RM Rudolf Müller
Auch aus Kostengründen spricht künftig alles für Wind- und Solarstrom.  Foto: Pixabay

Auch aus Kostengründen spricht künftig alles für Wind- und Solarstrom.  Foto: Pixabay

Hintergrundwissen
03. August 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Solar- und Windstrom immer billiger

Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE hat im Juni die mittlerweile fünfte Auflage seiner Studie zu den Gestehungskosten von Strom aus erneuerbaren Energien vorgelegt. Darin analysieren die Forschenden die aktuellen Kosten und prognostizieren die weitere Entwicklung bis zum Jahr 2040. Ein Hauptergebnis: Aufgrund steigender CO2-Kosten lässt sich Wind- und Solarstrom deutlich günstiger herstellen als elektrische Energie aus konventionellen Kraftwerken.

Laut der neuen Studie „Stromgestehungskosten Erneuerbare Energien“ werden Photovoltaik-Anlagen (auch Dachanlagen) und Windenergieanlagen (an windreichen Standorten) bis zum Jahr 2040 die durchschnittlichen Stromgestehungskosten aller fossilen Kraftwerke deutlich unterbieten. Hauptgrund dafür sind neben der wachsenden CO2-Bepreisung – schon 2030 könnte der Preis für eine Tonne CO2 bei über 100 Euro liegen – weitere technologische Fortschritte bei Solar- und Windstrom.

Was sind Stromgestehungskosten?

Die Studie ermittelt die so genannten Stromgestehungskosten in Eurocent pro Kilowattstunde Strom (€Cent/kWh). Dabei erfasst man die Kosten für Errichtung und Betrieb einer stromerzeugenden Anlage über deren gesamte Lebensdauer und dividiert diese Gesamtkosten durch die Summe der erzeugten Energiemenge über die gesamte Nutzungsdauer der Anlage.

Die Höhe der Stromgestehungskosten wird also nicht nur von den Anlagekosten, sondern auch von der erzeugten Energiemenge beeinflusst. Bei konstanten Anlagekosten sinken die Stromgestehungskosten, wenn die Menge des mit der Anlage produzierten Stroms zunimmt. Detaillierte Infos zur Berechnung der Stromgestehungskosten finden sich im Anhang der Fraunhofer-Studie.

Erneuerbare längst konkurrenzfähig

Stromgestehungskosten für stromerzeugende Anlagen im Jahr 2021 (jeweils minimaler und maximaler Wert).

Stromgestehungskosten für stromerzeugende Anlagen im Jahr 2021 (jeweils minimaler und maximaler Wert).

„Durch die steigenden Kosten für CO2-Zertifikate ist selbst der Betrieb von bestehenden konventionellen Anlagen, betrieben mit Kohle und Gas, in den kommenden Jahren immer weniger wettbewerbsfähig“, sagt Projektleiter Dr. Christoph Kost vom Fraunhofer ISE. Nach den Untersuchungen seines Forschungsteams liegen die Stromgestehungskosten für neue Kraftwerke, die mit erneuerbaren Energiequellen arbeiten (EE-Anlagen), bereits heute auf der Höhe der Betriebskosten von bestehenden konventionellen Kraftwerken, wenn nicht sogar darunter.

Da die bestehenden fossilen Kraftwerke (Braunkohle, Steinkohle, Gas- und Dampfturbinenkraftwerke, Gasturbine) in den nächsten Jahren aber weiter mit stark wachsenden Betriebskosten leben müssen, seien neuinstallierte PV- und Windanlagen ab 2030 günstiger als bestehende konventionelle Kraftwerke.

Würde man heute ein neues Braunkohlekraftwerk errichten, wäre mit Stromgestehungskosten von 10,38 bis 15,34 Eurocent pro Kilowattstunde zu rechnen. Bei neuen Steinkohlekraftwerken wären die Kosten noch höher (11,03 bis 20,04 €Cent/kWh). Bei Gas- und Dampfturbinenkraftwerken ist es weniger (7,79 bis 13,06 €Cent/kWh). Gasturbinenkraftwerke für den kurzfristigen flexiblen Einsatz liegen zwischen 11,46 und 28,96 €Cent/kWh.

Bei neuen Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) liegen die Stromgestehungskosten dagegen schon heute niedriger – je nach Anlagentyp und Sonneneinstrahlung zwischen 3,12 und 11,01 €Cent/kWh. Christoph Kost ist daher überzeugt, dass die Unternehmen künftig lieber in neue EE-Anlagen investieren werden als die hohen Betriebskosten konventioneller Kraftwerke zu tragen. „Allerdings muss auch dafür gesorgt werden, dass genügend Flächen und Kraftwerkskapazitäten für Wind und PV zur Verfügung stehen“, mahnt der Projektleiter.

Photovoltaikpreise sinken

Die knapp 50-seitige Studie wurde im Juni 2021 veröffentlicht.

Die knapp 50-seitige Studie wurde im Juni 2021 veröffentlicht.

Natürlich lässt sich der Kostenvergleich zwischen Strom aus erneuerbaren Quellen und fossilen Energieträgern (Kohle und Gas) nicht pauschal verallgemeinern. Es kommt im Einzelfall immer auch auf den jeweiligen Anlagentyp sowie beim Wind- und Solarstrom nicht zuletzt auch auf den Standort an. PV-Anlagen etwas haben aktuell – wie oben schon erwähnt – Stromgestehungskosten zwischen 3,12 und 11,01 €Cent/kWh. Die Bandbreite ist also groß.

Im Durchschnitt aber sinken die Stromgestehungskosten für EE-Anlagen, während die Betriebskosten fossiler Kraftwerke weiter steigen werden. Für das Jahr 2040 prognostizieren die Fraunhofer-Forschenden Stromgestehungskosten zwischen 3,58 und 6,77 €Cent/kWh bei kleinen PV-Dachanlagen (< 30 kWp) sowie zwischen 1,92 und 3,51 €Cent/kWh bei Freiflächenanlagen (> 1 MWp). Schon ab 2024 sollen die Stromgestehungskosten aller PV-Anlagen (ohne Batteriespeicher) unter 10 €Cent/kWh fallen.

Auch die Anschaffung von Photovoltaik wird im Großen und Ganzen immer günstiger. Bis 2040 prognostiziert die Studie Anlagenpreise von 350 €/kW bei Freiflächenanlagen sowie 615 bis 985 €/kW für Kleinanlagen. In den letzten Jahren gab es aber auch einen gegenteiligen Trend. Kleinere Aufdachanlagen waren laut Studie 2021 zuletzt teilweise leicht teurer.

Optimismus bei Batteriesystemen

Da auch PV-Batteriesysteme einen wachsenden Markt im deutschen Stromsystem ausmachen, wurden sie bei der neuen Studie erstmals in den Vergleich aufgenommen. Ergebnis: Die Stromgestehungskosten für PV-Batterien liegen heute zwischen 5,24 und 19,72 €Cent/kWh. Auch hier gibt es also eine große Bandbreite.

Die Studie liefert eine optimistische Prognose: Demnach könnte die Stromerzeugung aus einem PV-Batteriesystem bereits 2030 günstiger sein als aus einem Gas- und Dampf-Kraftwerk. Im Jahr 2040 könnten dann selbst kleine PV-Batteriesysteme Stromgestehungskosten zwischen 5 und 12 €Cent/kWh erreichen.

Auch Windstrom wird günstiger

Bei Windrädern an Land (Onshore-Anlagen) hat die Studie für 2021 Stromgestehungskosten zwischen 3,94 und 8,29 €Cent /kWh ermittelt. Bis 2040 erwartet das Fraunhofer ISE langfristig weiter sinkende Kosten auf 3,40 bis 6,97 €Cent/kWh.

Offshore-Anlagen – also Windräder im Meer – sind dagegen trotz höherer durchschnittlicher Volllaststunden bisher deutlich teurer. Aufgrund höherer Installations-, Betriebs- und Finanzierungskosten kommt das Fraunhofer ISE hier aktuell auf Stromgestehungskosten zwischen 7,23 und 12,13 €Cent/kWh. Dafür haben die Offshore-Anlagen für die Zukunft aber noch ein stärkeres Kostenreduktionspotenzial. Laut Studie werden ihre Stromgestehungskosten bis 2040 – je nach Standort und Windangebot – auf Werte zwischen 5,87 und 9,66 €Cent/kWh absinken.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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