RM Rudolf Müller
Wohin soll`s gehen? Auslandsaufenthalte während der Ausbildung sind weltweit möglich.  Foto: Pixabay

Wohin soll`s gehen? Auslandsaufenthalte während der Ausbildung sind weltweit möglich.  Foto: Pixabay

Rechte und Pflichten
24. November 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Ausbildung im Ausland

Schülerinnen und Schüler können per Austauschprogramm bis zu einem Jahr Lebenserfahrung im Ausland sammeln. Da stellt sich die Frage: Geht so etwas Ähnliches auch während der Berufsausbildung? Ist es also für Azubis möglich, Auslandspraktika zu machen?

Auslandsaufenthalte gelten als Pluspunkt im Lebenslauf junger Menschen. Sie erwerben dabei nicht nur Fremdsprachenkenntnisse und sammeln wertvolle Erfahrungen im Umgang mit anderen Kulturen und Arbeitswelten, sondern erfahren in der Regel auch einen positiven Schub in ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Das ist auch für spätere Jobbewerbungen von Vorteil – und zwar nicht nur bei Unternehmen, die selbst im Ausland aktiv sind. Wer sich in jungen Jahren schon allein „in die Fremde“ wagt, vermittelt das Bild einer reifen, selbstständigen und motivierten Persönlichkeit. Das kommt überall im Berufsleben gut an.

Politik will Auslandsaufenthalte

Viele Unternehmen schätzen nicht nur vorhandene Auslandserfahrungen bei ihren Beschäftigten, sondern motivieren diese auch zu weiteren Auslandsaufenthalten. Mittlerweile beginnt das immer häufiger schon während der Ausbildung. Die Betriebe können sich hier auf Unterstützung der Politik zählen. Die Bundesregierung will nämlich die Quote von Auszubildenden mit Auslandspraxis bis zum Jahr 2030 auf 20 % erhöhen und fördert entsprechende Aktivitäten. Nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung absolvierten vom Abschlussjahrgang 2019 bereits rund 7 % der Azubis einen Teil ihrer Ausbildung im Ausland.

Am häufigsten finden solche Auslandspraktika bisher natürlich in ausländischen Filialen beziehungsweise Tochterunternehmen deutscher Ausbildungsbetriebe statt. Wo so etwas nicht existiert, können sich interessierte Firmen bei der Suche nach ausländischen Partnerbetrieben aber auch von ihrer örtlichen IHK beraten lassen. Die Kammern bieten Ausbildern und Azubis eine Mobilitätsberatung zu allen Fragen rund um das Thema Auslandspraktika. Weitere Infos dazu gibt es auch auf der Website www.berufsbildung-ohne-grenzen.de. Nebenbei gesagt: Unternehmen aus dem Baustoff-Fachhandel können Auslandskontakte unter Umständen auch über ihre Fachhandelskooperation knüpfen.

Was sagt der Gesetzgeber?

Auslandspraktika dürfen bis zu einem Viertel der Ausbildungszeit in Anspruch nehmen. Foto: Pixabay

Auslandspraktika dürfen bis zu einem Viertel der Ausbildungszeit in Anspruch nehmen. Foto: Pixabay

Natürlich können Azubis Teile ihrer Ausbildung nur dann im Ausland verbringen, wenn ihr Betrieb dem zustimmt. Immer häufiger haben sie aber nichts dagegen. Schließlich profitieren die Firmen gleich doppelt von solchen Praktika. Zum einen bereichern die jungen Menschen den Betrieb anschließend mit ihren internationalen Kompetenzen, zum anderen lässt sich durch solche Angebote auch die eigene Attraktivität als Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb steigern.

Der Gesetzgeber hat grundsätzlich nichts gegen Azubis im Ausland. In § 2 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) heißt es ausdrücklich: „Teile der Berufsausbildung können im Ausland durchgeführt werden, wenn dies dem Ausbildungsziel dient. Ihre Gesamtdauer soll ein Viertel der in der Ausbildungsordnung festgelegten Ausbildungsdauer nicht überschreiten.“ Von einer dreijährigen Ausbildungszeit darf man also bis zu neun Monate im Ausland verbringen. Von der Berufsschule kann man sich für diesen Zeitraum freistellen lassen.

Zugleich macht der Gesetzgeber aber auch unmissverständlich klar, dass die Ausbildung im Ausland keine bloße Sprach- und Kulturreise sein darf. Auch am neuen Lernort sind ausbildungsrelevante Lerninhalte zu vermitteln, die berufliche Qualifizierung muss also weitergehen, das Ausbildungsziel darf nicht gefährdet sein. Dieser Punkt ist dem Gesetzgeber sehr wichtig. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass ausbildende Betriebe durch § 76 BBiG verpflichtet werden, mit ihrer zuständigen Stelle (IHK oder Handwerkskammer) einen geeigneten Ausbildungsplan abzustimmen, wenn Azubis mehr als acht Wochen im Ausland verweilen.

Neues Service-Portal

Umfangreiche Infos zum Thema bietet auch das neue Service-Portal www.meinauslandspraktikum.de. Die Nationale Agentur des Bundesinstituts für Berufsbildung (NA beim BIBB) hat dort kürzlich ihre Infoangebote zu Auslandspraktika gebündelt. Azubis erhalten Tipps und Hilfestellungen zur Planung des eigenen Auslandsaufenthaltes – von den Themen Versicherungen und Sicherheit über Fragen zur Unterbringung sowie zu Pass und Visum bis hin zu den notwendigen Sprachkenntnissen.

„Ziel des neuen Angebots von meinauslandspraktikum.de ist es, junge Menschen unabhängig, kostenfrei und umfassend über alle Möglichkeiten zum Thema Auslandsaufenthalte in der Berufsausbildung zu informieren und zu beraten“, erläutert BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser. Auch eine persönliche Beratung per Telefon oder Mail gehört zum Angebot. Zudem gibt es Erfahrungsberichte von Azubis, die bereits ein Auslandspraktikum absolviert haben.

Die NA beim BIBB ist auch für die Umsetzung des Erasmus+-Programms (Bereich Berufsbildung) sowie für das Förderprogramm „Ausbildung Weltweit“ zuständig. Über beide Programme wird auf der Website ausführlich informiert.

Erasmus+

Wenn Azubis für Ausbildungszwecke vorübergehend im Ausland arbeiten, ist der Heimatbetrieb natürlich verpflichtet, weiterhin die vereinbarte Ausbildungsvergütung zu bezahlen. Für Reise- und Unterbringungskosten muss er aber nicht aufkommen. Doch zum Glück lassen sich dafür öffentliche Gelder beantragen.

Am bekanntesten ist sicher das EU-Förderprogramm Erasmus+, in dessen Rahmen auch Auslandsaufenthalte von Azubis gefördert werden. Gewährt werden finanzielle Zuschüsse für Fahrt-, Aufenthalts- und Organisationskosten – sowie unter Umständen auch für Sprachkurse und Sonderkosten (zum Beispiel Visa). Für all diese Kostenbereiche gibt es allerdings nur feste Pauschalbeträge, deren Höhe davon abhängt, in welchem Land das Praktikum stattfindet. Ganz wichtig: Der Antrag auf Erasmus+-Förderung bei der Nationalen Agentur darf nicht vom Azubi, sondern nur von Bildungseinrichtungen oder Organisationen gestellt werden. Für Azubis in der dualen Berufsausbildung dürfte das in der Regel der Ausbildungsbetrieb sein.

Übrigens: Auch wer seine Berufsausbildung bereits abgeschlossen hat, kann über Erasmus+ unter Umständen noch finanzielle Unterstützung für ein Auslandpraktika bekommen. Dieses Angebot gilt zumindest bis zwölf Monate nach dem Abschluss. Erasmus+ fördert schwerpunktmäßig Auslandpraktika in allen EU-Ländern sowie in Island, Liechtenstein, Norwegen, Mazedonien und in der Türkei.

Förderprogramm „Ausbildung Weltweit“

Wer während seiner Ausbildung einen Lernaufenthalt außerhalb der Europäischen Union anstrebt – zum Beispiel in Asien, Afrika oder Amerika – kann auf Unterstützung aus dem Programm „Ausbildung Weltweit“ hoffen. Dieses wurde 2017 vom Bundesbildungsministerium ins Leben gerufen und wird ebenfalls über die NA beim BIBB abgewickelt.

Gefördert werden Auslandspraktika mit einer Dauer zwischen drei Wochen und drei Monaten – überall auf der Welt. Das Angebot gilt allerdings nur für Personen, die sich tatsächlich noch in einer dualen oder schulischen Berufsausbildung befinden. Die Antragstellung muss auch hier über den Ausbildungsbetrieb, die berufliche Schule oder die zuständige Kammer erfolgen. Ähnlich wie bei Erasmus+ gibt es Festzuschüsse für Fahrt-, Aufenthalts- und Organisationskosten. Auf der Website www.meinauslandspraktikum.de gibt es übrigens auch Beispielrechnungen. So sind für vier Wochen Praktikum in Australien Zuschüsse bis etwa 2.700 Euro möglich.

Dieser Beitrag ist eine Überarbeitung und Ergänzung unseres ursprünglichen Beitrags „Ausbildung im Ausland: Ist das möglich?“ von Januar 2016.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

Wann bekomme ich als Azubi Sonderurlaub?

Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass ein Arbeitnehmer Anspruch auf Sonderurlaub hat, wenn er Vater wird. Das gilt natürlich auch...

mehr »
 

Rechte und Pflichten von Azubis und Ausbildungsbetrieben

Auszubildende gelten als schwer kündbar. Das heißt aber nicht, dass du als Azubi einfach machen kannst, was du willst. Es...

mehr »
 

EU-Arbeitsmarkt: Was sind Europass-Dokumente?

Ausbildungs- und Studiengänge unterscheiden sich in den verschiedenen Ländern der Europäischen Union oft stark. Das erschwert Bewerbungen im Ausland. Zum...

mehr »
Nach oben
nach oben