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Wann bekomme ich als Azubi Sonderurlaub?
Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass ein Arbeitnehmer Anspruch auf Sonderurlaub hat, wenn er Vater wird. Das gilt natürlich auch für Azubis. Ungeschriebenes Gesetz deshalb, weil dir wahrscheinlich kein Arbeitgeber verbieten würde, bei der Geburt deines Kindes anwesend zu sein, das Thema Sonderurlaub aber trotzdem in keinem Gesetz eindeutig geregelt wird.
Sonderurlaub hat nichts mit deinem regulären Urlaubsanspruch zu tun. Er wird dir unter bestimmten Umständen zusätzlich gewährt. Dabei gibt es auch keine Sonderregeln für Azubis. Stattdessen gelten für alle Arbeitnehmer die gleichen gesetzlichen oder betrieblichen Bestimmungen. Normalerweise wird Sonderurlaub bei wichtigen familiären Ereignissen gewährt: zum Beispiel die eigene Hochzeit, die Beerdigung eines nahen Angehörigen oder eben die Geburt eines Kindes. Auch schwere Erkrankungen naher Angehöriger gelten in der Regel als ausreichender Grund für Sonderurlaub. Ebenso die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Pflichten wie die Vorladung zu einem Gerichtstermin oder die Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter beziehungsweise Schöffe.
Unklare Rechtslage
Die bisher genannten Gründe sind wohl weitgehend unumstritten. In vielen anderen Fällen ist es aber in der Praxis umstritten, ob ein Anspruch auf Sonderurlaub besteht oder nicht – zum Beispiel bei Umzügen oder Behördengängen. Selbst Arztbesuche sind so ein Fall. Wenn du als Arbeitnehmer auch einen Termin außerhalb deiner Arbeitszeit vereinbaren könntest, hat dein Betrieb theoretisch das Recht, dies von dir zu verlangen. Wenn du dagegen keinen Einfluss auf den Zeitpunkt hast, muss der Arbeitgeber dich für die Dauer des Arztbesuchs von der Arbeit freistellen.
Über Sonderurlaub lässt sich wenig Allgemeinverbindliches sagen, weil es keine konkreten Gesetzestexte dazu gibt. Im Bundesurlaubsgesetz steht nichts zu dem Thema. Der Anspruch auf Sonderurlaub leitet sich stattdessen nur indirekt aus §616 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ab. Selbst dort taucht aber das Wort Sonderurlaub gar nicht auf. In dem Paragraphen wird unter der Überschrift „Vorübergehende Verhinderung“ festgelegt, dass ein Arbeitnehmer Anspruch auf Lohnfortzahlung hat, wenn er „für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird“.
§616 BGB
Insofern begründet §616 BGB einen Rechtsanspruch auf bezahlten Sonderurlaub, allerdings ohne näher zu konkretisieren, wann und wie lange dieser Anspruch eigentlich gilt. Zur Dauer des Sonderurlaubs legt der Gesetzgeber nur fest, dass es eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ sein muss – eine dehnbare Definition. Zu den Anlässen für einen Sonderurlaub sagt er, dass der Grund in der Person des Arbeitnehmers liegen muss. Das kann man wohl so übersetzen, dass ein persönlicher Grund vorliegen muss. Das aber ist ebenfalls wenig konkret. Immerhin wird so ausgeschlossen, dass jemand zum Beispiel wegen einer Naturkatastrophe bezahlten Sonderurlaub beantragt. Das wäre kein persönlicher Grund.
Schließlich legt §616 BGB noch fest, dass die vorübergehende Arbeitsverhinderung nicht selbst verschuldet sein darf. Aber sind eigene Hochzeiten oder Neugeborene denn etwa nicht selbstverschuldet? Na ja, wir wollen an dieser Stelle nicht zu spitzfindig werden. Was der Gesetzgeber hier meint, ist natürlich, dass du nicht einfach aktiv irgendwelche Anlässe herbeiführen darfst, die zu einer vorübergehenden Arbeitsverhinderung führen. Du hast zum Beispiel keinen Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub, wenn du dich für einen Volkshochschulkurs angemeldet hast, der während deiner Arbeitszeit stattfindet. Wenn du dagegen wegen Krankheit nicht arbeiten kannst, so liegt in der Regel kein eigenes Verschulden vor. Aber in dem Fall benötigst du auch keinen Sonderurlaub. Den Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hast du ohnehin – unabhängig von §616 BGB.
Betriebliche Regelungen
Da der Gesetzgeber keine Angaben darüber macht, in welchen tatsächlichen Situationen bezahlter Sonderurlaub zu gewähren ist, wird das Thema in vielen Unternehmen durch individuelle Arbeitsverträge, Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge genauer geregelt. Am besten schaust du also mal in deinem Ausbildungsvertrag oder – falls dein Unternehmen tarifgebunden ist – im Tarifvertag nach, ob dort Angaben über Sonderurlaub gemacht werden.
In betrieblichen Vereinbarungen wird zum Beispiel oft geregelt, bei welchen familiären Ereignissen die Arbeitnehmer wie lange Sonderurlaub nehmen können. Manche Verträge gewähren auch Sonderurlaub bei Umzügen. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst sieht zum Beispiel einen Arbeitstag bezahlten Sonderurlaub vor, allerdings nur dann, wenn der Umzug aus betrieblichen Gründen und an einen anderen Ort stattfindet. Für Privatumzüge gilt das also nicht.
Unbezahlter Sonderurlaub
Bisher haben wir nur über bezahlten Sonderurlaub gesprochen. In vielen Unternehmen haben die Beschäftigten aber auch die Möglichkeit, unbezahlten Sonderurlaub zu nehmen. Der wird dann meist für Fälle wahrgenommen, die nicht eindeutig unter §616 BGB fallen – also zum Beispiel Behördengänge oder private Umzüge. Du verzichtest dann auf einen Teil deines Gehalts und erhältst dafür mehr Zeit zu deiner freien Verfügung. Das geht aber nur mit Zustimmung deines Betriebes. Der kann deinen Antrag auch ablehnen.
Es gibt aber auch Situationen, in denen ein gesetzlicher Anspruch auf unbezahlten (!) Sonderurlaub besteht. Wer sich zu Hause um ein erkranktes Kind kümmern müssen, hat einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit. Genaueres regelt §45 SGB V (Fünftes Sozialgesetzbuch). Ein Recht auf unbezahlte Freistellung gibt es zudem auch, wenn du dich um pflegebedürftige Angehörige kümmern musst. Details dazu findest du im Pflegezeitgesetz von 2008.
Wenn es nicht um Kinder- oder Angehörigenpflege geht, bleibt die Gewährung von Sonderurlaub aber in vielen Fällen eine Ermessensentscheidung des Arbeitgebers. Wobei die Betriebe häufig sogar großzügiger verfahren, als sie es nach der Gesetzeslage müssten. Viele erlauben ihren Mitarbeitern relativ unkompliziert, mal einen halben Tag bezahlten Sonderurlaub zu nehmen. Voraussetzung ist, dass du als Beschäftigter gute Gründe nennen kannst – zum Beispiel Handwerker im Haus. Eins aber geht auf keinen Fall: Du kannst dir Sonderurlaub – egal ob bezahlt oder unbezahlt – nicht einfach selbst genehmigen. Du musst die Freistellung unbedingt vorab mit deinem Betrieb absprechen.
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Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
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