RM Rudolf Müller

Rechte und Pflichten
11. August 2015 | Artikel teilen Artikel teilen

Müssen Azubis bei Kassendifferenzen zahlen?

KasseWer eine Ausbildung als Kaufmann/-frau im Baustoffhandel macht, arbeitet irgendwann auch mal an der Kasse. Manche haben dabei vermutlich ein ungutes Gefühl. Was ist, wenn hinterher festgestellt wird, dass weniger Geld in der Kasse ist als Waren verkauft wurden? Inwieweit haften Azubis für solche Differenzen?

Zunächst einmal kann man festhalten, dass es bei dieser Frage kein gesondertes „Azubi-Recht“ gibt. Für Auszubildende gelten die gleichen Haftungsregeln wie für alle anderen Arbeitnehmer auch. Und noch eine Klarstellung vorab: Kassendifferenz bedeutet nicht immer, dass es ein Minus gibt. Auch ein Plus ist möglich, etwa weil Kunden zu wenig Wechselgeld herausgegeben wurde. Selbstverständlich darf das Kassenpersonal solche „Überschüsse“ nicht einfach in die eigene Tasche stecken. Das wäre Diebstahl! Übrigens löst auch eine positive Kassendifferenz bei Arbeitgebern in der Regel nicht unbedingt Freude aus. Schließlich verursacht sie einen erhöhten Prüfaufwand bei der Kassenbuchhaltung.

Vielfältige Ursachen möglich
Für mehr Konflikte sorgen allerdings in der Regel die Situationen, in denen Geld in der Kasse fehlt. Betroffene Mitarbeiter müssen in solchen Fällen häufig hart im Nehmen sein, denn leider werden sie in vielen Unternehmen immer gleich des Diebstahls verdächtigt – auch ohne Beweise. Dabei kann eine negative Kassendifferenz auch viele andere Ursachen haben.
Vielleicht hat ja ein Kunde in die Kasse gegriffen, während der Kassierer oder die Kassiererin kurzzeitig unaufmerksam war. Vielleicht hat auch ein anderer Firmenmitarbeiter mit Kassenzugang das Geld heimlich entwendet. Oder die Differenz stammt bereits aus einer vorangegangenen Schicht, nach der der Geldbestand dummerweise nicht überprüft wurde. Oder die Kasse wurde zwischenzeitlich mit frischem Wechselgeld bestückt und dabei hat jemand aus Versehen zu viele Scheine entnommen. Und natürlich kann es auch sein, dass der Kunde tatsächlich zu wenig Geld gegeben hat, und der Kassierer es „aus Schusseligkeit“ nicht bemerkt hat. Das wäre dann sein Fehler, aber noch kein Diebstahl.

Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit
Wer aber zahlt nun bei einer negativen Kassendifferenz? Rein rechtlich betrachtet gilt, dass das Kassenpersonal nur dann mit seinem eigenen Einkommen für den entstandenen Schaden haften muss, wenn es eine Pflichtverletzung nach §280 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) begangen hat. Nach gängiger Rechtsprechung ist das der Fall, wenn es entweder vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat.

Vorsätzlich heißt, dass der Schaden absichtlich verursacht wurde. In unserem Fall bedeutet das: Ein Mitarbeiter hat bewusst in die Kasse gegriffen. Grobe Fahrlässigkeit wiederum setzt voraus, dass die übliche Sorgfaltspflicht bei der Arbeit wirklich schwer verletzt wurde. Dabei geht es um Fälle, wo jeder von uns denken würde: „Das gibt`s doch gar nicht!“ Lässt ein Kassierer die Kasse offen stehen, während er auf die Toilette geht, wäre das sicher grob fahrlässig. Der Arbeitgeber muss die grobe Fahrlässigkeit – ebenso wie einen Vorsatz – aber auch beweisen können. Reine Verdächtigungen reichen nicht aus. Im Zweifelsfall entscheiden die Arbeitsgerichte, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt – nicht der Chef.

Leichte und mittlere Fahrlässigkeit
Die meisten Fälle, in denen Kassierer/innen sich aufgrund ihres Verhaltens mitschuldig an einer negativen Kassendifferenz machen, würden Arbeitsgerichte wohl eher als „leichte Fahrlässigkeit“ einstufen. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn ein Kassierer aus Versehen mal zu viel Wechselgeld herausgegeben hat oder wenn er „im Eifer des Gefechts“ einen Zehn-Euro-Schein für einen Zwanzig-Euro-Schein hält. Wenn sich so etwas nicht häuft, wird man es wohl als Unkonzentriertheit in einer Überlastungs- oder Stresssituation auffassen und damit als leichte Fahrlässigkeit. Rechtlich betrachtet ist der Arbeitnehmer in solchen Fällen stets von der Haftung befreit, den Schaden müsste das Unternehmen alleine tragen.

Es gibt auch Fälle, bei denen sich Arbeitsgerichte schwertun, das Mitarbeiterverhalten als grob oder leicht fahrlässig einzustufen. Dann kann es sein, dass sie am Ende eine „mittlere Fahrlässigkeit“ konstatieren. Bei solchen Urteilen muss der Arbeitnehmer dann – in Abhängigkeit von den Umständen des konkreten Einzelfalls – einen mehr oder weniger großen Anteil des Schadens aus eigener Tasche zahlen. Aber es wird keinesfalls einfach halbe-halbe gemacht. Stattdessen wird dem Kassenpersonal auch bei mittlerer Fahrlässigkeit meist ein deutlich geringerer Schadensanteil „aufgebrummt“. Dabei spielt es auch eine Rolle, wie stark jemand aufgrund seines Einkommens überhaupt finanziell belastbar ist.

Zahlung von Mankogeld
Bei Kassendifferenzen lässt sich vielfach nicht eindeutig feststellen, ob eine grobe, mittlere oder leichte Fahrlässigkeit des Kassenpersonals vorliegt. Rechtlich betrachtet hat der Arbeitgeber dann auch keinen Anspruch auf Schadensersatz. Dass viele Unternehmen ihren Beschäftigten trotzdem einfach Geld vom Arbeitslohn abziehen, steht auf einem anderen Blatt. Würden die Mitarbeiter dagegen rechtlich vorgehen, hätten sie gute Erfolgschancen, solange kein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten nachweisbar ist.

Anders sieht es aus, wenn das Kassenpersonal so genanntes Mankogeld erhält. Das ist vor allem bei größeren Handelsketten – zum Beispiel im Lebensmittelbereich – eine gängige Praxis. Mankogeld bedeutet, dass das Unternehmen seinen Mitarbeitern für die Arbeit an der Kasse einen erhöhten Stundenlohn zahlt – beispielsweise 50 bis 100 Euro zusätzlich zum normalen monatlichen Gehalt. Kommt es nun zu einer negativen Kassendifferenz, dann verringert die Firma das Einkommen des zuständigen Mitarbeiters. Besteht eine Mankovereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dann erfolgt der Lohnabzug also auch dann, wenn der Arbeitnehmer nur leicht fahrlässig gehandelt hat. Allerdings darf der Abzug niemals höher sein als das gezahlte Mankogeld.

Vorteile für beide Seiten
Mankogeld kann eine Lösung für das leidige Thema Kassendifferenz sein, von der Arbeitgeber und -nehmer gleichermaßen profitieren. Der Betrieb bekommt zumindest einen gewissen Teil des Schadens automatisch ersetzt, ohne dabei in Konflikte oder gar Gerichtsprozesse mit seinen Mitarbeitern zu geraten. Das Kassenpersonal wiederum erhält einen zusätzlichen Anreiz, konzentriert zu arbeiten, um den Abzug von Mankogeld möglichst zu verhindern.

Bei kleineren, mittelständischen Unternehmen – auch im Baustoffhandel – ist die Zahlung von Mankogeld bisher allerdings eher unüblich. Hier überwiegt die Praxis, kleinere Kassendifferenzen – zum Beispiel unter zehn Euro – zu „tolerieren“, größere Beiträge aber dem Arbeitnehmer vom Gehalt abzuziehen. Wie oben dargestellt, hätten solche individuellen Vereinbarungen vor Gericht aber kaum Bestand, auch dann nicht, wenn sie Teil eines schriftlichen Arbeitsvertrages sind.


Bitte beachten Sie: Der Inhalt dieses Beitrages stellt keine Rechtsberatung dar und kann die rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen! Unser Anspruch ist es, immer rechtlich korrekte Artikel zur Verfügung zu stellen. Allerdings ändern sich Gesetze bzw. gesetzliche Regelungen häufig. Wir können daher keine Garantie für die aktuelle oder zukünftige Richtigkeit übernehmen. Im Zweifel wenden Sie sich bitte vertrauensvoll an eine juristisch fundierte Person (z.B. Rechtsanwälte, Gewerkschaften, IHK etc.).

Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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