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Müssen Azubis Einkommensteuer zahlen?
Nach §17 des Berufsbildungsgesetzes hast du als Azubi das Recht auf eine „angemessene Ausbildungsvergütung“. Da stellt sich die Frage: Muss man darauf noch Einkommensteuer zahlen, oder ist die Ausbildungsvergütung steuerfrei?
Grundsätzlich wird die Ausbildungsvergütung steuerlich nicht anders behandelt als ein „normales“ Arbeitnehmer-Gehalt: Einkommensteuer muss immer dann gezahlt werden, wenn die Einnahmen über dem so genannten Grundfreibetrag liegen. Dieser Grundfreibetrag liegt derzeit bei 8.652 Euro im Jahr – also monatlich bei 721 Euro (Stand: 2016).
Grundfreibetrag
Ist deine Ausbildungsvergütung maximal so hoch wie der Grundfreibetrag, dann zahlst du keine Einkommensteuer. Liegt sie darüber, bist du dagegen steuerpflichtig – wie jeder andere Arbeitnehmer auch. Die Einkommensteuer wird dann aber nur für den Teil deiner Ausbildungsvergütung berechnet, der über dem Grundfreibetrag liegt. Dabei handelt es sich übrigens nicht um eine starre Größe. Der Grundfreibetrag wird von der Bundesregierung laufend an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten angepasst. Faktisch bedeutet das, dass der er immer weiter steigt. 2015 lag er beispielsweise nur bei 8.472 Euro.
Einkommensteuer wird also nur fällig, wenn deine Ausbildungsvergütung über dem Grundfreibetrag liegt. So einfach ist das? Leider nicht ganz. Tatsächlich bezieht sich der jährliche Freibetrag nämlich auf alle Einnahmequellen, die du hast. Also nicht nur auf die Ausbildungsvergütung! Wenn du von deinem Betrieb monatlich nicht mehr als 721 Euro bekommst, dann wird dir von diesem Gehalt erst mal keine Einkommensteuer abgezogen. Solltest du aber noch über andere Einnahmequellen verfügen – zum Beispiel Kapitalerträge oder Mieteinnahmen –, so musst du das später im Rahmen einer Jahres-Einkommensteuererklärung angeben. Ergibt sich dabei, dass deine Gesamteinnahmen höher als der Grundfreibetrag waren, musst du Einkommensteuer nachzahlen.
Ausbildungsvergütungen in der Praxis
Wie sieht es nun in der Praxis aus? Liegen die Einkommen von Azubis unter oder über dem Grundfreibetrag? Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) erhebt jährlich die Ausbildungsvergütungen in Deutschland und veröffentlicht die Durchschnittsbeträge für die einzelnen Berufe in der Datenbank für Ausbildungsvergütungen. Die Unterschiede sind groß: Während es 2015 im Friseurhandwerk im ersten Ausbildungsjahr durchschnittlich nur 394 Euro pro Monat gab und im dritten Jahr 596 Euro, erhielten zum Beispiel Maurer bereits im ersten Lehrjahr 708 Euro. Im zweiten Lehrjahr waren es 1.088 Euro und im dritten sogar durchschnittlich 1.374 Euro.
Daraus folgt: Azubis im Friseur-Handwerk verdienen während ihrer gesamten Ausbildung weniger als der Grundfreibetrag und zahlen daher keine Einkommensteuer. Während einer Maurerausbildung erhält man dagegen – ebenso wie in anderen baunahen Handwerksberufen – von Anfang an so viel Geld, dass man steuerpflichtig ist. Es sei denn, man kann sein zu versteuerndes Einkommen durch Inanspruchnahme von anderen Freibeträgen (zum Beispiel Kinderfreibetrag) rechnerisch so weit absenken, dass man am Ende doch unterhalb des Grundfreibetrags rutscht. Mehr Infos dazu gibt es weiter unten.
Bei den typischen Ausbildungsberufen des Baustofffachhandels liegen die Vergütungen im Durchschnitt ebenfalls oberhalb des Grundfreibetrags. So erhielt man 2015 als Kaufmann/-frau im Groß- und Außenhandel nach der BIBB-Statistik durchschnittlich 793 Euro im ersten Ausbildungsjahr (3. Jahr: 934 Euro), und eine Fachkraft für Lagerlogistik bekam durchschnittlich 848 Euro im ersten und 994 Euro im dritten Ausbildungsjahr.
Weitere Freibeträge
Auch wenn deine Ausbildungsvergütung über dem jährlichen Grundfreibetrag liegt, kann es sein, dass du am Ende doch keine Steuern zahlen musst. Das zu versteuernde Einkommen wird nämlich meist noch durch andere Freibeträge oder durch so genannte Pauschbeträge reduziert. Da gibt es zum Beispiel den Arbeitnehmer-Pauschbetrag, von dem alle Arbeitnehmer profitieren. Das Finanzamt zieht dir von deinem zu versteuernden Jahreseinkommen nämlich automatisch 1.000 Euro als so genannte Werbungskosten ab – das ist der Arbeitnehmer-Pauschbetrag. Als Werbungskosten bezeichnet man Kosten, die dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit seinem Beruf entstehen – beispielsweise für die Fahrt zur Arbeit, für Arbeitsmittel wie Fachliteratur und Berufskleidung oder für Beiträge zu Berufsverbänden.
Selbst wenn du tatsächlich kaum Werbungskosten zu tragen hast, vermindert sich dein zu versteuerndes Einkommen automatisch um die genannten 1.000 Euro. Bei vielen Azubis reicht das schon aus, um unter den Grundfreibetrag zu rutschen. Hast du höhere Werbungskosten als 1.000 Euro, dann kannst du diese zusätzlich beim Finanzamt als steuersenkende Kosten geltend machen. Es gibt noch viele weitere finanzielle Aufwendungen, die sich von der Steuer absetzen lassen: beispielsweise Sonderausgaben wie Versicherungsbeiträge, Ausgaben für die Altersvorsorge, gezahlte Kirchensteuer, Spenden, Unterhaltszahlungen oder Kinderbetreuungskosten (Kinderfreibetrag). Hinzu kommen Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen. Darunter fallen unter anderem Krankheits- und Pflegekosten, aber auch Bestattungskosten für Angehörige.
Das deutsche Steuersystem ist bekanntlich kompliziert, und deshalb können wir das Thema der Frei- und Pauschbeträge an dieser Stelle auch nicht erschöpfend behandeln. Wenn du sicher gehen willst, dass du nichts vergisst, was helfen könnte, dein zu versteuerndes Einkommen zu senken, musst du dich wohl an einen Steuerberater oder einen Lohnsteuerhilfeverein wenden. Die kosten dann natürlich auch erst mal Geld. Unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass Azubis zwar grundsätzlich nicht von der Einkommensteuer befreit sind, dass sie aber angesichts ihres eher geringen Einkommens – und unter Berücksichtigung absetzbarer Frei- und Pauschbeträge – vielfach keine Steuern zahlen müssen.
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Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
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