RM Rudolf Müller
Betriebe, die nicht alleine ausbilden wollen oder dürfen, sollten über eine Verbundausbildung nachdenken. Fotos: Pixabay

Betriebe, die nicht alleine ausbilden wollen oder dürfen, sollten über eine Verbundausbildung nachdenken. Fotos: Pixabay

Hintergrundwissen
19. Februar 2019 | Artikel teilen Artikel teilen

Was sind Verbundausbildungen?

Viele kleinere Unternehmen haben keine Azubis. Die Gründe dafür sind vielfältig. Häufig wollen die Betriebe ausbilden, finden aber keine geeigneten Bewerber. Manche Firmen scheuen auch den organisatorischen Aufwand eines Engagements als Ausbilder. Und es gibt Betriebe, die nicht ausbilden dürfen, da sie die Eignungsvoraussetzungen für Ausbildungsstätten nicht erfüllen. Doch für alle Unternehmen, die nicht alleine ausbilden wollen oder dürfen, gibt es eine Alternative: die Verbundausbildung.

Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) definiert Eignungsvoraussetzungen für Ausbildungsstätten: In §27 heißt es, dass Azubis nur eingestellt werden dürfen, „wenn die Ausbildungsstätte nach Art und Einrichtung für die Berufsausbildung geeignet ist“. Der Gesetzgeber will damit sicherstellen, dass die Betriebe tatsächlich in der Lage sind, den Azubis alle Inhalte zu vermitteln, die in der Ausbildungsordnung und im Ausbildungsrahmenplan des jeweiligen Berufes vorgeschrieben sind.

Für Betriebe, die diese Anforderung nicht in vollem Umfang erfüllen können, bietet §27 BBiG aber zugleich eine Ausnahmeregelung. Dort heißt es nämlich: „Eine Ausbildungsstätte, in der die erforderlichen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten nicht im vollen Umfang vermittelt werden können, gilt als geeignet, wenn diese durch Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte vermittelt werden.“ Einen Teil der notwendigen Ausbildungsinhalte darf die ausbildende Firma also auch in außerbetrieblichen Einrichtungen oder in einem anderen Betrieb vermitteln lassen. Werden derartige Kooperationen im Ausbildungsvertrag vereinbart, spricht man von einer Verbundausbildung.

Vier Hauptformen

Bei Verbundausbildungen kooperieren zwei oder mehrere Betriebe beziehungsweise Bildungsträger miteinander.

Bei Verbundausbildungen kooperieren zwei oder mehrere Betriebe beziehungsweise Bildungsträger miteinander.

Der Begriff Verbundausbildung fällt auch im BBiG. In §10 („Vertrag“) heißt es: „Zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen der Ausbildenden können mehrere natürliche oder juristische Personen in einem Ausbildungsverbund zusammenwirken, soweit die Verantwortlichkeit für die einzelnen Ausbildungsabschnitte sowie für die Ausbildungszeit insgesamt sichergestellt ist (Verbundausbildung).

Übrigens: Wenn ein einzelnes Unternehmen die Eignungsvoraussetzungen für Ausbildungsbetriebe nicht voll erfüllt, lässt sich daraus natürlich nicht zwangsläufig folgern, dass der Betrieb schlecht organisiert wäre. Oft handelt es sich um sehr professionelle Firmen, die aber aufgrund einer starken Spezialisierung nicht alle Inhalte der beruflichen Ausbildungsordnungen abdecken können.

Azubis in einer Verbundausbildung lernen ihren Beruf nicht nur in einem, sondern mindestens in zwei Betrieben – es können sogar noch mehr sein. So funktioniert es zumindest bei zwei Varianten der Verbundausbildung: den Modellen „Leitbetrieb mit Partnerbetrieb“ und dem „Ausbildungskonsortium“. Bei der Leitbetrieb-Variante ist der Azubi fest bei einem Unternehmen angestellt und wird von diesem für bestimmte Ausbildungsphasen an einen oder mehrere andere Betriebe „ausgeliehen“. Bei einem Ausbildungskonsortium „teilen“ sich mehrere Unternehmen gleichberechtigt einen Pool an Auszubildenden. Weitere Formen der Verbundausbildung, die sich in der Praxis bewährt haben, sind die Einschaltung eines Ausbildungsvereins und die so genannte Auftragsausbildung.

Leitbetrieb mit Partnerbetrieb

In der Praxis wird bisher am häufigsten das Modell Leitbetrieb mit Partnerbetrieb umgesetzt. Bei dieser Variante zahlt der Leitbetrieb in der Regel die Ausbildungsvergütung der Azubis. Der Partnerbetrieb übernimmt dagegen nur anteilig Kosten für die Teile der Ausbildung, die in seinem Unternehmen durchgeführt werden – zum Beispiel Kosten für Ausbildungspersonal und Sachmittel. Die Rolle eines Partnerbetriebs ist nicht zuletzt interessant für kleinere Unternehmen, die sich eine Ausbildung im Alleingang aus finanziellen oder organisatorischen Gründen nicht zutrauen. Sie tragen in dieser Konstellation eine viel geringere Verantwortung für die Azubis, die zeitweise bei ihnen lernen und arbeiten. Das Modell ist auch mit einem Leitbetrieb und mehreren Partnerbetrieben möglich.

Auftragsausbildung

Auch das Modell der Auftragsausbildung wurde in der Praxis schon vielfach erfolgreich erprobt – vor allem in den ostdeutschen Bundesländern und in Industrieberufen. Bei dieser Variante übernimmt ein Unternehmen Ausbildungsdienstleistungen für ein anderes Unternehmen – gegen Bezahlung. Meist handelt es sich bei dem Unternehmen, das die freien Ausbildungskapazitäten anbietet, aber nicht um einen anderen gewerblichen Betrieb, sondern um einen Bildungsdienstleister. Daneben kommt es auch vor, dass zum Beispiel Großunternehmen Ausbildungsinhalte an kleinere Firmen verkaufen.

Konsortium und Ausbildungsverein

Die Verbundausbildungsmodelle Ausbildungskonsortium und Ausbildungsverein sind in der Praxis noch nicht so verbreitet. Beim Konsortium vereinbaren mehrere Unternehmen eine gleichberechtigte Ausbildungsgemeinschaft. Konkret sieht das so aus, dass sie ihre Azubis von Zeit zu Zeit wechselseitig austauschen. Der einzelne Azubi ist nur bei einem Betrieb fest angestellt, er verlässt aber während seiner Ausbildung für mehrere Phasen vorübergehend sein Stammunternehmen und erhält so auch Einblick in die Arbeitswelt anderer Firmen. Der Austausch erfolgt beim Konsortium in der Regel sehr flexibel, ohne vertragliche Verpflichtungen und größeren bürokratischen Aufwand.

Für alle Unternehmen, die zwar ausbilden wollen, dabei aber so wenig Verwaltungsaufwand wie irgend möglich anstreben, bietet sich schließlich das Modell des Ausbildungsvereins an. Bei dieser Variante der Verbundausbildung können sich die beteiligten Betriebe ganz auf die inhaltlichen Aspekte der Ausbildung konzentrieren, den Rest übernimmt der gemeinsame Verein. In vielen Fällen schließen die Azubis sogar ihren Ausbildungsvertrag mit dem Verein ab und bekommen von diesem ihre Geld ausgezahlt. Mit den beteiligten Betrieben schließt der Verein Kooperationsvereinbarungen.

Umfangreiche Informationen und Unterstützung zum Thema Verbundausbildung – inklusive Beratung über Fördermöglichkeiten – erhalten interessierte Betriebe bei der Initiative „Jobstarter“, die vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) koordiniert und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert wird.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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