
Mobile Generalisten bieten meist mehrere Gewerke „aus einer Hand“. Foto: Grimm
Handwerkerkunden: Was sind mobile Generalisten?
Baustoffhandel und -industrie treffen in Deutschland zunehmend auf einen neuen Typus von Handwerkerkunden: So genannte mobile Generalisten bieten Dienstleistungen mehrerer Baugewerke „aus einer Hand“ an. Lange Zeit wusste man wenig über diese werkstattlosen Handwerker – eigentlich nur, dass es sie gibt und dass sie mehr werden. Erst der Hagebau-Report 2015 brachte mehr Licht ins Dunkel.
Der 2015 veröffentlichte Hagebau-Report wurde im Auftrag der Kooperation von der B+L Marktdaten GmbH erstellt. Die Studie lieferte erstmals repräsentative Zahlen zu den mobilen Generalisten in Deutschland. Dafür musste erst einmal festgelegt werden, wer überhaupt zu diesem Handwerkertypus zählt. Nach Definition des Reports üben mobile Generalisten mindestens drei unterschiedliche Gewerke mit relevanten Umsätzen aus, sind nur mobil erreichbar und haben weniger als fünf feste Mitarbeiter. Für die Studie wurden 177 mobile Generalisten telefonisch interviewt.
Wie oben erwähnt, sind mobile Generalisten nur mobil erreichbar. Sie besitzen eben keine eigene Werkstatt oder ein eigenes Büro. Ihr Werkzeug passt meist in einen Kleintransporter. Mit dem sind die fahrenden Allround-Handwerker üblicherweise unterwegs, wenn sie einen Auftrag erledigen, er ist gewissermaßen ihre „Firmenzentrale“. Nach der Arbeit wird er oft irgendwo am Straßenrand geparkt – ein Firmengrundstück gibt es schließlich nicht. Werden für einzelne Aufträge größere Maschinen benötigt, mietet der mobile Generalist sie oft vorübergehend bei einem Baugeräte-Verleih.
Wachsendes Marktvolumen
Die Hagebau-Studie hat für die jüngere Vergangenheit einen rasanten Anstieg der werkstattlosen Handwerker ausgemacht. Zwischen 2005 und 2014 gab es in zehn Jahren ein Wachstum von 70.000 auf 120.000 Betriebe. Diese erwirtschafteten im Jahr 2014 deutschlandweit etwa 14,7 Milliarden Euro Umsatz. Damit lag der Marktanteil der mobilen Generalisten bereits bei 25,5 Prozent aller Handwerksbetriebe innerhalb der Baubranche – Tendenz steigend.
Durch den weitgehenden Verzicht auf fixes Firmenkapital wie Werkstatt, Büro und Maschinen haben mobile Generalisten sehr geringe Betriebskosten und können ihre Leistungen meist deutlich günstiger anbieten als traditionelle Handwerker. Aber was bieten sie eigentlich an? Nach der Hagebau-Studie arbeiten rund 80 % der mobilen Generalisten in den Bereichen Renovieren und Sanieren. Häufig geht es um Malerarbeiten, die Verlegung von Fußböden oder Tätigkeiten im Bereich Trockenbau. Auch für Badsanierungen werden die Allrounder häufig engagiert. Das Aufgabenspektrum der Firmen liegt also vor allem im Innenausbau. Rohbau- oder Dacharbeiten werden dagegen deutlich seltener angeboten.
Nicht nur Einzelkämpfer

Besonders häufig werden mobile Generalisten für Renovierungs- und Sanierungsarbeiten engagiert. Foto: Rainer Sturm / www.pixelio.de
Es ist ein Vorurteil, dass es sich bei den mobilen Generalisten immer um Einzelkämpfer handelt. Unter den in der Hagebau-Studie befragten Firmen gab es zwar 63 % Ein-Mann-Unternehmen, aber immerhin 19 % hatten zwei Mitarbeiter, bei 10 % waren es drei, bei 6 % vier und bei 2 % sogar fünf Mitarbeiter.
Anders als die traditionellen Handwerksunternehmen beschäftigen die mobilen Allrounder meist Mitarbeiter unterschiedlicher Gewerke – passend zu ihrem vielschichtigen Dienstleistungsangebot. Das kommt gerade bei Privatkunden gut an, die etwa für ein Modernisierungsvorhaben nicht unterschiedliche Handwerker engagieren wollen, sondern sich eine Problemlösung aus einer Hand wünschen.
Im SanReMo-Markt hat die erfolgreiche Strategie mobiler Generalisten sogar zum Umdenken bei manchen herkömmlichen Meisterbetrieben geführt. Im Rahmen der Hagebau-Studie hat man neben den 177 mobilen Generalisten auch 139 traditionelle Handwerker telefonisch befragt. Manche davon bieten ihren Kunden mittlerweile auch Dienstleistungen aus verschiedenen Gewerken an. Mehr noch: Es gibt sogar Meisterbetriebe, die ihre Werkstätten aufgegeben haben und nun ebenfalls als mobile Generalisten unterwegs sind.
Aber auch der umgekehrte Prozess ist zu beobachten. Laut Hagebau-Report betrachten viele mobile Generalisten ihre selbstständige Arbeit nur als erste Stufe für den Aufbau eines traditionellen Handwerksunternehmens. „Der mobile Generalist von heute ist der traditionelle Handwerker von morgen“, sagt Martin Langen, Geschäftsführer der B+L Marktdaten GmbH.
Gründe für das Wachstum
Was sind die Gründe für die zunehmende Anzahl mobiler Generalisten im Baubereich? Sicherlich spielt auch die EU-Osterweiterung eine Rolle. Die wichtigste Ursache war aber wohl die Reform der deutschen Handwerksordnung im Jahr 2004. Damals entfiel die Meisterpflicht für die Ausübung vieler Handwerke. Im Baubereich gilt das beispielsweise für Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Betonstein- und Terrazzohersteller, Estrichleger, Parkettleger und Raumausstatter. In allen diesen Bereichen muss man seitdem keinen Meister mehr machen, um handwerkliche Dienstleistungen am Markt anbieten zu können. Nicht mal eine Gesellenausbildung braucht man vorzuweisen. Wer es sich zutraut, kann einfach ein Gewerbe in diesen Handwerken anmelden.
Laut Hagebau-Report sind 43 % der Auftraggeber mobiler Generalisten private Endkunden. Bei denen ist schon länger ein Trend vom „Do-it-youself“ zum „Do-it-for-me“ zu beobachten. Das erhöht die Nachfrage nach handwerklichen Dienstleistungen und ist ein weiterer Grund für den zunehmenden Markteintritt mobiler Generalisten. Offenbar hat in unserer Gesellschaft die Lust auf handwerkliche Eigenleistung durch Heimwerken nachgelassen. Viele engagieren lieber einen der neuen, günstigen Allround-Handwerker. Das gilt insbesondere für die Altersgruppe zwischen 52 und 60 Jahren.
Aber auch Haushalte mit jüngeren Menschen zwischen 28 und 35 Jahren, unter denen es viele Akademiker gibt, sind heute eine wichtige Zielgruppe der mobilen Generalisten. Einen traditionellen Handwerker würden diese Kunden wahrscheinlich niemals engagieren, weil er ihnen zu teuer wäre. Insofern sorgen die mobilen Generalisten gar nicht immer für eine Verdrängung traditioneller Betriebe. Zum Teil haben sie durch ihr kostengünstiges Angebot einfach einen ganz neuen Absatzmarkt für handwerkliche Dienstleistungen geschaffen.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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