregional gültiges Azubi-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr vor.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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