
Dieses Horror-Szenario ist heute gar nicht mehr so unrealistisch. Foto: Pixabay
Starkregen-Management überfällig
Der Klimawandel führt zunehmend zu Starkregenereignissen, die milliardenschwere Schäden an Gebäuden und Infrastruktur auslösen können. Im schlimmsten Fall – wie jüngst im Ahrtal – sterben sogar Menschen. Deutschland hat beim Schutz vor solchen Katastrophen erhebliche Defizite. Eine aktuelle Unwetter-Studie beklagt bundesweit massive Versäumnisse bei der Prävention und sieht Bund, Länder und Kommunen in der Pflicht.
Starkregenereignisse verwandeln harmlose Bäche in reißende Ströme und fluten oft in Minutenschnelle Straßen, Unterführungen, Keller, Tiefgaragen und U-Bahnschächte. Als Folge der Erderwärmung geschieht dies immer häufiger. Auch in Deutschland wird man daher lernen müssen, mit wachsenden Überflutungsgefahren zu leben. Deren Folgen lassen sich gleichwohl durch geeignete Präventionsmaßnahmen zumindest abmildern.
Dritte Unwetter-Studie
Die Studie „Starkregen und urbane Sturzfluten – Agenda 2030“ fordert in diesem Zusammenhang eine bessere Risikokommunikation, ein fundiertes Starkregen-Management mit Starkregengefahrenkarten für Städte und Gemeinden und eine „wassersensible“ Entwicklung der Städte mit zeitgemäßer Entwässerungs- und Versickerungstechnik. Hausbesitzer sollten zudem mehr Gebäudeschutz betreiben.
„In den kommenden Jahren werden Wetterextreme schlimmer – sie werden an immer mehr Orten, immer häufiger und heftiger auftreten“, sagt Prof. Theo Schmitt von der Technischen Universität Kaiserslautern und warnt: „Überflutungen drohen überall. Auch da, wo keine Gewässer sind.“ Starkregen sei so gefährlich, weil er so plötzlich kommt. Es gebe keine tagelange Vorwarnung wie beim Hochwasser von großen Flüssen, das langsam und berechenbar ansteige.
„Die Sturzflut kommt quasi von oben – von jetzt auf gleich“, bringt es Prof. Wolfgang Günthert vom Institut für Wasserwesen an der Universität der Bundeswehr in München auf den Punkt. Sein Institut lieferte die Untersuchungsdaten, auf deren Basis an der TU Kaiserslautern die neue Unwetter-Studie erstellt wurde. Auftraggeber war die Initiative „Verantwortung Wasser und Umwelt“ (www.starkregenmanagement.de), die vom Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) koordiniert wird. Die Initiative hatte bereits 2016 und 2018 zwei Vorgängerstudien veröffentlicht, über die wir auf BaustoffWissen ebenfalls berichtet haben.
Starkregen-Gefahrenkarten notwendig

Köln hat als erste deutsche Großstadt eine digitale Gefahrenkarte online gestellt.
Wenn es um effektiven Starkregenschutz geht, sieht die Studie insbesondere bei Landkreisen, Städten und Gemeinden massive Versäumnisse. Vor allem kleinere Kommunen würden die Gefahren, die hinter dem wachsenden Starkregen-Risiko stecken, einfach ausblenden. Für Studienautor Prof. Theo Schmitt ist das fahrlässig und nicht hinnehmbar: „Die Kommunen müssen zu mehr Prävention gezwungen werden.“
Konkret fordert Schmitt, Städte und Gemeinden zu einem Starkregen-Risikomanagement zu verpflichten. Die Kommunen müssten lokale Starkregengefahrenkarten erstellen, die detaillierte meteorologische und topografische Daten (Grünflächen, Gefälle) sowie Informationen über die Kapazität von Kanalsystemen vor Ort enthalten. Solche Karten als Ergebnis von Gefährdungsanalysen sollten zudem für unterschiedliche Niederschlagsbelastungen erstellt werden. „Auf Risikokarten muss Straße für Straße – bis aufs einzelne Haus genau – die Überflutungsgefahr eingetragen werden“, erläutert Prof. Wolfgang Günthert vom Institut für Wasserwesen. „Es geht darum, mit der Starkregen-Risikokarte die Wirkung von Sturzfluten digital zu simulieren.“
Wie in der Studie zu lesen ist, hat Köln 2017 als erste deutsche Großstadt grundstücksscharfe Gefahrenkarten auf der Basis von drei unterschiedlichen Niederschlagsbelastungen im Internet veröffentlicht. Im April 2020 konnte immerhin für 19 Großstädte eine Starkregengefahrenkarte online abgerufen werden, in drei weiteren Städten war eine Einsicht auf Anfrage möglich. Die Studie weist darauf hin, dass es nicht ausreicht, wenn die Kommunen zwar über Gefahrenkarten verfügen, dies aber nicht kommunizieren. Die Veröffentlichungen müssen der Bevölkerung öffentlichkeitswirksam bekannt gegeben und mit ergänzenden Beratungsangeboten verknüpft werden.
Gefahrenkarten können natürlich keinen Starkregen verhindern, aber sie sind eine unverzichtbare Informationsbasis für ein effektives Starkregenwasser-Management, das mit präventiven Maßnahmen gezielt dort gegensteuert, wo voraussichtlich die schlimmsten Überflutungsschäden zu erwarten sind.
Entwässerung und Gebäudeschutz

Die neue Studie wurde Ende Mai auf der Messe IFAT in München präsentiert.
Eine effektive Überflutungsvorsorge bedeutet laut Studie insbesondere, die Städte „wassersensibel“ zu entwickeln. Dazu gehören Vorrichtungen zum Transportieren, Reinigen, Speichern und Ableiten von Regenwasser, um Engpässe im Kanal zu vermeiden. Statt Niederschläge einfach wie Schmutzwasser in den öffentlichen Kanal abzuleiten, gehe es heute um den „Erhalt des lokalen Wasserhaushalts durch Stärkung von Verdunstung und Versickerung, kombiniert mit dezentralem Rückhalt und verzögerter offener Ableitung“.
Von den Gefahrenkarten als Informationsplattform sollten laut Studie auch Hausbesitzer profitieren. Damit das funktioniert, seien allerdings über die Darstellung der grundstücksbezogenen Gefährdung in der Gefahrenkarte hinaus weitergehende Erläuterungen zur Vermittlung des Handlungsbedarfs notwendig. Die Studie empfiehlt in diesem Zusammenhang die Entwicklung eines „gewerblichen Beratungsangebotes“, ähnlich wie man es heute im Bereich der Energieberatung bereits kennt.
Ausreichend informiert könnten Hausbesitzer dann auch individuell mehr Vorsorge und somit Gebäudeschutz betreiben. Das Spektrum reicht hier von wasserspeichernden Dachbegrünungen über die Versickerung und Speicherung von Niederschlagswasser auf den Grundstücken bis hin zu baulichen Schutzmaßnahmen für Kellereingänge, Lichtschächte und Tiefgarageneinfahrten. „Es kommt darauf an, gezielt die Schwachstellen beim Haus zu ermitteln und diese umzubauen“, sagt Wolfgang Günthert.
BDB-Präsidentin Katharina Metzger fordert in diesem Zusammenhang auch eine staatliche Förderung des Starkregenschutzes privater Gebäude. In Frage käme – neben steuerlichen Anreizen – etwa die Einführung eines „Starkregen-Bauschutzprogrammes“ bei der staatlichen KfW-Bank. Katharina Metzger: „Hier sind direkte Zuschüsse und zinsgünstige Kredite möglich. Alles ist unterm Strich auf Dauer günstiger als der enorme volkswirtschaftliche Schaden durch die vielen Überflutungen.“
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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