
Ein duales Studium verknüpft ein wissenschaftliches Studium mit praktischer Arbeit im Unternehmen. Grafik: Pixabay
Studie zum dualen Studium
Die Zahl junger Menschen, die sich für ein duales Studium entscheiden, wächst kontinuierlich. In den 16 deutschen Bundesländern ist die Dynamik allerdings sehr unterschiedlich. Während im Saarland fast 30 % aller Studierenden dual studieren, sind es in vielen anderen Bundesländern nicht einmal 3 %. So steht es in der Studie „Duales Studium: Umsetzungsmodelle und Entwicklungsbedarfe“, die auch noch andere interessante Ergebnisse bietet.
Zwischen 2004 und 2019 ist die Zahl der Studierenden, die ein Studium mit einer Berufsausbildung oder längeren Praxisphasen in einem Unternehmen verbinden, um das Vierfache angestiegen. Das Wachstum erfolgte freilich von einer niedrigen Basis aus. Die absoluten Zahlen klingen weniger spektakulär: Aktuell sind knapp 122.000 Personen in einem der 1.991 dualen Studiengänge in Deutschland eingeschrieben. Allerdings kann man derzeit auch nur 9,6 % aller deutschen Studiengänge überhaupt dual studieren.
Wissenschaftliche Bestandsaufnahme

Der Anteil dual Studierender an der Gesamtzahl der Studierenden liegt im bundeweiten Durchschnitt bei 4,2 %.
Das duale Studium verknüpft ein wissenschaftliches Studium mit praktischer Arbeit in einem Unternehmen. Dabei werden die Kosten für den dualen Studiengang in der Regel von den beteiligten Firmen übernommen. Meist gewähren diese den Studierenden zudem eine Ausbildungsvergütung. Erste Experimente mit dualen Studiengängen wurden seit den 1970er-Jahren in Baden-Württemberg durchgeführt. Heute ist diese Ausbildungsform bundesweit etabliert. Fast überall bieten Fachhochschulen, Universitäten und Berufsakademien entsprechende Studiengänge an.
Höchste Zeit also für eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme. Die im April erschienene Publikation „Duales Studium: Umsetzungsmodelle und Entwicklungsbedarfe“ ist die bislang umfangreichste Standortbestimmung des dualen Studiums in Deutschland. Die Studie wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gemeinsam vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) und vom Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) erstellt. Sie basiert auf Befragungen von 3.500 dual Studierenden, 1.700 Vertretern kooperierender Unternehmen sowie 700 Studiengangsleitungen, die zwischen Herbst 2020 und Sommer 2021 durchgeführt wurden.
84,9 % aller dualen Studienangebote sind übrigens aktuell in Form eines Bachelorstudiengangs organisiert, 13,5 % als Masterstudiengang und 1,6 % als Diplomstudiengang. Wenig überraschend ergab daher auch die Studie, dass die meisten dual Studierenden in einem Bachelorstudiengang eingeschrieben sind – überwiegend an Fachhochschulen beziehungsweise Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) oder an einer eigenständigen Dualen Hochschule.
Die ursprüngliche Idee des dualen Studiums war es, dass junge Menschen parallel ein wissenschaftliches Studium und eine klassische betriebliche Ausbildung abschließen. Dieses so genannte ausbildungsintegrierende duale Studium hat sich allerdings nicht als die dominierende Variante durchgesetzt. Laut Studie entscheiden sich heute knapp 75 % der dualen Studienanfänger für die so genannte praxisintegrierende Variante. Dabei machen die Studierenden längere Praktika im Unternehmen, schließen dort aber keine betriebliche Berufsausbildung ab.
Große Länderunterschiede
Der Anteil der dual Studierenden an der Gesamtzahl der Studierenden liegt im bundeweiten Durchschnitt bei 4,2 %. Von Bundesland zu Bundesland gibt es allerdings gravierende Unterschiede. So zeigt die Studie, dass 2019 im Saarland 29,6 % aller Studierenden in einem dualen Studiengang eingeschrieben waren. Prozentual sind das so viele wie in keinem anderen Bundesland, absolut waren es allerdings nur 9.596 Studierende.
Bei allen anderen Bundesländern liegt der prozentuale Anteil an der Gesamtzahl der Studierenden unter 10 %, bei elf Ländern unter 5 % und bei acht Ländern sogar unter 3 %. Die meisten dual Studierenden gibt es mit 35.700 in Baden-Württemberg (Anteil an der Gesamtanzahl der Studierenden: 9,9 %), gefolgt von Nordrhein-Westfalen (15.635 / 2 %), Berlin (13.279 / 6,8 %) und Bayern (10.318 / 2,6 %). Am wenigsten dual Studierende gibt es in Bremen (243 / 0,6 %), Sachsen-Anhalt (620 / 1,1 %), Mecklenburg-Vorpommern (664 / 1,7 %) und Brandenburg (1.434 / 2,9 %).
Bemerkenswerte Unterschiede auf Länderebene zeichnen sich auch bei der Vergütung ab. So erhalten dual Studierende im Saarland von den kooperierenden Unternehmen monatlich im Durchschnitt nur 627 Euro, in Hessen dagegen 1.115 Euro. Insgesamt ergab die Studie, dass 40,7 % der befragten Studierenden aus dem dualen Studium ein monatliches Nettoeinkommen zwischen 900 und 1.200 Euro beziehen. 17,1 % erhalten mehr als 1.200 Euro, und 38,4 % bekommen zwischen 600 und 900 Euro. Der Rest erhält von seinem Unternehmen weniger als 600 Euro monatlich.
Motive zur Studienwahl

Die meisten dualen Angebote sind Bachelorstudiengänge.
Warum entscheiden sich junge Menschen für ein duales Studium? Bei den Befragungen zur Studie nannten drei Viertel der teilnehmenden Studierenden die Berufsperspektive im Anschluss an das Studium als Motiv für die Studienwahl. Das korrespondiert mit der Tatsache, dass überwiegend praxisorientierte Studiengänge gewählt werden. 37,2 % der dual Studierenden sind im Bereich der Wirtschafts- und Rechtswissenschaften eingeschrieben. Ebenfalls stark nachgefragt sind duale Angebote aus den Bereichen Ingenieurwissenschaften (23,1 %) und Gesundheitswissenschaften (15,1 %).
Die hohe Praxisorientierung zeigt sich auch darin, dass die bestehenden dualen Studienangebote in Deutschland inhaltlich überwiegend an den Bedarf regionaler Wirtschaftsunternehmen angepasst sind. Kein Wunder, dass die Angebote bei den kooperierenden Firmen auf große Akzeptanz stoßen. Sie schätzen insbesondere deren Praxisnähe (78,7 %), sehen Potenziale für die frühzeitige Bindung von Mitarbeitenden (67,2 %) und empfinden es als großen Vorteil, potenzielle Nachwuchskräfte bereits vor dem Studienabschluss betrieblich einarbeiten zu können (65,6 %).
Doch nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Studierenden und die Hochschulen sind laut Studie überwiegend zufrieden mit den Angeboten. Die Befragungen machten zugleich aber auch deutlich, dass eine enge Kooperation der beiden Lernorte hohe Anforderungen an alle Beteiligten stellt und dass man hier nach wie vor Verbesserungsbedarf sieht. Nicht immer scheint die Theorie-Praxis-Verzahnung ideal zu funktionieren. Zudem hat immerhin ein Viertel der befragten Studierenden schon einmal über einen Wechsel des Unternehmens oder Studiengangs nachgedacht. Eine Insel der wunschlos Glücklichen ist das duale Studium also offenbar nicht.
„Insbesondere bei der Qualitätssicherung der Praxisphasen könnten Hochschulen und Unternehmen als gemeinsame Anbieter nachschulischer Bildungsangebote noch mehr tun“, sagt Sigrun Nickel, Leiterin Hochschulforschung beim CHE nach Auswertung der Befragungen. „Hier kommt auch den betrieblichen Ausbildungs- und Studienplänen ein hoher Stellenwert zu.“
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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