
Pulverförmige Baustoffe werden vielfach in Papiersäcken angeboten. Foto: GemPSI
Sackware: Papier hat Potenzial
Pulverförmige Baustoffe wie Zement, Mörtel oder Fliesenkleber werden bis heute oft in Papiersäcken vertrieben. Zugleich haben Kunststoffverpackungen in den letzten Jahren deutlich an Marktanteilen gewonnen. Doch auch die Papierindustrie schläft nicht. Forscher arbeiten zum Beispiel an schweißbaren und feuchtigkeitsresistenten Varianten. Nach Einschätzung der Gemeinschaft Papiersackindustrie hat der uralte Werkstoff aus natürlicher Zellulosefaser noch enormes Innovationspotenzial.
„Im Papiersack achten wir seit jeher darauf, nur dann Kunststoff einzusetzen, wenn es sinnvoll ist und einen Beitrag zur Verbesserung der Nachhaltigkeit der gesamten Lieferkette leistet“, sagt Wilhelm Dyckerhoff, Geschäftsführer des Verpackungsherstellers Dy-Pack und Mitglied in der Gemeinschaft Papiersackindustrie e.V. (GemPSI). In der Praxis bedeutet das zum Beispiel, dass Papiersäcke für Zement bisher in der Regel Verbundmaterialien sind: Sie bestehen außen aus Papier, verfügen aber gleichwohl über eine innenliegende Schicht aus Kunststoff, die den Zement vor äußerer Feuchtigkeit schützen soll.
Trend zu Papier

Papiersäcke lassen sich nicht nur kompostieren, sondern auch problemlos recyceln. Foto: Repasack
Doch in letzter Zeit wächst der Druck von Politik und Verbrauchern auf Kunststoff in Verpackungsmaterialien. Dabei geht es unter anderem darum, die Verschmutzung der Meere durch Plastikabfall zu reduzieren. In der Europäischen Union müssen zum Beispiel bis 2030 alle Plastikverpackungen recycelbar sein, und auch die Verbraucher bevorzugen bereits heute umweltverträgliche Verpackungen.
Papier hat hier große Vorteile: Schließlich lassen sich Zellulosefasern bis zu sechsmal wiederverwerten, und das Papier-Recycling ist bereits langjährig erprobte Praxis mit funktionierender Infrastruktur. In Deutschland lag die Recyclingrate von Verpackungen auf Papierbasis im Jahr 2017 bei 87,6 %, in ganz Europa waren es 84,6 %.
Der Trend könnte also wieder mehr in Richtung Papier gehen. Die Papierforschung tüftelt in den letzten Jahren jedenfalls verstärkt an neuen Verfahren, um das Material mit Eigenschaften auszustatten, die man bisher nur mit Kunststoffen in Verbindung bringt – zum Beispiel Schweißbarkeit, Feuchtigkeitsresistenz und Transparenz. Erste Ergebnisse sind sogar schon in der Praxis zu sehen. So hat der Lebensmittelhersteller Frosta Ende 2019 einen Papierbeutel für Tiefkühlkost auf den Markt gebracht, der ganz ohne Plastik-Beschichtungen auskommt. Die Barriere gegen Fett und Feuchtigkeit wird hier durch ein rein physikalisches Verfahren erreicht.
Neue Materialeigenschaften
Auch für Baustoffsäcke sind feuchtigkeitsresistente Papiersorten natürlich interessant und könnten künftig die bisherigen Verbundmaterialien ablösen. „Die derzeitigen Entwicklungen werden uns ermöglichen, fossile Rohstoffe schnell zu ersetzen und irgendwann ganz darauf zu verzichten“, glaubt Wilhelm Dyckerhoff. Auch beim Thema Schweißbarkeit – bisher eine Domäne der Kunststoffsäcke – gibt es übrigens schon praktische Fortschritte. So verpackt Nestlé seinen „Yes“-Riegel seit Juli 2020 in Papier. Möglich macht es eine neue Technologie, die die Riegel in Papier wickelt und verschweißt.
Auch sonst ist die Weiterentwicklung des Verpackungsmaterials Papier in vollem Gange. „Der Fokus neuer Entwicklungen lag in den letzten Jahren vorrangig auf der Festigkeit und der Atmungsfähigkeit beziehungsweise Porosität des Materials“, erläutert Dyckerhoff. Festere Materialien helfen zum Beispiel dabei, Rohstoffe und Kosten einzusparen. Wilhelm Dyckerhoff: „Wenn die Entwicklungsgeschwindigkeit so fortschreitet, können wir in wenigen Jahren einen 25-kg-Zementsack mit nur zwei Lagen Papier à 40 g/m² genauso sicher verpacken wie heute mit 2 x 70 g/m².“
Bewährter Recycling-Kreislauf

Gereinigtes Kraftpapier ist wertvoller Rohstoff für neue Verpackungen. Foto: Repasack
Papier lässt sich nicht nur recyceln, sondern auch problemlos kompostieren. „Aus ökonomischer und ökologischer Sicht ist das Recycling jedoch dem Kompostieren vorzuziehen, da die wertvollen Rohstoffe weiter im Stoffkreislauf bleiben und für andere Zwecke genutzt werden können“, erklärt Sven Korsten, Prokurist bei der Repasack GmbH in Wiesbaden.
Das Rücknahmesystem Repasack wurde 1993 von der Gemeinschaft Papiersackindustrie speziell für das Recycling von Kraftpapiersäcken ins Leben gerufen. Das Unternehmen, das seit dem Jahr 2000 zum Kölner Recyclingunternehmen Interseroh gehört, betreibt heute bundesweit rund 350 Annahme- und Sammelstellen und recycelt jährlich etwa 100 Mio. Kraftpapiersäcke aus Industrie und Gewerbe.
Investitionen für Innovationen
Die Gemeinschaft Papiersackindustrie erwartet in den nächsten Jahren eine größere Nachfrage nach Papiersäcken und geht davon aus, dass die Hersteller weiter in neue Technik und Produktionsverfahren investieren. Für Papiersackkunden werde das weitere Qualitätsverbesserungen für den Rohstoff bedeuten und Vorteile wie schnellere Abfüllgeschwindigkeiten und geringere Flächengewichte nach sich ziehen.
„Wir sind sicher, dass noch viele bahnbrechende Veränderungen aus der Faser kommen werden, die nicht nur die Verpackung von Zement, Baustoffen, Chemikalien, Nahrungs- und Futtermitteln sowie Saatgut im Papiersack revolutionieren, sondern auch seine traditionellen Anwendungsgebiete erweitern werden“, sagt Wilhelm Dyckerhoff.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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