RM Rudolf Müller
Wasserstoff ist eine vielfältig einsetzbare Energiequelle – doch wo macht er Sinn?  Foto: Pixabay

Wasserstoff ist eine vielfältig einsetzbare Energiequelle – doch wo macht er Sinn?  Foto: Pixabay

Hintergrundwissen
03. August 2022 | Artikel teilen Artikel teilen

Wasserstoff zur Gebäudeerwärmung?

Wasserstoff ist ein äußerst umweltfreundlicher Brennstoff, der als „Abgas“ nur harmlosen Wasserdampf produziert. Der Einsatz zum Beispiel als alternativer Kraftstoff für Automobile oder als Koksersatz in der Stahlproduktion wird in jüngster Zeit wieder verstärkt diskutiert. Aber lassen sich mit Wasserstoff auch dezentrale Gebäudeheizungen wirtschaftlich und sicher betreiben?

Rein technisch betrachtet ist der Einsatz von Wasserstoff (H2) zum Betrieb dezentraler Gebäudeheizungen durchaus möglich. Es gibt bereits kompakte Brennstoffzellen-Heizungen für Ein- und Zweifamilienhäuser, die extra für die Verbrennung von Wasserstoff entwickelt wurden und die neben Wärme auch noch Strom produzieren. Die Heizungsbranche arbeitet zudem mit Hochdruck an herkömmlichen Gaskesseln, die wasserstofffähig sind. Problem: Im Gebäudebestand ist H2-kompatible Technik bisher noch kaum verbreitet.

Das bestehende Erdgasnetz ließe sich im Prinzip ebenfalls so umwidmen, dass es zu 100 % mit Wasserstoff betrieben werden kann. Doch dann müsste man auf einen Schlag auch die meisten der derzeit bestehenden Gaskessel vorzeitig austauschen. Das ist wohl weder in organisatorischer Hinsicht noch aus Kostengründen realistisch. Alles in allem scheinen dezentrale Wasserstoffheizungen in Sachen Wirtschaftlichkeit schlechter abzuschneiden als andere regenerative Heiztechniken.

Unwirtschaftlicher als Wärmepumpen

Die Ariadne-Analyse bemängelt die Wirtschaftlichkeit dezentraler Wasserstoffheizungen.

Die Ariadne-Analyse bemängelt die Wirtschaftlichkeit dezentraler Wasserstoffheizungen.

Im Vergleich lassen sich keine wirtschaftlichen Vorteile für den Einsatz von Wasserstoff gegenüber einer Luft-Wasser-Wärmepumpe nachweisen“, heißt es zum Beispiel in der Analyse „Die Rolle von Wasserstoff im Gebäudesektor“, die das „Kopernikus-Projekt Ariadne am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung“ im September 2021 veröffentlicht hat. Die Ariadne-Analyse erwartet zwar künftig einen Einsatz von H2-Technologien zur Fernwärmeerzeugung, nicht aber im Bereich dezentraler Gebäudeheizungen.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die im Mai 2020 veröffentlichte Kurzstudie „Wasserstoff im zukünftigen Energiesystem: Fokus Gebäudewärme“ des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (Fraunhofer IEE). Die Studie wurde zwar im Auftrag des Informationszentrum Wärmepumpen und Kältetechnik (IZW) erstellt, die in ihr enthaltenen Argumente „Pro Wärmepumpe“ lassen sich aber gleichwohl nicht einfach vom Tisch wischen.

„Für eine Versorgung der dezentralen Gebäudewärme ist der Einsatz von Wasserstoff nach unseren Erkenntnissen nicht notwendig und auch aus Kosten- und Effizienzgründen nicht sinnvoll“, sagt Prof. Dr. Clemens Hoffmann, Leiter des Fraunhofer IEE. „Denn die benötigte erneuerbare Energiemenge zur Bereitstellung von Niedertemperaturwärme mit Wasserstoff ist um 500 bis 600 % höher gegenüber der Wärmepumpe.“

Hohe Umwandlungs- und Transportverluste

Die Fraunhofer-Studie entstand im Auftrag des Informationszentrum Wärmepumpen und Kältetechnik.

Die Fraunhofer-Studie entstand im Auftrag des Informationszentrum Wärmepumpen und Kältetechnik.

Auch die Ariadne-Analyse kommt zu dem Schluss, „dass aus Endnutzersicht langfristig die dezentrale Verbrennung von Wasserstoff in Gebäuden, wenn die Kosten für den Aufbau und Betrieb der Infrastruktur mitberücksichtigt werden, keine ökonomischen Vorteile gegenüber einer direkten Stromnutzung durch Wärmepumpen“ hat. Die Prozesskette der Wärmepumpe sei „weitaus effizienter ist als die des Wasserstoffkessels und der Brennstoffzelle (ohne Betrachtung der Stromeinspeisung)

Ein Hauptgrund für die geringere Wirtschaftlichkeit der H2-Technologie besteht darin, dass bei dieser deutlich mehr Umwandlungs- und Transportverluste auftreten. Das gilt umso mehr, wenn der Wasserstoff aus Regionen wie Nordafrika oder dem Mittleren Osten importiert werden muss. Neben den Transportkosten fallen dann weitere Kosten für die meist notwendige Gasverflüssigung und spätere Rückvergasung an.

Laut Ariadne-Analyse fällt der Kostennachteil gegenüber der Wärmepumpe deutlich geringer aus, wenn H2-kompatible Gebäudeheizungen mit hierzulande erzeugtem Wasserstoff betrieben werden. Es sollte sich dann aber schon um grünen Wasserstoff handeln, denn nur der ist wirklich nachhaltig. Er entsteht durch Elektrolyse von Wasser mithilfe von Strom aus regenerativen Quellen. Doch leider ist es äußerst unrealistisch, dass Deutschland selbst künftig genug grünen Wasserstoff produziert.

Die Autoren der Kurzstudie des Fraunhofer IEE erwarten, dass die künftige Nachfrage nach grünem Wasserstoff in Deutschland deutlich höher sein wird als das eigene Erzeugungspotenzial, sodass teure H2-Importe notwendig werden. Nicht zuletzt deshalb raten sie von einem breiten Wasserstoff-Einsatz für die dezentrale Gebäudeerwärmung ab. Denn das würde den H2-Bedarf noch einmal zusätzlich um 25 bis 40 % erhöhen. Die Forschenden plädieren stattdessen dafür, Wasserstoff als Energieträger in Deutschland und Europa nur dort einzusetzen, wo es keine regenerativen Alternativen gibt, die wirtschaftlicher sind – etwa in der Stahlindustrie oder in Großkraftwerken.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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