RM Rudolf Müller

Rechte und Pflichten
14. Juli 2015 | Artikel teilen Artikel teilen

Muss ich an Berufsschultagen auch im Betrieb arbeiten?

Eingang BerufskollegAuf diese Frage gibt es kein klares Ja oder Nein als Antwort. Es kommt drauf an: auf die Anzahl der Berufsschultage pro Woche, auf die Schulstundenanzahl pro Tag und nicht zuletzt auch darauf, ob du noch Jugendlicher oder bereits erwachsener Azubi bist.

Betrachten wir zum Beispiel die Ausbildung „Kaufmann/Kauffrau im Groß- und Außenhandel“ – also den Beruf, der am häufigsten im Baustoff-Fachhandel gelernt wird. Die Azubis gehen hier normalerweise regelmäßig an zwei Wochentagen zur Berufsschule. Man spricht von Unterricht in Teilzeitform, weil die Nachwuchshändler/-innen jede Woche sowohl Schul- als auch Arbeitszeiten im Betrieb haben. Das ist nicht bei allen Berufen so. Es gibt auch duale Berufsausbildungen, bei denen die Schulausbildung komprimiert als Blockunterricht angeboten wird. Sie findet dann nur während einzelner Wochen statt, dann aber gleich fünf Tage am Stück.

Bestimmungen für Jugendliche

Wie aber sieht nun die rechtliche Situation an den Tagen aus, an denen der Berufsschulunterricht stattfindet? Darf dein Chef an solchen Tagen von dir fordern, dass du nach (oder vor) der Berufsschule auch noch im Ausbildungsbetrieb arbeitest? Für Azubis, die noch keine 18 Jahre alt sind, wird diese Frage im Jugendarbeitsschutzgesetz detailliert geregelt.

In §9 JArbSchG heißt es nicht nur, dass der Arbeitgeber Jugendliche für die Teilnahme am Berufsschulunterricht grundsätzlich freizustellen hat, sondern auch, dass sie am selben Tag nicht schon vor der Berufsschulzeit beschäftigt werden dürfen, wenn der Unterricht dort bereits vor 9 Uhr beginnt. Damit ist eine frühmorgendliche Beschäftigung für die Azubis also ausgeschlossen.

Doch was ist mit der Tageszeit nach der Berufsschule? Die Unterrichtsstunden enden ja meist mittags oder am frühen Nachmittag. Kann man dann nachmittags zur Arbeit im Betrieb verpflichtet werden? Für Jugendliche setzt §9 JArbSchG auch hier enge Grenzen. Die grundsätzliche Regel lautet: Hat der Azubi an einem Berufsschultag mehr als fünf Unterrichtsstunden von mindestens je 45 Minuten Dauer, dann darf er am selben Tag nicht auch noch zusätzlich im Betrieb arbeiten.

Abweichende Regel am zweiten Berufsschultag

Doch aufgepasst: Diese Regel gilt nur für einen Tag der Woche! Wenn du als jugendlicher Azubi aber zweimal wöchentlich zur Berufsschule gehst, dann gelten für den zweiten Tag andere Bestimmungen. Während für den ersten Tag bei mehr als fünf Unterrichtsstunden acht Stunden Arbeitszeit angerechnet werden, gilt am zweiten Tag die tatsächliche Unterrichtszeit plus Pausen als Arbeitszeit. Klingt etwas kompliziert, aber so steht es in §9 JArbSchG. Darüber hinaus hat das Bundesarbeitsgericht in einem Grundsatzurteil festgelegt, dass auch die Fahrzeit zwischen Berufsschule und Betrieb auf die Arbeitszeit anzurechnen ist.

Nach dem Jugendarbeitsschutz darf die Arbeitszeit von Azubis grundsätzlich nur acht Stunden pro Tag betragen. Daraus folgt, dass Jugendliche an einem zweiten wöchentlichen Berufsschultag durchaus auch zur Arbeit im Betrieb verpflichtet werden können, wenn an diesem Tag die Unterrichtszeit (plus Pausen plus Fahrtzeit zwischen Schule und Betrieb) weniger als acht Stunden beträgt. Wie gesagt: So steht es im Gesetz. Ob es in der Praxis tatsächlich Sinn ergibt, dass du nur für eine oder zwei Stunden in den Betrieb kommst, steht auf einem ganz anderen Blatt. Deinem Ausbildungsbetrieb steht es natürlich frei, dich an allen Berufsschultagen von der Anwesenheitspflicht im Unternehmen zu befreien.

Volljährige Auszubildende

Wenn du bereits volljähriger Azubi bist, hat dein Arbeitgeber grundsätzlich viel mehr Möglichkeiten, dich auch an Berufsschultagen zu beschäftigen. Die oben genannten Regeln des Jugendarbeitsschutzgesetztes gelten dann nicht mehr für dich – bis auf eine: Wenn die Berufsschule vor 9 Uhr morgens beginnt, darfst du davor nicht im Betrieb arbeiten.

Ansonsten wird bei Erwachsenen aber stets nur die tatsächliche Unterrichtszeit plus Pausen plus Fahrtzeit zwischen Schule und Betrieb auf die Arbeitszeit angerechnet. Daraus folgt, dass Ausbildungsbetriebe ihre erwachsenen Azubis grundsätzlich an allen Berufsschultagen auch zur zusätzlichen Arbeit im Betrieb verpflichten können. Grenzen setzt hier nur das allgemeine Arbeitszeitgesetz, das für alle erwachsenen Arbeitnehmer gilt: Danach darf deine Arbeitszeit an einzelnen Tagen sogar bis zu zehn Stunden dauern, solange die wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt von sechs Monaten maximal 48 Stunden beträgt.


Bitte beachten Sie: Der Inhalt dieses Beitrages stellt keine Rechtsberatung dar und kann die rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen! Unser Anspruch ist es, immer rechtlich korrekte Artikel zur Verfügung zu stellen. Allerdings ändern sich Gesetze bzw. gesetzliche Regelungen häufig. Wir können daher keine Garantie für die aktuelle oder zukünftige Richtigkeit übernehmen. Im Zweifel wenden Sie sich bitte vertrauensvoll an eine juristisch fundierte Person (z.B. Rechtsanwälte, Gewerkschaften, IHK etc.).

Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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