RM Rudolf Müller

Rechte und Pflichten
05. November 2015 | Artikel teilen Artikel teilen

Kann ich meine Ausbildung verkürzen?

UhrenDie Ausbildungsdauer im Baustoff-Fachhandel beträgt in der Regel drei Jahre. Aber diese Zeit ist nichts Fixes. Unter bestimmten Umständen kannst du deine Ausbildung sogar deutlich verkürzen.

Die typischen Ausbildungen im Baustoff-Fachhandel dauern offiziell drei Jahre. Das gilt für die Lehrberufe Kaufmann/-frau im Groß- und Außenhandel, Kaufmann/-frau Einzelhandel und Bürokaufmann/-frau ebenso wie für die Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik. Lediglich für den Beruf Fachlagerist/-in sieht die Ausbildungsordnung vorn vorneherein nur eine zweijährige Lehrzeit vor. Doch für alle Regelausbildungszeiten gilt: Du kannst sie in der Praxis auch verkürzen, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Theoretisch ist es sogar möglich, eine dreijährige Lehre in nur 18 Monaten – also in der Hälfte der regulären Zeit – erfolgreich zu absolvieren.

Rechtliche Grundlagen
Das Recht auf Verkürzung ist im Berufsbildungsgesetz (BBiG) verbrieft. Dort heißt es in §8, Absatz 1: „Auf gemeinsamen Antrag der Auszubildenden und Ausbildenden hat die zuständige Stelle die Ausbildungszeit zu kürzen, wenn zu erwarten ist, dass das Ausbildungsziel in der gekürzten Zeit erreicht wird. “ Den Antrag zu stellen, bedeutet also nicht automatisch, dass er auch angenommen wird. Es handelt sich vielmehr um eine Ermessensentscheidung deiner örtlichen Industrie- und Handelskammer (die „zuständige Stelle“). Als Azubi musst du der IHK schon glaubhaft machen können, dass du in der Lage bist, die Inhalte der Ausbildung auch in kürzerer Zeit zu erlernen.

Das BBiG räumt nur das grundsätzliche Recht auf Verkürzung ein, gibt aber keinerlei Hinweise auf die möglichen Gründe, die tatsächlich zu einer Verkürzung berechtigen. Allerdings können sich die Antragsteller (Betrieb/Azubi) und die IHK als entscheidende Instanz seit 2008 an der „ Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung zur Abkürzung und Verlängerung der Ausbildungszeit“ orientieren. In dem Papier wird konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen erwartet werden kann, dass das Ausbildungsziel auch in gekürzter Zeit zu erreichen ist.

Verkürzung wegen Vorbildung
Die in der „Empfehlung“ genannten Gründe für eine Ausbildungsverkürzung beziehen sich zum größten Teil auf die Vorbildung des Azubis. So kann deine Ausbildungszeit von vorneherein um bis zu sechs Monate gekürzt werden, wenn du über die Fachoberschulreife – also über einen Realschulabschluss – verfügst. Sogar bis zu zwölf Monate weniger Ausbildungszeit sind möglich, wenn du die Fachhochschulreife oder die allgemeine Hochschulreife hast.

Eine Ausbildungskürzung um ein Jahr wird zudem auch oft solchen Azubis gewährt, die zuvor bereits eine andere Berufsausbildung abgeschlossen haben. Mehr noch: Der Antrag hat sogar dann Aussicht auf Erfolg, wenn man nur ein Lehrjahr – aber keinen Abschluss – in einem anderen Beruf vorweisen kann. Voraussetzung ist in diesem Fall aber, dass die „Grundausbildung des Erstberufes im Wesentlichen identisch ist mit der Grundausbildung des neuen Ausbildungsberufes“. So steht es in der oben genannten Empfehlung.

Aber es muss ja nicht immer gleich ein ganzes Jahr Verkürzung sein. Auf eine zumindest „angemessene“ Reduzierung der Ausbildungszeit kann laut der Empfehlung auch hoffen, wer den „Nachweis einer einschlägigen beruflichen Grundbildung oder einschlägigen Berufstätigkeit oder Arbeitserfahrung im Berufsfeld“ erbringen kann. Und manchmal ist noch nicht einmal eine besondere schulische oder berufliche Vorbildung notwendig. In dem Pa pier des Bundesinstituts für Berufsbildung heißt es nämlich, dass die Ausbildungszeit „ im Einzelfall“ auch um bis zu zwölf Monate verkürzt werden kann, wenn der Azubi bereits älter als 21 Jahre ist.

Vorzeitige Abschlussprüfung
Eine hohe Vorbildung ist naturgemäß etwas, dass man bereits vor Beginn der Ausbildung nachweisen kann. Die so begründete Lehrzeitverkürzung von maximal zwölf Monaten kann daher auch bereits im Vertragsabschluss zwischen Azubi und Betrieb fest vereinbart werden. Wenn deine Ausbildung gut läuft, kannst du sie aber später möglicherweise sogar noch weiter verkürzen. Laut § 45 des BBiG können Azubis nämlich – nach Anhörung ihrer Ausbilder und der Berufsschule – früher zur Abschlussprüfung zugelassen werden, wenn ihre Leistungen dies rechtfertigen. In solchen Fällen ist also sogar eine doppelte Verkürzung möglich: Eine vorab ohnehin schon verkürzte Ausbildungszeit kann sich im letzten Lehrjahr noch einmal verkürzen, weil die Abschlussprüfung früher stattfindet.

Die vorzeitige Zulassung zur Prüfung gilt als gerechtfertigt, wenn Azubis sowohl in der Praxis (Betrieb) als auch in der Berufsschule überdurchschnittliche Leistungen nachweisen können. In der Empfehlung findet sich dazu folgende Formulierung: „Überdurchschnittliche Leistungen liegen in der Regel vor, wenn das letzte Zeugnis der Berufsschule in den prüfungsrelevanten Fächern oder Lernfeldern einen Notendurchschnitt besser als 2,49 enthält und die praktischen Ausbildungsleistungen als überdurchschnittlich bzw. besser als 2,49 bewertet werden.“

In der Empfehlung heißt es weiterhin, dass die vorgezogene Prüfung nicht mehr als sechs Monate vor dem ursprünglichen Prüfungstermin stattfinden sollte. Addiert man zu diesen sechs Monaten die zwölf Monate, um die sich die Ausbildung wegen hoher Vorbildung theoretisch verkürzen kann, dann kommt man auf 18 Monate als maximalen Höchstwert für eine Ausbildungsverkürzung. Wie oben bereits erwähnt, würde sich eine regulär dreijährige Ausbildungszeit auf diese Weise tatsächlich halbieren.

Das mit den 18 Monaten gilt allerdings nur für dreijährige Ausbildungen. Bei einer Regelausbildungszeit von zwei Jahren wäre eine solche Verkürzung um 18 Monate auch eindeutig zu viel. Dann blieben ja nur noch sechs Monate Lehrzeit übrig! Deshalb wird in der Empfehlung eine Mindestdauer von zwölf Monaten für zweijährige Ausbildungen gefordert.


Bitte beachten Sie: Der Inhalt dieses Beitrages stellt keine Rechtsberatung dar und kann die rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen! Unser Anspruch ist es, immer rechtlich korrekte Artikel zur Verfügung zu stellen. Allerdings ändern sich Gesetze bzw. gesetzliche Regelungen häufig. Wir können daher keine Garantie für die aktuelle oder zukünftige Richtigkeit übernehmen. Im Zweifel wenden Sie sich bitte vertrauensvoll an eine juristisch fundierte Person (z.B. Rechtsanwälte, Gewerkschaften, IHK etc.).


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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