RM Rudolf Müller
Die Zentralfakturierung der Eurobaustoff erfolgt am Kooperationssitz in Karlsruhe.   Foto: Eurobaustoff

Die Zentralfakturierung der Eurobaustoff erfolgt am Kooperationssitz in Karlsruhe.   Foto: Eurobaustoff

Hintergrundwissen
08. Juni 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Was bedeutet Zentralfakturierung?

Wenn Baustoffhandelskooperationen wie die Eurobaustoff oder die Hagebau ihre Geschäftszahlen verkünden, ist immer auch vom zentralfakturierten Umsatz die Rede. Doch um welche Umsätze geht es dabei eigentlich genau, und wie funktioniert so eine Zentralfakturierung?

Fast alle Baustoff-Fachhändler in Deutschland gehören einer Kooperation an. Sie bleiben selbstständige Unternehmen, verfolgen aber einen Teil ihrer Ziele mithilfe der gemeinsam finanzierten Organisation. Zu den klassischen Kooperationsaufgaben gehört seit jeher der gemeinsame Einkauf. Durch Mengenbündelung wollen die Mitglieder niedrigere Einkaufspreise bei den Lieferanten aus der Industrie erreichen. Das ermöglicht jedem einzelnen Kooperationsgesellschafter höhere Gewinnmargen, wenn er seinen Anteil an den zusammen eingekauften Waren später an Handwerker- oder Privatkunden weiterverkauft.

Gelistete Lieferanten

Bessere Einkaufskonditionen durch Mengenbündelung sind allerdings nur bei denjenigen Herstellern möglich, die bei der Kooperation auch als Lieferanten gelistet sind. Mit diesen hat der Einkaufsverband zuvor einen Lieferantenvertrag abgeschlossen.

Dazu muss man wissen: Es gibt in der Praxis zwischen den Herstellern, bei denen ein einzelner Baustoffhändler einkauft, und den gelisteten Lieferanten seiner Kooperation zwar in der Regel eine mehr oder weniger große Schnittmenge, aber normalerweise keine Deckungsgleichheit. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass der Markt für Baustoffe in Deutschland viele regionale Besonderheiten aufweist und die Händler kein Einheitssortiment vertreiben, sondern zum Teil sehr unterschiedliche Spezialisierungskonzepte verfolgen.

Rechnungen an die Kooperation

Holger Reviol leitet den Bereich Organisation, der bei der Eurobaustoff unter anderem für die Zentralfakturierung zuständig ist. Foto: Eurobaustoff

Holger Reviol leitet den Bereich Organisation, der bei der Eurobaustoff unter anderem für die Zentralfakturierung zuständig ist. Foto: Eurobaustoff

Doch was passiert nun, wenn ein Händler Ware bei einem Baustoffhersteller bestellt, der bei seiner Kooperation als Lieferant gelistet ist? Dann geraten die Prozesse der Zentralfakturierung in Bewegung. Die Rechnungsabwicklung (die Fakturierung) erfolgt in diesem Fall nämlich über die Kooperation. Der Lieferant schickt seine Forderung also nicht an den Auftraggeber (den jeweiligen Gesellschafter), sondern an die Kooperation. So entstehen die zentralfakturierten Umsätze.

„Die Gesellschafter bestellen im Namen und auf Rechnung der Kooperation direkt bei den Lieferanten“, konkretisiert Holger Reviol, Bereichsleiter Organisation bei der Eurobaustoff. Für seine Kooperation konkretisiert er die Prozesse wie folgt: „Die Waren werden direkt an die Gesellschafter geliefert, die Rechnungen allerdings auf die Eurobaustoff ausgestellt. Wir fakturieren diese Rechnungen dann 1:1 an die Gesellschafter weiter. Somit haben die Gesellschafter nur einen Lieferanten – die Eurobaustoff.“

Halten wir zunächst noch einmal fest: Bei der Zentralfakturierung geht es um den Einkaufsumsatz, den die Mitglieder eines Einkaufsverbandes durch den gemeinsamen Einkauf bei gelisteten Lieferanten generieren. Der zentralfakturierte Umsatz hat also nichts mit dem Verkaufsumsatz der Unternehmen zu tun, also ihrem Marktabsatz, sondern nur mit dem Wareneinkauf, sofern er gemeinschaftlich über die Kooperation abgewickelt wird.

Gemeinsamer Einkauf

Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Zentralfakturierung erfolgt keineswegs nur dann, wenn der Händler Waren einkauft, die seine Kooperation in einem Zentrallager aufbewahrt. Sie greift auch dann, wenn der Gesellschafter direkt bei gelisteten Lieferanten bestellt und diese die georderten Produkte direkt an den Händler oder auf die Baustelle eines Händlerkunden liefern. Die Kooperation muss die Waren also nicht zunächst physisch bündeln, um sie dann zentral fakturieren zu können.

Ein Großteil der Mengenbündelung findet tatsächlich nur auf dem (Rechnungs-)Papier statt. Gelistete Lieferanten liefern Ware direkt an einzelne Händler, schicken die Rechnung aber an die Kooperation. Diese bündelt die Forderungen, die ein Lieferant gegenüber mehreren Kooperationsgesellschaftern erhebt und zahlt zum Zeitpunkt der jeweiligen Skontofälligkeit die gesammelten Forderungen in einer Summe an den Hersteller aus. Natürlich erhält sie das Geld dafür von den Händlern, die die Ware bestellt haben. Durch die Mengenbündelung ergeben sich aber Preisvorteile, von denen jeder einzelne Händler profitiert.

Vorteile für Lieferanten

Doch auch für die Lieferanten hat das Verfahren Vorteile. Sie bekommen ihr Geld verlässlich aus einer Hand. Bei der Zahlungsabwicklung haben sie es also nicht mehr mit hunderten von Einzelschuldnern zu tun. Das Risiko, dass eine Rechnung am Ende nicht bezahlt wird, dass ein „Warenkredit“ möglicherweise platzt, weil ein Händler Zahlungsprobleme bekommt, geht in gewisser Weise vom Lieferanten auf die vermittelnde Kooperation über.

Denn die ist ja Rechnungsempfänger und wird damit gegenüber den Lieferanten automatisch zum Debitor (Schuldner aus Lieferungen und Leistungen). Oder wie es Holger Reviol von der Eurobaustoff ausdrückt: „Da die Eurobaustoff durch die Rechnungsstellung vom Lieferant an sie in die Kaufkette eingeschlossen ist, ist sie automatisch der einzige Debitor gegenüber dem Lieferant und muss nicht zusätzlich bürgen.“


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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